Schüler-Schöffen urteilen über Störer

10.4.2014, 11:00 Uhr
Schüler-Schöffen urteilen über Störer

© Hans-Joachim Winckler

Wie bringt man notorische Störenfriede und unermüdliche Klassenclowns zur Vernunft? Was kann man tun, damit Schülerinnen und Schüler, die mitarbeiten wollen, zu ihrem guten Recht kommen? Leere Drohungen im Stil von „Wenn du nicht sofort..., dann...!“ sind nutzlos, das ist klar. In der Kiderlinschule Fürth setzt man stattdessen auf das „Trainingsraumkonzept“, um Uneinsichtige zur Ordnung zu rufen.

Dahinter steht zunächst einmal die Idee, dass jeder die Rechte des anderen zu akzeptieren hat. Lehren und Lernen müssen uneingeschränkt möglich sein. Wer dennoch immer wieder stört und trotz wiederholter Ermahnung keine Rücksicht nimmt, der wird in den sogenannten Trainingsraum geschickt. Dort muss er einen Plan ausarbeiten und sich ernsthaft überlegen, wie sich sein Betragen in Zukunft verbessern kann.

Diese Methode wird mittlerweile in vielen Schulen eingesetzt und zeigt Erfolge. Aber sie hat auch ihre Grenzen. Kevin Schmidt (15), Cüneyt Celik (14) und Umut Göksu (15) wissen: „Es gibt Mitschüler, die schwätzen oder schwänzen immer wieder, kommen deswegen in den Trainingsraum — und es führt doch zu nichts.“

In der Kiderlinschule gibt es deshalb seit diesem Schuljahr etwas Neues: den Kiderlin Court. Der amerikanische Begriff „Court“, das heißt Gerichtshof, wurde nicht zufällig gewählt. Kevin, Cüneyt und Umut wurden zu Schüler-Schöffen ausgebildet, sie erklären: „Wenn jemand dreimal im Trainingsraum war, kommt es bei uns zur Verhandlung, in der wir drei gleichberechtigt mit drei Lehrerinnen oder Lehrern, der Schulleitung und mit Ingrid Wenk von der Jugendsozialarbeit über Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen entscheiden.“

Rund 45 Minuten dauert eine solche Verhandlung, natürlich wird auch der Schüler gehört, bevor sich das Gremium zur Beratung zurückzieht. Besonders unangenehm für den Delinquenten: Auch seine Eltern werden informiert und zu dem Termin in die Schule gebeten.

Welche Strafen können verhängt werden? „Das reicht von Stühlehochstellen im Klassenzimmer oder Tafeldienst über die Pflicht, nach der Pause mit dem Müllzwicker den Dreck aufzusammeln bis zu der Empfehlung, einen Schulverweis auszusprechen“, sagt Ingrid Wenk.

Die Sozialpädagogin ist begeistert vom Konzept. „Bisher gab es nur drei Verhandlungen — immerhin hat die Schule 450 Schülerinnen und Schüler.“ Der Kiderlin Court, da ist sich auch Kevin sicher, wirkt abschreckend: „Das ist wirklich nicht angenehm“. Umut und Cüneyt bestätigen seine Einschätzung.

Viel Verantwortung

Die drei jungen Schöffen — die Jungen sind in der neunten Klassenstufe — haben viel Verantwortung übernommen. Sie sind unter anderem dafür zuständig, einen Termin auszusuchen und die Ladungen an alle Beteiligten zu schicken. Außerdem werden sie sich, wenn ihre Kiderlin-Schulzeit vorüber ist, frühzeitig um Nachfolger kümmern müssen.

Gibt es denn keine Schwierigkeiten, wenn sich die Schöffen und die Beklagten nach der Verhandlung auf dem Schulhof wiedersehen? „Nein, wir hatten noch nie Probleme“, sagen Umut, Cüneyt und Kevin, „das ist so auch noch gar nicht vorkommen, wir haben diejenigen überhaupt nicht gekannt, die waren jünger als wir.“

Etwas anderes ist Kevin aufgefallen: „In der Schule freut man sich normalerweise nicht immer so toll, wenn man mit seinem Lehrer redet. Bei der Beratung im Kiderlin Court war das auf einmal ganz anders. Ich fand es außergewöhnlich, in dieser Situation plötzlich so eine Art Kollege zu sein.“

Da bleibt natürlich noch eine Frage: Müssen Schüler-Schöffen eigentlich Musterschüler sein? Breites Grinsen auf den Gesichtern und eine spontane Antwort: „Ähm, nö, aber wir halten uns halt an die Regeln.“
 

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