Um 2.15 Uhr klingelt der Wecker

17.4.2014, 09:36 Uhr
Um 2.15 Uhr klingelt der Wecker

© Sandra Stöckl

Wenn Silke Schmauser aufstehen muss, sind viele  noch mitten in der Tiefschlafphase. Um 2.15 Uhr schrillt ihr Wecker. Doch er reißt sie nicht immer aus süßen Träumen: „Manchmal bin ich vorher schon wach“, sagt die 39-Jährige. An ihren frühen Arbeitsbeginn habe sie sich im Laufe der Jahre einfach gewöhnt.

Den Entschluss, Zeitungsausträgerin zu werden, fasste sie vor zehn Jahren. Ihre Tochter war noch klein und Schmauser hatte in ihrem Bürojob keine Aussicht auf eine Halbtagsstelle. „Da hätte ich ja alle Entwicklungsphasen verpasst“, sagt die Mutter kopfschüttelnd, das kam für sie nicht in Frage. Stattdessen entschied sie sich zu arbeiten, während ihr Kind schlief. So ist es noch heute: Pünktlich zum Frühstück betritt sie wieder ihre Wohnung.

Doch bevor sie ihre morgendliche Arbeit beginnt, muss die Dambacherin erst einmal nach Oberasbach fahren. Dort hat sie zwei Bezirke, die sie sechsmal wöchentlich mit den aktuellen Nachrichten aus der Region versorgt. Über 200 Zeitungen verteilt Schmauser, doch nicht alle landen tatsächlich im Briefkasten. Eine alte Dame beispielsweise hat an ihrem Haus eine Art Flaschenzug angebracht. So steckt die Austrägerin die Zeitung in eine Tüte, die betagte Abonnentin zieht sie anschließend an einer Kordel zu sich hoch, ohne die anstrengende Treppe nehmen zu müssen.

Ein anderer Empfänger kann manchmal gar nicht warten, bis die FN zu ihm kommen. Er trifft sich lieber gleich mit der Überbringerin auf dem Weg zur Arbeit. Die druckfrische Zeitung wandert dabei bei heruntergelassenen Fenstern von Auto zu Auto. Für Silke Schmauser ist dieser „Sonderservice“ überhaupt kein Problem, für ihre Kunden macht die Zustellerin das gerne.

Ihre Flexibilität wird ihr auch gedankt. Es gibt immer wieder Oberasbacher, die sich um die Austrägerin kümmern. Einmal spendierte ihr ein Fahrradfahrer an einem bitterkalten Wintermorgen einen heißen Kaffee, ein andermal gab ihr ein Backwaren-Lieferant spontan eine Tüte Brötchen mit.

Während Silke Schmauser ausschließlich in Oberasbach unterwegs ist, wird Karl-Heinz Bothe überall dort eingesetzt, wo „Not am Mann ist“, wie er sagt. Der Rentner ist als Springer im Fürther Landkreis tätig. Was andere vermutlich stressen würde, liebt der 68-Jährige: neue Routen, neue Menschen, neue Briefkästen.

„Der Weg muss jedes Mal optimiert werden – das macht mir große Freude“, erklärt Bothe, der als Student bereits Zeitungen auslieferte. Um „im Kopf fit zu bleiben“, nahm er vor über einem Jahr so eine Stelle wieder an.

Bei ihm ist der Weg das Ziel, besser gesagt: der schnellste Weg. Bothe macht aus dem Austragen eine kleine Wissenschaft. Bevor er in einer neuen Ortschaft unterwegs ist, fährt er die Strecke mit dem Fahrrad ab, um anschließend eine genaue Liste anzufertigen.

Im Zick-Zack-Kurs

Parallele Häuserreihen werden etwa von ihm im Zick-Zack-Kurs beliefert. Zwischen 45 und 60 Minuten braucht er nach eigenen Angaben pro Gebiet und darauf ist er stolz. Seinen Erfolg teilt er gerne, die perfektionierten Routen gibt er im Anschluss an seine Kollegen weiter.

Neben der geistigen Betätigung schätzt der rüstige Mann die körperliche Anstrengung. Er fährt sämtliche Strecken mit einem von ihm extra für diesen Zweck ersteigerten Lastenfahrrad. Damit nicht genug: Auch zu den einzelnen Gemeinden radelt er von seinem Wohnort Oberasbach aus. Kürzlich sei er acht Wochen lang in Wintersdorf tätig gewesen – ganze zehn Kilo verlor er dadurch an Gewicht. „Bezahlter Frühsport“, nennt er die Strampelei lachend.

Wenn Bothe nach seiner morgendlichen Tour wieder in die eigenen vier Wände zurückkehrt, schlummert er hin und wieder nochmal eine Runde. „Ich bin Rentner, ich hab doch Zeit“, sagt er. Für Silke Schmauser hingegen beginnt ein ganz normaler Tag, an dem sie sich „um ihre komplette Familie kümmern kann“.

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