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So erlebten die Fürther Kandidaten den Wahlkrimi

27.9.2021, 18:32 Uhr
So erlebten die Fürther Kandidaten den Wahlkrimi

Über 120 WhatsApp-Nachrichten, zig Anrufe, ein volles E-Mail-Postfach: Nach seinem Sieg im Wahlkreis Fürth ist Tobias Winkler am Montagmorgen mit dem Beantworten von Glückwünschen beschäftigt."Es ist überwältigend", so der 43-jährige.

Mit dem Ende des Wahlkampfs sei nun das Vorwort abgeschlossen, nun beginne das erste Kapitel – "ich freue mich wirklich richtig drauf", sagt der CSUler mit Blick auf die kommenden vier Jahre als Bundestagsabgeordneter in Berlin. Am Abend geht es in die Hauptstadt, am Dienstag stehen die ersten Sitzungen an, am Mittwoch wartet ein Einführungsseminar.

Dass er das Direktmandat holen würde, habe er zwar schon vermutet. Dass das Resultat am Ende aber so deutlich ausfiel, habe ihn doch überrascht. Seinem SPD-Konkurrenten Carsten Träger (24 Prozent) war er mit fast zehn Prozent bei den Erststimmen voraus.

Konservatives Profil schärfen

Winkler fuhr zwar den allseits erwarteten Erfolg ein, seine Partei hingegen muss mit einem Zweitstimmenanteil von 31,7 Prozent ein bescheidenes Ergebnis verkraften. "Ich glaube, es ist viel zu tun, ich habe im Wahlkampf große Unzufriedenheit gespürt", sagt der Neuling. Die CSU habe insbesondere Landwirte als Wähler verloren, sie fühlen sich ihm zufolge nicht wertgeschätzt. Auch konservative Menschen seien den Christsozialen flöten gegangen – weshalb das Profil wieder geschärft werden müsse.

Mit schier buddhistischer Gelassenheit verfolgte Carsten Träger am Sonntagabend die Prognosen und Hochrechnungen. Als ein Großteil der Fans in der Fürther Max-Seidel-Begegnungsstätte den Applauspegel noch auf "demütig" geschaltet hatte, strahlte der Fürther SPD-Mann bereits aus: läuft, Leute!

"Ich fühle mich nach wie vor großartig", sagt er am Tag danach, nun in Berlin, man erwischt ihn telefonisch auf dem Weg zum Fraktionsvorstand. "Jetzt wird fleißig sondiert", sagt der 47-Jährige, der fest davon ausgeht, dass Deutschland noch vor Weihnachten von einer Ampel-Koalition regiert wird.

"So ist Demokratie"

Erfahrungsgemäß brauche es jetzt ein, zwei Wochen für die Sondierungen, dann stünden die Verhandlungsteams fest. "Ich gehe fest davon aus, dass ich als umweltpolitischer Sprecher meiner Partei bei den umwelt- und klimapolitischen Verhandlungen dabei bin", sagt Träger. Da treffe man zwar auf Leute, die man aus Wahlkampfgründen wochenlang beschimpft habe – "aber jetzt muss man sich eben zusammenraufen, so ist das in einer Demokratie".

Mit der Union möchte er hingegen nicht am Verhandlungstisch sitzen, "ich hab’ keine Lust mehr auf die". Mit Interesse habe er zur Kenntnis genommen, dass Armin Laschet am Montagfrüh zurückgerudert sei und nun doch keinen eindeutigen Regierungsauftrag für seine Partei sehe. "Das fand ich bemerkenswert, denn am Sonntag hat er der Nation gesagt, wie eindeutig er die Dinge sieht."

Und um beim politischen Gegner zu bleiben: Im Wahlkreis blieb Träger Zweiter hinter CSU-Mitbewerber Tobias Winkler. "Ich habe ihn angerufen und ihm gratuliert, ich akzeptiere den Wählerwillen." Dank Landeslistenplatz drei kann Carsten Träger am Tag danach vor allem dies bleiben: buddhistisch gelassen.

Es hat nicht gereicht

Im Gegensatz zu den Kollegen von CSU und SPD aus dem Stimmkreis Fürth wird Berlin für Uwe Kekeritz künftig keine Reise mehr wert sein – zumindest wenn es um die politische Arbeit als Bundestagsabgeordneter geht.

Weil Platz 20 auf der Landesliste der bayerischen Grünen angesichts der Wahlergebnisse der Öko-Partei für den erneuten Sprung in den Reichstag nicht reichte, muss der Uffenheimer nach zwölf Jahren im Parlament Abschied nehmen. Und er tut das, wie er am Tag nach dem Urnengang sagt, "mit einem weinenden und einem lachenden Auge".

Einerseits hätte er die Verantwortung gerne wieder übernommen und seine Fachkenntnisse eingebracht, andererseits sei die Arbeit als Parlamentarier aber auch "hart". Er werde im Oktober 68 und sei damit im Rentenalter, "obwohl ich mich nicht so fühle. Ich bin fit genug, um mir andere Perspektiven zu erarbeiten".

Dass vor der großen Weichenstellung nun erst einmal Grüne und FDP miteinander sprechen wollen, hält Kekeritz für eine gute Idee, Den "Habeck-Ansatz", nennt er das, und meint: Gemeinsamkeiten herauszustellen und nicht das Trennende. Politische Nähe gebe es in der Klimapolitik – Stichwort CO2-Steuer als entscheidender Hebel. Weiter fallen ihm die Wahlrechtsreform als drängendes Problem ein und das Thema Cannabis-Legalisierung – "weil der Staat die Kontrolle über die Drogen bekommen muss".

Aus seiner Präferenz macht Uwe Kekeritz kein Hehl: Es wäre die Ampel mit Liberalen und SPD. Und das nicht nur, weil die Sozialdemokraten den Grünen näher stehen. Jamaika werde konservative und neoliberale Positionen stärken. Aber, sagt der erfahrene Parlamentarier mit Blick aufs desaströse Ergebnis der Union: Nach 16 Jahren Kanzlerschaft böte die Opposition für CDU/CSU auch die Chance, "sich zu besinnen und personell neu aufzustellen".

So weit will Daniel Bayer sich nicht aus dem Fenster lehnen, was Ratschläge für die politische Konkurrenz angeht – und das unabhängig von einer möglichen Koalitionsoption. Aus Sicht des FDP-Kandidaten lässt sich mit dem Abschneiden der Union der Anspruch Armin Laschets auf die Kanzlerschaft zwar "nur schwer rechtfertigen", entscheiden müssten CDU und CSU das aber selbst. Der Regierungschef werde schließlich vom Bundestag gewählt – und wenn sich da eine Mehrheit fände?

Dass Liberale und Grüne zunächst einmal gemeinsam ausloten, was zwischen ihnen möglich wäre, hält er für "sehr sinnvoll". In Bayers Augen war nämlich bei den Jamaika-Verhandlungen vor vier Jahren der Knackpunkt, dass die beiden kleinen Parteien von der Union gegeneinander ausgespielt wurden.

Der 25-jährige Liberale würde freilich die Ampel mit Sozialdemokraten und Grünen vorziehen – für ihn "ein politisches Abenteuer, aber im positiven Sinn".

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