Sauber gezaubert

8.10.2014, 08:20 Uhr
Sauber gezaubert

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Was ist des deutschen Spießers heiligste Kuh? Der Hirsch natürlich, der vorm Alpenpanorama röhrt oder zum Sprung ansetzt. Und noch ein Avatar der heilen Welt? Genau: die Kuckucksuhr. Aber die Zeit bleibt nicht stehen. In den 50er und 60er Jahren gesellten sich weitere Idole ins traute Heim. Der klobige Fernseher; Möbel von anderem Zuschnitt, niedrige Regale und Sofas auf weit auseinander stehenden schrägen Stelzen; die Waschmaschine, die nicht nur sauber, sondern rein wäscht; Lampen, die wie ein Ufo an der Decke schweben; Trockenhauben für die wie in Beton gegossene Dauerwelle. Poppige Tapeten der frühen 70er Jahre. Und als Gipfel: der Wohnwagen für die Fahrt ins Land, wo die Zitronen blühn.

All diese Dinge gibt es nicht mehr und schon wieder. Das Design des ovalen Wohnwagens ist längst überholt, wie auch des Mobiliars. Die Kinder schütteln sich mit Grausen vor den Vorlieben ihrer Eltern, doch die Enkelgeneration entzückt sich aufs Neue daran.

Tessa Wolkersdorfer, 1982 in Nürnberg geboren, setzt Interieurs mit solchen Versatzstücken in Szene. Das heißt, sie bildet zwar Fernseher, Waschmaschinen und Kuckucksuhren ab, doch der umgebende Raum löst sich auf in merkwürdige Farben und Perspektiven, die keine feste Verortung mehr erlauben. Schlaglichter und Lichtbahnen tauchen die Objekte der damaligen Sehnsucht in eine Gloriole der Verklärung. Der Hirsch springt durch ein Chaos an Klecksen und Schlieren oder wirft seinen Schatten auf den weißen Teppich.

Vielleicht handelt es sich um Totems des kollektiven Unbewussten deutscher Schuldgefühle? Die Waschmaschine als Sakralgerät, das die Kollektivschuld rein wäscht? Der Wohnwagen als Vehikel wie als Gebärmutter, in der man sich verkriecht? „Wohlvertraute Fremde“ heißt Tessa Wolkersdorfers Ausstellung, doch die Bilder erzählen eher von einer leicht verfremdeten Heimat. Oder von einer Zeit, die den Älteren noch vertraut, aber schon fremd geworden ist.

Großzügige Sprenkelei

Gleich nebenan geht es vertraut weiter. Eine ähnliche Malweise pflegt auch die Fürtherin Birgit Maria Götz, die sich allerdings auf Landschaftspanoramen konzentriert. Ihr Breitwandgemälde „Rother Wald“ präsentiert die Apotheose des fränkischen Steckerlaswaldes im Gegenlicht. Die schwarzen Silhouetten der Kiefern mit ihren Lichtflanken ragen aus einem grün durchfluteten Boden auf. Die Landschaft im Hintergrund krümmt sich wie der Orbit der Erde aus tausend Kilometer Höhe. Doch was das von Mensch und Tier leergefegte Bild der Statik vollends enthebt, das ist die großzügige Sprenkelei.

Wohldosiert verteilt Birgit Maria Götz Sprenkel hell- und dunkelgrüner Farbe über das Bild, gleichsam als würden Millionen Samenkapseln durch den Forst ziehen. Ebenso begeistert der „Karpfenweiher im Wald“, doch nicht das Gewässer zieht in seinen Bann sondern der weiß versprenkelte Baum daneben, der wirkt als hätte eine Armee von Eichenprozessionsspinnern ihn eingewebt.

Corinna Smoks Figurenportraits wirken dagegen wie bloße Vorzeichnungen. Figurumriss, Gesichtskonturen, etwas Farbe im Hintergrund, fertig. Nein, nicht fertig, jetzt geht es erst richtig los. Die Malerin gibt ihren Dargestellten einen farbigen Pinsel in die Hand, als fordere sie sie auf: „Den Anfang habe ich besorgt, an deiner Vollendung musst du selbst arbeiten!“

Barbara Heun pflegt eine Vorliebe für Schafe und Hummer. Ihre in großzügigem Farbauftrag hingeworfenen Bilder von Saxophonisten benötigen viel Abstand und Weite, um ihre Wirkung zu entfalten. Näher heran gehen sollte man bei Sascha Banck. Farbe ist bei ihr alles, die Form löst sich auf. Irgendwo zwischen Hundertwasser und Rosina Wachtmeister irrlichternd, sorgen einige Fluchtlinien oder eine Vertikale für einen optischen Orientierungspunkt, an dem entlang sich Silhouetten, Zahlen, Chiffren und spiegelverkehrte Buchstaben tummeln. Für die Plastik sorgt Susanne Leutsch mit ihren täuschend massiv und doch so fragil und kalkuliert kitschig wirkenden Skulpturen aus Pappmaschee. Bei Leutsch dominieren gesprengte Schalen und Sphären, da entfalten sich Köpfe und Gesichter, häuten sich Schichten wie bei einer Zwiebel. Eine Kette von Wiedergeburten, Verjüngungen und Neuanfängen.

Bis 31. Oktober im City Center, Do bis Sa ab 14 Uhr. Vernissage am Samstag, 18 Uhr. Künstlergespräch am 12. Oktober (Bauernsonntag), 15 bis 18 Uhr

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