Rotterdamer Solisten

12.6.2008, 00:00 Uhr
Rotterdamer Solisten

© Hans Winckler

Wie tröstlich, zu wissen, dass auch der härteste Poser abseits der Rockbühne beige Socken in Badeschlappen trägt. Das und noch mehr erfährt der Zuschauer im unfassbar lustigen Videofilm des Münchner Künstlers Jürgen Heinert. Der 1970 geborene Träger des Kaufbeurer Kunstpreises (2005) verbrachte als DAAD-Graduiertenstipendiat für die Niederlande 2002 drei Sommermonate in Rotterdam. Inspiriert zu seinem Videoprojekt haben ihn diverse Clubbesuche in der Hafenstadt.

Und das kam heraus: 100 Gitarristen in und um Rotterdam hat Heinert aufgesucht mit der Bitte, ihm ihr persönliches Lieblingssolo vorzuspielen; Schauplatz und die Art der Inszenierung durften sie frei auswählen. Heinerts Kamera hielt drauf. Das Gitarrensolo, Synonym für totale Freiheit, rückhaltlose Egozentrik und individuellen Rausch, hier wird’s Ereignis.

Aus dem Rohmaterial hat Heinert ein Video von 25 Minuten Dauer gefertigt. Zwei Projektionen erlauben subtile Blenden und raffinierte Gegenüberstellungen. Prinzip der Arbeit ist es, Ähnlichkeiten im Ausdruck der Musiker, aber auch Ähnlichkeiten im Hinblick aufs Ambiente zusammenzuführen und simultan zu zeigen.

So wird das Video selbst zu Musik, entwickelt Rhythmus und einen rasend komischen Subtext - etwa dann, wenn der harte Bursche vor fast demselben absurden Küchenvorhang aufs Ganze geht wie der Simon-and-Garfunkel-Adept. Und irgendwo ist immer eine Zentralheizung im Spiel, irgendwo immer ein steinhässlicher PC, ein brutal überladenes Sammelsurium-Regal und der ganz normale Wohnküchenwahnsinn.

Akustische und optische Nuancen hat Heinert zudem aufs Feinste zum gitarristischen Gesamtkunstwerk komponiert. Ein Muss für jeden Metalfan mit der Gabe der Selbstironie, ein Vergnügen für Gitarrenschüler, ein Heidenspaß für alle.

Und das übergroße Ich der Gitarristen - wo ist es geblieben? mab

Bahnhofplatz, täglich 11-20 Uhr