Stadtpark: Erotik-Volleyball ohne Verlierer

5.8.2017, 17:45 Uhr
Stadtpark: Erotik-Volleyball ohne Verlierer

© Foto: Markus Kohler

Die Kunst, geduldig warten zu können, wird in der Regel unterschätzt. Eigentlich schade. Die Freie-Szene-Compagnie mit ihrem Mastermind Markus Nondorf bewies jedenfalls schon vor dem ersten Akt, wie klug es ist, manchmal einfach die Füße still zu halten und zum Beispiel einfach darauf zu vertrauen, dass sich der Regen verzieht. Was er tat. Pünktlich zur Premiere zog überraschend eine laue Sommernacht auf und bescherte nicht weniger als perfekte Open-Air-Bedingungen.

Was folgte, war dann nicht weniger als ein, nun ja, Wort-Gewitter. Der junge Shakespeare – "Verlorene Liebesmüh" ist eines seiner ersten Stücke – hat seine Sprache leuchten lassen und rausgehauen, was er konnte. Der renommierte Übersetzer Frank Günther erkennt darin "ein Brillantfeuerwerk aus Witzen, Kalauern, Sprachverdrehungen, Doppeldeutigkeiten" und empfiehlt zum Verständnis das "ausführliche Studium der Fußnoten". . .

No-Sex-no-Fun-Pakt

Für Regisseur Markus Nondorf ist damit freilich schon das Risiko abgesteckt, dass seine Inszenierung auffangen muss und das nicht weniger als ein Spagat ist. Denn nicht bloß die komplexe Sprachartistik gilt es zu bewältigen, sondern so ganz nebenbei auch noch die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Ganzen. Wobei es schon wieder ums Warten geht. Setzt uns die Komödie doch vier junge Männer vor, die einen No-Sex-no-Fun-Pakt miteinander schließen.

Drei Jahre lang, so ihr Plan, wollen sie sich ausschließlich der Philosophie widmen, fasten und wenig schlafen und bei der Gelegenheit sämtliche Lust auf Sparflamme setzen. Klingt ungesund. Klappt natürlich auch nicht. Warum die Jungs allerdings auf so einen verwegenen Plan kommen? Wäre schön, wenn man’s wüsste.

Auch Nondorf nimmt die Testosteron-Stau-Challenge schlicht als gegeben hin. Dazu setzt er auf den Shakespeare’schen Sprachhammer und lässt seine hochmotivierte Truppe hingebungsvoll deklamieren. Der englische Shakespeare-Spezialist Kenneth Branagh hat vor 17 Jahren aus dem gleichen Stück ein Musical gemacht – und gut 90 Prozent des Textes unter den Tisch fallen lassen. So weit geht Nondorf bei weitem nicht. Zwar wird jetzt im Stadtpark auch mal getanzt – und gerappt. Doch vor allem ist die "Verlorene Liebesmüh" hier ein bunter Spaß, der Slapstick nicht fürchtet und mit Zeichen jongliert, dabei aber im relativ konventionellen Rahmen bleibt.

Der unfassbaren Sprachwucht nimmt sich der Regisseur auf denkbar spielerische Art an. Er lässt seine Darsteller verbale Versuchsreihen starten, und plötzlich klingt der gute alte Barde nach Poetry Slam. Das hat eine gewisse Leichtigkeit, zerfasert aber stellenweise etwas. Für die Erdung der hochfliegenden Sprachkapriolen ist dann zuverlässig Reiner Haas als Wachtmeister Dumpf zur Stelle. Der klassische Shakespeare-Narr kommt diesmal im fränkischen Gewand und hat mit Martin Mottier als Wirsing Verstärkung an der Seite. Schee.

Schriller Campingbus

Auch wenn eine zündende, die merkwürdige Geschichte im Heute klärende Idee fehlt, auf der Bühne ist tadellos für das Gleichgewicht der Kräfte gesorgt. Den vier mehr oder weniger zölibatären Männern (Erik Streit, Tillmann Schreier, Philipp Abel und Karsten Kunde) stehen vier selbstbewusste Frauen (Varvara Imas, Sarah Adler, Esther Sambale und Doris Hanslbauer, die auch für die Ausstattung sorgte) gegenüber. Die Damen hausen in einem dezent psychedelisch bemalten Camping-Bus (Nondorf-Kenner wissen: Irgendwas mit vier Rädern kommt bei ihm immer auf die Bühne).

Die Kontaktpflege zwischen den Parteien hat was von einem erotischen Volleyballturnier – wofür Shakespeare verantwortlich ist. Schließlich hat der die geheimen Absprachen, Listen und Lauschmanöver erdacht. Das Match hat keine Sieger, obwohl vor allem die Herren Lernfortschritte machen, weil sie sich selbst ein ganzes Stück besser kennenlernen.

Ob sie deshalb die Treueschwüre, die sie ihren Liebsten am Ende machen, auch halten? Man möcht’s zu gern glauben.

"Verlorene Liebesmüh": Freilichtbühne im Stadtpark. Bis 13. August, täglich 20 Uhr. Karten mit ZAC-Rabatt im FN-Ticket-Point (Schwabacher Straße 106, Tel. 2 16 27 77), Restkarten an der Abendkasse.

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