Roßtaler Stick-Karten lindern in Siha die Not

4.2.2017, 09:00 Uhr
Roßtaler Stick-Karten lindern in Siha die Not

© Foto: Sebastian Müller

Mit dem Bonhoeffer-Liedvers „Von guten Mächten wunderbar geborgen . . .“ werden die Besucher bei Hannelore Ulscht in ihrem Roßtaler Haus begrüßt. Es ist jedem Gast sofort klar: Das ist ein evangelisch-lutherischer, ein christlicher Haushalt. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Jürgen, der Jahrzehnte lang als Diakon tätig war, hat die 70-Jährige den Tisch gedeckt, Kaffee und Kuchen stehen bereit – und die schönen, mit liebevollen Details gestickten Karten mit Blumenmotiven und Kreuzen liegen auch bereit.

„Ich mache das schon seit meiner Kindheit, meine Mutter hat mir das beigebracht. Doch dass es solche Ausmaße annimmt, hätte ich nie gedacht“, sagt sie und zeigt stolz die Stick-Garne, Stoffe und Nadeln.

Die Ausmaße sind: 5000 Motive, die die Roßtalerin gestickt hat, die auf Karten geklebt werden und samt Briefumschlag in ein Tütchen kommen. Im Schnitt war sie mit einer Karte rund zwei Stunden beschäftigt. 10 000 Stunden ergeben 416,6 Tage, also ein Jahr und etwas mehr als einen Monat — Hannelore Ulscht ist damit die Stick-Karten-Königin von Roßtal. „Ich habe während des Fernsehens gestickt, da habe ich gleich noch etwas Sinnvolles gemacht“, berichtet sie. Mit den Karten konnten sie und ihr Missionskreis der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Roßtal rund 15 000 Euro sammeln. Auf die Idee zu den Stick-Karten kam sie als sie vor neun Jahren Post von einer Diakonin erhielt — auf der Karte war eine Stickerei abfotografiert. Dann begann die Erfolgsgeschichte.

Eine normale Karte kostet im Schnitt drei Euro, größere Exemplare sind für 10 Euro erhältlich. Als Motive stehen Blumensträuße, Vögel, weitere Naturmotive zur Auswahl. Dazu kommen auch Trauerkarten mit Kreuzen. „Die sind oft sehr begehrt, weil vorne kein Spruch drauf steht — und die Menschen lieber innen etwas Persönliches schreiben“, weiß die Karten-Expertin. Stick-Garn und Stoffe erhält sie oft preisgünstig in Geschäften oder durch Spenden.

Selbst entworfene Muster

Hannelore Ulscht stickt auf einem bequemen Sessel in ihrem Wohnzimmer. Vor ihr steht ein Pult mit einem Vergrößerungsglas — von dort blickt sie auf die Vorlagen aus Stickbüchern — natürlich entwirft sie auch eigene Muster. Die Stick-Garne, die aus sechs Fäden bestehen, teilt sie für die Detailarbeit und je nach Dicke des Stoffes, in den sie stickt, auf. Für besonders feine Nuancen wählt sie auch mal nur zwei oder drei Fäden. Für Vereine, Geburtstagskinder, aber auch Reiterhöfe und alle anderen erdenklichen Gelegenheiten fertigt die Roßtalerin Auftragsarbeiten an.

Die Erlöse fließen komplett in die Arbeit des Missionskreises der Kirchengemeinde, dem 20 Frauen aus Roßtal angehören. Zwischen dem Dekanat Fürth und dem Dekanat Siha im Norden Tansanias besteht seit vielen Jahren eine enge Partnerschaft. Am Ort Sanja Jun wurde ein Mutter-Kind-Hospital unterstützt.

Im Jahr 2007 machte sich das Ehepaar Ulscht bei einer Exkursion nach Tansania ein Bild von der Situation vor Ort. Durch Spenden der Roßtaler Kirchengemeinde konnten eine Krankenstation, ein Entbindungsraum und eine Apotheke gebaut werden. Für den laufenden Betrieb sammelte der Missionskreis jährlich rund 5000 Euro bei Basaren und weitere Spenden. Insgesamt kamen, so Ulscht, in der 22-jährigen Partnerschaft mit Tansania „deutlich über“ 100 000 Euro an Spenden zusammen.

„Auch meine Mutter war schon in einem Missionskreis“, erzählt sie und ergänzt: „Das mache ich aus einem christlichen Auftrag heraus. Seit wir da in Tansania waren, gehe ich noch bewusster mit dem Thema um. Wer die Not in dem Land sieht, der betrachtet die Dinge hier mit anderen Augen. Wir haben ein so hohes Niveau in Deutschland — und viele jammern trotzdem zu viel. Ich bin beeindruckt über die Dankbarkeit der Menschen in Tansania.“ Besonders wichtig sei die Hilfe zur Selbsthilfe, betont Ulscht. Vor allem die Bildung der Kinder und das Gesundheitswesen generell in Tansania müsse noch weiter gestärkt werden. Der Bonhoeffer-Spruch fällt auch beim Abschied ins Blickfeld: „. . . erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen — und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Am sogenannten Partnerschaftssonntag, 5. Februar, um 9 Uhr, will Pfarrer Jörn Künne dem Missionskreis in der Roßtaler Laurentius-Kirche für dessen Engagement und ganz besonders Hannelore Ulscht für ihre 5000 Stick-Karten danken.

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