Sanjana stiehlt Hugo die Show

2.11.2010, 11:00 Uhr
Sanjana stiehlt Hugo die Show

© Horst Linke

Sanjana stiehlt Hugo die Show

© Horst Linke

Dass Sanjana jetzt ein bisschen berühmt ist, verdankt sie ihrer Engelsgeduld. Oder umgekehrt: der Ungeduld ihrer Mama. Schon vor einer Woche sollte das Mädchen, für das Papa Joe Wolf (21) einen indischen Namen ausgesucht hat, das Licht der Welt erblicken. Doch der 24. Oktober verstrich, ohne dass sich Sanjana anschickte, die Welt kennenzulernen. Seit vergangenen Mittwoch war ihre Mutter Natascha Bromberger (26) in der Klinik, am Samstag war sie das Warten leid und stellte sich auf einen Kaiserschnitt ein.

Der Samstag war zugleich der Tag, an dem die geburtshilfliche Abteilung mit Ärzten, Schwestern und 18 Wöchnerinnen in den Neubau der Frauenklinik umziehen sollte. Am Morgen gab es noch einmal Frühstück in den alten Zimmern, danach wurde eine Frau nach der anderen in ihrem Bett über einen unterirdischen Gang in den Neubau geschoben; auch der Chefarzt und die Oberärzte packten mit an, die Ehemänner liefen mit den Koffern nebenher. „Selbst die Frauen, die schon nach Hause hätten gehen dürfen, wollten den Umzug unbedingt mitmachen“, erzählt Silvia Harris, die als Stellvertretende Pflegeleiterin die Ankömmlinge in der neuen Frauenklinik in Empfang nahm. „Die saßen alle strahlend in ihren Betten.“

Um 12.43 wurde Sanjana per Kaiserschnitt zu einer kleinen Berühmtheit gemacht und von zwei Chefärzten und einer Oberärztin begrüßt. „Die Besten der Besten waren da“, freut sich Natascha Bromberger.

Nur dreieinhalb Stunden vorher, um 9.15 Uhr, hatte Hugo seinen großen Auftritt gehabt. Als letztes Baby, das im alten Kreißsaal geboren wurde, rührte er einige Schwestern ganz besonders. „Da war sicher viel Wehmut dabei“, sagt Silvia Harris, für die der kleine Junge noch in anderer Hinsicht etwas Besonderes ist: „In den 18 Jahren, die ich hier bin, hab’ ich noch keinen Hugo kennengelernt.“ Vor allem Hugos Vater hört das gern: Oliver Keilberth (32) wollte keinen Namen, bei dem, wenn man ihn auf dem Spielplatz ruft, „20 Kinder losrennen“. Heinrich hätte er auch schön gefunden, sagt er, aber da legte die Mama, Anita Gehringer (28), ihr Veto ein. 

Ein Ort der Erinnerungen

Um den Umzug bei laufendem Betrieb über die Bühne zu bringen, war doppelt so viel Personal wie gewöhnlich im Einsatz. Als die Wöchnerinnen umgezogen waren, verabschiedeten sich die Schwestern von ihrer ehemaligen Station. „Sie haben alle Türen geöffnet, die Musik aufgedreht und alle Zimmer noch einmal besucht“, erzählt Silvia Harris. „Geistermäßig“ habe das Gebäude gewirkt, als sie am Abend noch einmal zurückkehrte.

Mit dem Abschied wurden Erinnerungen wach, die mit den alten Räumen verbunden sind: Da war zum Beispiel der Vater, der zur Geburt seiner Tochter Tausende von Rosen brachte — „für jedes Gramm eine Rose, und es waren so 3500 Gramm“, sagt Silvia Harris. „Wir haben Putzeimer hergenommen, das ganze Zimmer und der Gang waren voll.“ Da war die Frau, die viel zu spät losgefahren war und das Kind vor der Eingangstür bekam: „Die Hebamme konnte gerade noch danach greifen, sonst wäre es auf den Boden gefallen.“ Und da war eine junge Frau, die, weil sie sterbenskrank war, in der Geburtsklinik heiratete. „Das war eine tolle Hochzeit. Der Standesbeamte kam zu uns, sie trug ein rotes Kleid und wir haben sie am Morgen geschminkt.“

Eine Erinnerung könnte noch dazukommen: Für den Kinofilm „Dreiviertelmond“ mit Elmar Wepper wird, wie berichtet, am 10. und 11. November in der alten Frauenklinik gedreht. Silvia Harris überlegt, als Komparsin mitzumachen.