Tanzen hilft gegen Sorgenfalten

20.1.2017, 09:30 Uhr
Tanzen hilft gegen Sorgenfalten

© F.: Tim Händel

„Cynthia Nickschas & Friends“ heißt die Band, denn die seit geraumer Zeit sehr angesagte Tuttlingerin kam in Begleitung dreier Mitmusiker, von denen der dritte allerdings mit Verspätung eintraf. Das Fehlen des allerwichtigsten Partners aber warf einen betrüblichen Schatten aufs erste Drittel des Abends. Nickschas’ Hund, der sie zu jedem Auftritt begleitet, war kurz vor dem Konzert angefahren worden. Der Gitarrist und ein Passant hatten ihn umgehend in eine Tierklinik geschafft. Doch wie mochte es ihm da nun ergehen?

Diese Ungewissheit trübte das Gastspiel. Etwas unkonzentriert bewältigte die 29-Jährige ihre ersten Songs, stimmte Instrumente nach, verzog sich kurz ins Hinterzimmer, während Bassist Christoph Wegener und Drummer Mario Hühn drauflos improvisierten. Doch nach einer Stunde dann die Erleichterung: Der Hund stürmte kläffend mit verbundener Hinterpfote die Bühne. Mit einem in dieser Form selten gehörten Glücksschrei sank Cynthia Nickschas in die Knie, und dann wurde erst mal herzlichst drauflos geknuddelt. Wer da nicht applaudiert oder eine Träne wegwischt, muss ein Herz aus Stein haben.

Derart beglückt und erleichtert, riss die Liedermacherin das Ruder herum und verwandelte das Beinahe-Desaster doch noch in einen denkwürdigen Abend. Die Musik kommt moderat mit elektrisch verstärkten Akustikgitarren und Akustikbass, das Schlagzeug beschränkt sich auf eine Box und zwei Becken. Leise Momente zehren von endlos wiederholten Melodiemustern, laute Passagen fahren dagegen punkigen Krawall auf. Über all dem dominiert Nickschas’ rotzfreche Stimme, wie geschaffen zum permanenten Widerspruch. Und wenn sie mal nicht Texte ausstößt, dann ergeht sich die Sängerin in Wolfsgeheul und wüsten Vokalisen.

Indes beklagt Cynthia Nickschas in ihren Texten nicht den Jammer der Allgemeinheit, sondern vertritt einen individualistischen Standpunkt. Das Ich geht dem Wir voran. Ihre Texte leben auch von originellen Verdrehungen altbekannter Weisheiten: „Guter Rat ist mittlerweile billig“ oder „Tanzen hilft gegen die Falten auf der Stirn“. Zum Höhepunkt gerät die Mitsinghymne „Gold glänzt nicht ohne Licht“. Fürwahr, ohne das Sonnenlicht des Hundes wäre das Goldpotenzial von „Cynthia Nickschas & Friends“ im Dunkel der Traurigkeit stecken geblieben.

Zum Abschied mit dem Refrain „Das lass ich mir nicht nehmen, nein“ spaziert die Sängerin über Tische und Stühle querbeet übers Publikum hinweg und ins Hinterzimmer. Den Schlussakkord des Liedausklangs setzt punktgenau einer: „Wuff!"

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