Sprachkurs als Brücke

6.6.2009, 00:00 Uhr
Sprachkurs als Brücke

© Hans-Joachim Winckler

Der unschlagbare Vorteil von «Mama lernt Deutsch» liegt im Lernen ohne Druck in vertrauter Umgebung. Wie viel jede einzelne Mutter aus diesem Kurs mitnehmen kann, zeigt sich exemplarisch an der 33-jährigen Nursen Kan. Das Beispiel der jungen, westlich gekleideten Türkin zeigt, wie Integration ablaufen kann, wenn Entgegenkommen und Interesse auf beiden Seiten bestehen.

1997 kam Nursen, ohne ein Wort Deutsch zu können, aus der Türkei nach Fürth. Mittlerweile lebt sie seit zwölf Jahren in der Stadt, ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Seit ihrer Teilnahme an «Mama lernt Deutsch» hat sie die Grund- und Mittelstufe der regulären Sprachkurse Deutsch als Fremdsprache an der Volkshochschule Fürth besucht und die Prüfungen mit Bravour abgeschlossen.

Auf die Frage, was ihr das Programm speziell für Mütter gebracht hat, nennt sie zwei zentrale Punkte: Die Freundschaft mit anderen Frauen und der Ausbruch aus der Einsamkeit. Vorher fühlte sie sich in ihrer Wohnung oft isoliert, aber wenigstens sicher.

Aus Angst daheim

Wegen ihrer fehlenden Sprachkenntnisse blieb sie aus Angst lieber drin: Sie fürchtete, beim Einkaufen in eine Situation zu geraten, in der sie etwas sagen oder nach etwas fragen müssen würde - und dann missverstanden oder ausgelacht zu werden.

Im Fall von Nursen half das Schicksal nach, sie wurde von Kursleiterin Sigrid Ziegelmeir einfach auf der Straße angesprochen und hat so von dem «Mama lernt Deutsch»-Projekt erfahren. Die junge Frau passt so gar nicht ins Klischeebild von türkischen Frauen. Sie und die Familie ihres Mannes kommen aus dem europäischen Teil der Türkei, sind nicht so sehr in die Tradition eingebunden und «religiös ganz frei», wie Nursen Kan es ausdrückt. Außerdem hatte sie bereits hier zu Lande lebende Schwiegereltern, die sie ermunterten, Deutsch zu lernen, und ihr auch alle Sprachkurse bezahlt haben.

Neugier geweckt

Die Mutter ihres in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Mannes, hat immer zu ihr gesagt: «Du musst lernen. Wir hatten diese Möglichkeit damals nicht!». Durch «Mama lernt Deutsch» ist Nursen, die sich selbst als neugierig bezeichnet, letztlich nicht nur selbstbewusster geworden, sondern auch sicherer im Alltag.

Ihr kontinuierliches Weiterlernen hat ihr geholfen, Arbeit zu finden, ihre Kinder bei den Hausaufgaben zu unterstützen und sich in wichtigen Situationen ausdrücken zu können. Sie hat es sogar geschafft, als Kursleiterin selbst einen Computerkurs für ausländische Frauen auf die Beine zu stellen. Neben dem Umgang mit dem PC sollten diese lernen, Bewerbungen zu schreiben. Ihre eigene Lernerfahrung ist positiv. Schon die Tatsache, dass Frauen bei den «Mama»-Kursen unter sich bleiben, lockert die Atmosphäre sehr schnell. Da die Inhalte flexibel sind, drehen sich die Gespräche auch um reine Frauenthemen und häufig um den schwierigen Alltag der Teilnehmerinnen.

Nursen Kans Berufsziel ist eine Ausbildung zur Zahntechnikerin. Um das zu erreichen, möchte sie – sobald ihr Sohn im Kindergarten ist – noch einmal einen Deutschkurs belegen und ihre Sprachkenntnisse auffrischen.

Die Volkshochschule Fürth bietet pro Semester je einen «Mama lernt Deutsch»-Kurs an den Grundschulen in der Rosenstraße, Frauenstraße und Pestalozzistraße für Mütter mit (geringen) Vorkenntnissen an. Die Sprachkurse finden in der Regel an zwei Vormittagen in der Woche für je drei Stunden statt. Unterrichtsort ist jeweils die Grundschule, die auch die Kinder der Teilnehmerinnen besuchen. Kinder an diesen Schulen zu haben, ist aber keine unbedingte Voraussetzung.

Interessierte Frauen und Mütter können an beliebig vielen dieser Kursen teilnehmen. Da es keinen vorgeschriebenen Lehrplan oder eine Zielvorgabe gibt, haben die Kursleiterinnen in Absprache mit den Frauen die Möglichkeit, die Inhalte und das Voranschreiten frei zu gestalten.

Verhalten beim Arzt

Der Kurs soll Grundlagen schaffen, so dass die Frauen eigene Kontakte knüpfen und sich austauschen und so ihren Alltag besser bewältigen können. Dazu zählen Einkaufsgespräche, Fragen nach dem Weg, das Verhalten bei Arztbesuchen, einem Unfall, aber auch der Umgang mit Formularen und Bewerbungsvorbereitungen. Es wird mit Hilfe eines Lehrbuchs gearbeitet, aber die Hauptarbeit, vor allem zu Beginn des Kurses, liegt in Mimik, Gestik und Pantomime.

Finanziert werden die Kurse über das Integrationsbüro der Stadt Fürth und die Volkshochschule, dazu kommen Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds und die Kursgebühr der Teilnehmerinnen. Das übergreifende Ziel: Sie sollen Deutsch lernen, mit der Sprache ihre neue Heimat erobern und ganz nebenbei auch Selbstbewusstsein aufbauen. So dass Integration gelingt. SABRINA WEIGAND