Roßtaler Bauruine wird zum Postkarten-Motiv

4.4.2019, 13:00 Uhr
Roßtaler Bauruine wird zum Postkarten-Motiv

© Foto: Hans-Joachim Winckler

2013 hat die Gemeinde das Baderhaus gekauft. Eigentlich nur für einen Stellplatz, mit dem sich der private Vorbesitzer zufrieden gab, wie Roßtals Bürgermeister Johann Völkl berichtet. Als sich drei Jahre später die Chance abzeichnete, auch das angrenzende Wohnhaus zu erwerben, starteten umfassende Überlegungen, wie beide Gebäude als Ensemble sinnvoll genutzt werden könnten. Zwischenzeitlich ist klar, dass die Sing- und Musikschule hier unterkommen soll. Direkt unterm Satteldach soll zwischen dem offenen Gebälk ein Veranstaltungsraum entstehen.

Zentrale Frage im Vorfeld war, inwieweit die Gemeinde von Fördertöpfen profitieren kann. Denn das Haus, in dem seit der Zeit um 1700 der Bader von Roßtal Zähne zog und andere gesundheitliche Unbill der Bevölkerung kurierte, war über Jahrzehnte dem Verfall preisgegeben. Am rückwärtigen Zwerchhaus-Anbau ist bereits eine Wand eingestürzt. Wer im Innern steht, kann durch die Lücken ausgebrochener Steine in den Gefachen des Fachwerks das Tageslicht schimmern sehen.

Fehlstart vor einem Jahr

Dass sich der Beginn der Bauarbeiten zog, erklärt der Fürther Architekt Hermann Keim, der mit Planung und Bauleitung des Projekts beauftragt ist, mit einem Fehlstart vor einem Jahr. Die damalige erste Ausschreibung lief ins Leere. Entweder waren die Angebote exorbitant hoch oder es gingen gar keine ein. Umso runder funktionierte es im zweiten Anlauf: "Jetzt haben wir qualifizierte Spezialisten gefunden und bisher sind alle Positionen im Rahmen des Budgets geblieben."

"Für einen privaten Bauherren wäre die Restaurierung nicht zu schultern gewesen", ist Völkl überzeugt. Und auch Roßtal kann sie sich nur leisten dank des freistaatlichen ZuschussInstruments der Städtebauförderung. 2,1 Millionen Euro wird die Rettung des Baderhauses mit der Sanierung des angrenzenden Wohnhauses voraussichtlich kosten, 60 Prozent davon erhält die Gemeinde über die Städtebauförderung, noch einmal 500 000 Euro schießt der Entschädigungsfonds des Bayerischen Kultusministeriums zu.

Letztlich bleiben am Ende 300 000 bis 400 000 Euro an der Gemeinde hängen. "Und so wird auch ein Schuh daraus", findet Keim. "Denn für dieses Geld hätte die Gemeinde kein neues Gebäude für die Musikschule bekommen."

Der Entschädigungsfonds ist "hochwertigen, substanzgefährdeten und überregional bedeutenden Baudenkmälern vorbehalten", zitiert Keim die Richtlinien. Das gilt für das Baderhaus, weil es eines von wenigen seiner Art ist, die in Mittelfranken noch erhalten sind. Und der Bautyp des "gestelzten Hauses" über einem Keller Seltenheitswert hat und noch dazu die Baderstube anno 1820 im Originalzustand erhalten ist – abgesehen von vielen anderen historischen Details. Dass das Gebäude substanzgefährdet ist, ist unübersehbar.

Derzeit ist angesichts der Fast-Ruinen kaum vorstellbar, was Architekt Keim bereits vor Augen hat: Ein "Schatzkästchen", das sich im Lauf des kommenden Jahres zum Postkarten-Motiv gemausert haben wird. "Wir haben schon aus Schlimmerem was gemacht. Und wir haben hier den Klassiker", sagt der Architekt: "Anfangs heißt es, ,Schiebt‘s doch weg, das Graffl‘; hinterher sagt jeder, ,Zum Glück habt ihr es erhalten‘", garantiert er.

Beide Gebäude werden derzeit "ausgebeint", wie Keim das nennt. Gemeint ist der Rückbau auf die historische Substanz, soweit das möglich ist. Bauschutt und Altholz türmen sich vor den Mauern. An der Front des kleineren Gebäudes am Schloßberg 6 ist ein für Keim überraschend schönes, fast symmetrisches Fachwerk unter den Kunststoff-Platten des Dämmsystems der 70er Jahre zutage getreten.

Zwar im Ursprung ähnlich alt wie das Baderhaus, ist das alte Wohnhaus nicht geschützt. "So können wir hier auch etwas hemdsärmeliger vorgehen", erklärt Keim. Brandschutz, zweiter Fluchtweg, barrierefreier Zugang über einen vorgebauten Aufzug, all das wird hier untergebracht.

Über einen rückwärtigen Zugang zum Baderhaus kann dort dann umso behutsamer agiert werden. Den Anforderungen der Jetztzeit an einen Veranstaltungsort ist schließlich bereits im oberen Gebäude Genüge getan.

"Ziemliche Aktion"

Bis zum Winter will Keim beide Gebäude "nach außen dicht haben", damit sich die Handwerker in den Wintermonaten auf das Innere konzentrieren können. Im Baderhaus mussten Zimmerer das Gebäude erst einmal abfangen, um überhaupt einigermaßen sicher darin arbeiten zu können. Keim sieht einer "ziemlichen Aktion" entgegen: Im Erdgeschoss muss eine Stahlkonstruktion eingezogen werden, damit das teils extrem abgesackte Gebälk seiner Funktion als tragendes Gerüst wieder gerecht werden kann.

Keim freut sich, dass die Gemeinde das Projekt anpackt und das Baderhaus rettet, "schließlich stiften solche ortsbildprägenden Baudenkmäler Identität und Heimat". Es wird auch farblich Akzente setzen, die Originalgestaltung der Fassade ist bereits entdeckt: Das Gebälk war fuchsrot, begleitet von schwarzen Zierstrichen im gold-ocker-farbigen Gefach.

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