Rektorin mit Ferienjob

11.8.2011, 16:00 Uhr
Rektorin mit Ferienjob

© André De Geare

Petra Pohl hat den Leitz-Ordner unter den Arm geklemmt und steht etwas ratlos vorm Eingang, als die Glocken acht Uhr läuten. Schon vor einer Viertelstunde wollte die neue Schulleiterin ihren Vorgänger treffen, denn heute ist Schlüsselübergabe. Gerhard Graefe trifft, etwas atemlos, kurz nach acht ein: „Der Hund...“ Vielleicht ist auch der Strauß Blumen aus dem eigenen Garten schuld, den er mitgebracht hat. Sattrote Zinnien, gelber Sonnenhut und purpurne Astilben. „So bunt wie diese Schule“, sagt Graefe.

40 Jahre war er im Schuldienst, davon die letzten als Leiter der Maischule und jetzigen Otto-Seeling-Schule. Planung, Neubau, Umzug — all das hat er mitbestritten und dann gerade ein Jahr im neuen Büro mit Blick auf das dichte Grün des Stadtparks gehabt. Schlimm? „Wenn man zu lang an einem Amt festhält, wird’s nur schlechter“, sagt der 63-Jährige.

In der ersten Ferienwoche hat er Tabula rasa gemacht und nach Kräften aussortiert. Ein kühlschrankgroßer Metallcontainer ist mit Unterlagen ab 1968 vollgeschlichtet, an seine Nachfolgerin wird er wohlgeordnete Reihen von Aktenordnern mit aktuellen Vorgängen und zwei Ablagekästchen übergeben. Und die Schlüsselsammlung natürlich.

Kein Durchkommen



Während die Schultür sofort öffnete, piepst es am Zugang zum Lehrertrakt vernehmlich. Kein Durchkommen. „Manche gehen nicht auf, andere lassen sich nicht verschließen“, seufzt Graefe und nimmt den Aufzug. Von modernen Errungenschaften ist er nur bedingt überzeugt. Petra Pohl lächelt: „Gut, dass das jetzt passiert!“ Die 50-Jährige hat schon beim Tag der offenen Tür gespitzt, aber so richtig kennt sie das Haus noch nicht. Deshalb schaut sie sich ab, was geht.

Der Wechsel — zuvor war Pohl drei Jahre lang Konrektorin an der Pestalozzi-Schule — ist anstrengend. Von wegen Ferien! Die erste Woche war sie auf Fortbildung in Dillingen, mit 120 anderen neu ernannten Schulleitern aus ganz Bayern. Themen: Die ersten Schritte als Schulleiter, die Gestaltung von Konferenzen, der Umgang mit Kollegen.

Für Pohl war es wichtig, nicht im eigenen Haus aufzurücken. „Bei aller Vorbereitung: Die Rolle ist eine andere, und es hilft, klarer zu sein.“ 17 Stunden wird sie Unterricht halten, zehn Stunden für die Schulleitung haben. Dass das nie reicht, weiß Pohl schon jetzt. Warum sie trotzdem Rektorin wird? „Weil ich gern gestalte — und ich wollte es wissen.“ Gerade hat sie das 25-jährige Dienstjubiläum gefeiert, jetzt reckt sie den Hals. Will alles wissen, alles aufsaugen.

Über die Verträge mit externen Mitarbeitern, die in den Ganztagsklassen Aufsicht führen, Taekwondo lehren oder mit den Schülern töpfern. Über die Zuschüsse der Stadt und der mittelfränkischen Regierung, die die Mittagsbetreuung und einen Einblick ins berufliche Arbeiten ermöglichen. Darüber, wie bei Ausschreibungen mit viel Anstrengung auch EU-Mittel zu holen sind. Die Suche nach Geld frisst einen Großteil der Zeit von Schulleitern. „Sponsoring“ steht auf einem Ordner.



„Aber das bringt einen auch auf neue Ideen“, sagt Graefe. Die Nachfolgerin nickt. Sie kennt das und sagt: „Ich komme nicht mit einem fertigen Konzept.“ Aber mit dem festem Vorsatz, erst einmal zu schauen und zu hören. Dazu will sie — eine Woche Urlaub ausgenommen — bis Schulbeginn immer mal wieder in die Schule gehen und in Ordnern blättern.

Material gibt es jede Menge: Passwörter für den E-Mail-Verkehr mit der Regierung, Konten, die Briefe der letzten vier Jahre, Beurteilungsunterlagen, die aktuelle Lehrer- und Schülerdatei und, wenn Pohl noch Lust hat, auch ein Schülerdatenarchiv ab 1950.

Ein Schulleiter, sagt Gerhard Graefe, brauche vor allem eine dicke Haut und viel Geduld. „Geduld habe ich und ich bin zäh“, sagt Petra Pohl. Eigenschaften, die helfen werden.

Volles Programm

300 Schüler besuchen die Otto-Seeling-Schule, die Mehrzahl hat ausländische Eltern, 60 Prozent sind Muslime. Im neuen Schuljahr werden zwei Klassen ausgelagert, denn die Ende September 2010 eingeweihte Schule ist zu klein. Und die Mittagsbetreuung soll über die Ganztagesklassen hinaus ausgeweitet werden. Dagegen mutet alles andere wie Routine an: Pohl arbeitet am Stundenplan mit, will Kontakt zu den Elternvertretern aufnehmen und wird gegen Ende der Ferien das Kollegium kennenlernen.

Ob alles glatt läuft? Petra Pohl kann sich darauf verlassen, dass Gerhard Graefe Rat weiß. Er werde eine normale Urlaubsreise machen, sagt der Ruheständler, und im späten September die Eisenbahnfahrt durch die Schweiz antreten, die ihm das Kollegium zum Abschied geschenkt hat. „Dazwischen habe ich viel Zeit, um zu helfen.“

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