Roman auf der Bühne: Münchner Schauspieler in Fürth

21.2.2020, 13:00 Uhr
Roman auf der Bühne: Münchner Schauspieler in Fürth

Was macht man aus Joachim Meyerhoffs autobiografischem Schauspieler-Roman-Bestseller, der ja von der selbstironischen Schreibe des Autors lebt? Die Münchner mit Regisseur Gil Mehmert entschieden sich für eine erzählende Inszenierung, die sehr viel Originalsprache des Buches übernimmt. Der junge Joachim (James Newton als begnadet unerwachsener Looser) muss daher neben seiner eigentlichen Rolle im Stück immer auch Ich-erzählend die Geschichte vorantreiben. Die Spielszenen selbst sind dann eher zugespitzte Sketche oder rasante Begegnungen der Protagonisten, unterstützt von einem fantasievollem Schlagzeug-Einsatz.

Hat man sich an diese slapstickartige Herangehensweise erst einmal gewöhnt, so erlebt man neben der wunderbar beobachtenden Sprache Meyerhoffs irre Charaktere in komödiantischen Szenen. Joachim kommt an die Münchner Otto-Falckenberg-Schauspielschule, wo Ende der achtziger Jahre der spielerisch-artistische Berufszugang mit Rollenspiel, Aikido und Ekstase angesagt ist. Der Bub wohnt in dieser Zeit sehr gut- und großbürgerlich bei den Münchner Großeltern. Oma, die 2004 verstorbene Inge Birkmann, lernte einst selbst die Schauspielerei – aber klassisch mit Text repetieren, konzentrieren, agieren.

Wenn Joachim den Großeltern dann erzählt, dass er in der Schule gerade Fontanes "Effie Briest" als Nilpferd zusammenfantasieren soll, erntet er beim täglichen Nachmittags-Whisky im Wohnzimmer nur Kopfschütteln. Die Marotten, aber auch Feinsinnigkeiten des alkoholbeschwingten alten Paares spielen Lucca Züchner und Thorsten Krohn komisch und verschroben, zugleich aber doch liebenswert und klug.

In diesen Dialogen, gemixt aus generationsbedingten Missverständnissen und realer Schwerhörigkeit, kommt der Meyerhoffsche Sprachwitz am besten zur Geltung. Wenn Oma Inge in ihren hellen Momenten ihre alte Schauspielkunst hervorkramt, lernt der junge Joachim von ihr vielleicht mehr als bei den überspannten Körpertrainern an seiner Schule.

Die Stimmung der Anfängerklasse an einer solchen Schule ist mit viel Komik und Artistik ebenfalls gut eingefangen. In einem Beruf, der vorzugsweise aus Talent und Handwerk besteht, ist der Nachwuchs zunächst komplett den Sichtweisen und Vorlieben der Lehrenden ausgeliefert. Sein eigenes Sein sieht man folglich mal als Genie, mal als Versager. Und spürbar wird bei aller Komik, wie radikal ein Schauspieler seine Persönlichkeit entäußern muss und wie sehr folglich Kritik am Tun die eigene Person trifft.

Dass aus dem zutiefst verunsicherten Anfänger Joachim letztlich der große Schauspieler Meyerhoff wurde, der aktuell nach einigen Jahren am Wiener Burgtheater einer der Stars der Berliner Schaubühne ist, ist die reale, im Stück nur angedeutete Pointe der Wirklichkeit. Dieser Hintergrund macht den Stadttheater-Abend zusätzlich zur ideen- und temporeichen Inszenierung hoffnungsfroh.

Verwandte Themen


Keine Kommentare