Schrottreife Industriegeschichte

27.5.2010, 00:00 Uhr
Schrottreife Industriegeschichte

© Hans-Joachim Winckler

Die Normalflugzeughalle war einer der ersten industriellen Fertigbauten. Aus Stahlgerippe vorgefertigt bei Rheinbrohl & Neuwied/Rhein, wurden die Einzelteile mit der Eisenbahn an den Bestimmungsort gebracht und auf Betonfundamenten montiert. Insgesamt neun solcher Hallen wurden neben der Flugwerft auf der Atzenhofer Heide in den Jahren 1916 bis 1918 errichtet. Sie konnten jeweils sechs Flugzeuge beherbergen und waren mit damals innovativen Niederdruckdampfluftheizungen ausgestattet.

Sieben der den Flugplatz prägenden Hallen mussten bereits nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrags abgerissen werden. Eine sicherte sich später die Fürther Baumwollweberei Weber & Ott und baute sie als Lager auf ihrem nach Forchheim verlegten Werksgelände an der B470 wieder auf. 2008 wurde sie abgebrochen. Ebenso die Exemplare auf dem alten Flugplatz Oberschleißheim. Hier wurde die mit dem Atzenhofer Bau identische Flugwerft für die Luft- und Raumfahrtabteilung des Deutschen Museums ausgebaut. Zu spät hatte sich das Deutsche Museum für eine Tür der nach Forchheim gebrachten Halle interessiert. Sie war bereits verschrottet

Neues Leben

Trotz der Demontage erwachte der Atzenhofer Flugplatz nach dem ersten Weltkrieg zu neuem Leben unter zivilen Vorzeichen. Zu zwei Dritteln von Fürth und einem Drittel von Nürnberg betrieben, wurde er zu einem wichtigen deutschen Verkehrsknotenpunkt, und OB Robert Wild schwärmte 1924 von der »Zentrale des deutschen Flugwesens.

Als 1933 der Flughafen Nürnberg-Marienberg ausgebaut wurde, erlosch der Stern der zivilen Fürther Luftfahrtgeschichte vorerst. Der Fliegerhorst wurde zur militärischen Ausbildungsstätte. Nach dem Krieg nutzten die Amerikaner das im Gegensatz zum Industrieflugplatz auf der Hardhöhe kaum bombardierte Fluggelände. Sie entfernten zwar die typischen Oberlichter der alten Werft, ließen aber die Normalflugzeughalle gleich hinter der Kapelle an der Zufahrtsstraße unangetastet.

Als die Amerikaner am 15. September 1993 endgültig ihr Sternenbanner am Appellplatz der Monteith-Barracks einholten, versank der Flugplatz in einen Dornröschenschlaf, aus den ihn 2007 die in ganz Fürth florierende Umwandlung ehemaliger Militärbauten in Wohnungen weckte. Die Umbauten konzentrierten sich zunächst auf die alten Kasernengebäude. Für die Normalflugzeughalle interessierte sich ein Fürther Fahrradhändler, der den unter Denkmalschutz stehenden Bau – nur unwesentlich verändert – geschäftlich nutzen wollte.

Veto verpuffte

Das Landesamt für Denkmalschutz stimmte seinem Vorhaben zu, erlaubte sogar geringe Veränderungen an den Seitenwänden. Doch kurz vor dem bereits vereinbarten Verkauf an den Fahrradhändler überlegte es sich der private Eigentümer des Gebäudes anders und entschied sich für einen Umbau zu Wohnwecken in Eigenregie. Denkmalamt und Stadtheimatpfleger Alexander Mayer legten ihr Veto gegen den vorgesehenen Abbruch der Dachkonstruktion ein. Allerdings vergeblich. Die Stadt genehmigte den Umbau trotzdem.

»Wir sind zwar nicht weisungsbefugt, in der Regel wird aber nicht gegen unsere Fachkompetenz entschieden«, ärgert sich Mayer. Lofts passen seiner Ansicht nach eigentlich nicht zum Charakter des Baudenkmals. Vermarktet werden die 19 Wohnungen in Anspielung an die hier bis zum Abzug der Junkers-Werft 1928 nach Leipzig gewarteten Junkers-Maschinen als »Ju Living Lofts«. Zur Ausstattung gehören Dachterrasse, Loggien und Vorgärten.

Für den Stadtheimatpfleger handelt es sich allerdings nur um eine verkappte Reihenhausanlage. Die Normalflugzeughalle sei für Fürth von historisch ebenso großer Bedeutung gewesen wie der immer noch dem Verfall preisgegebene Lokschuppen von 1850 an der Stadtgrenze: nach Mayers Erkenntnissen inzwischen der älteste Lokschuppen Deutschlands.