"Ungebremst": Junge Filmbegeisterte drehen in Fürth

18.11.2013, 09:18 Uhr

© Ivy Photography/Yvonne Sieber

Wahrscheinlich macht man sich als Otto-Normal-Kinogänger falsche Vorstellungen davon, was nötig ist, bis das Licht ausgeht und ein Film auf die Leinwand projiziert wird. Dass professionelle Kameratechnik, perfektes Licht und Ton eine Rolle spielen, leuchtet selbstverständlich ein. Aber wer hätte an tütenweise Mehl gedacht? An zahme Ratten? Einen Feuerwehrwagen, damit es regnet? Details, die bei der Red-Eye-Pictures-Produktion von „Ungebremst“ ebenso selbstverständlich auf dem Plan standen, wie literweise Kaffee, ausgefeilte Tages-Dispositionen oder abgesperrte Straßen.

Seit Mai liefen die Vorbereitungen für das Projekt. Mit im Boot: viele, die Stefan Weßling die „Fürther Filmriege“ nennt – ein gut vernetztes Geflecht von jungen Begeisterten mit beachtlich weit entwickelten Fähigkeiten, die ihre jeweiligen Projekte gegenseitig unterstützen.

Bei „Ungebremst“ gehören dazu zum Beispiel Claudio Köhl (Erste Kameraassistenz), Franziska Ulrich (Aufnahmeleitung), Aron Manuel Kraus (Produktionsdesign), Sirius Kestel (Ton) und Jakob Heuberger (Infrastruktur). Rund 70 filminfizierte junge Frauen und Männer haben insgesamt zum Gelingen beigetragen.

Dazu gehörten nicht zuletzt auch Aufgaben wie Fahrdienste, das Verteilen von Keksen und Gummibärchen im richtigen Augenblick oder das geduldige Aufbringen widerspenstiger Klebebuchstaben auf Pseudo-JVA-Hemden. „Es sind einfach alles top-verlässliche Leute“, freut sich Weßling. Im Mittelpunkt des Kurzfilms stehen zwei Mädchen. Beste Freundinnen, die Spaß haben, bis ein Unfall alles verändert. Wie bringt man einen solchen Stoff in 13 Minuten unter? „Das klappt, wenn man reduziert erzählt und die Zuschauer ein bisschen fordert“, sagt Stefan Weßling, von dem auch die Idee zur Story stammt. „Irgendwann“, sagt er, „hatte ich die Bilder zu dieser Geschichte im Kopf“.

Regen aus der Anlage

Der 22-Jährige will Kameramann werden. Derzeit ist er bei der Bavaria Fernseh Produktion im Licht Department beschäftigt. Ein Praktikum bei ARRI in München, einem führenden Unternehmen unter anderem für Kameras, eröffnete ihm zuvor die Chance, Teile der Ausrüstung für den Dreh von „Ungebremst“ zu leihen. Unterstützung kam auch von der Stadt Fürth: 500 Euro gab es für das insgesamt 5000 Euro teure Projekt. Das Sponsoring der Stadt floss allerdings zurück in die kommunale Kasse — als Gebühr für die Sperrung eines Teils der Flughafenstraße.

Hier spielte sich einer der aufwändigsten Teile der Produktion ab. Da der Dreh nicht nur eine regennasse Straße, sondern auch einen sichtbar prasselnden Schauer erforderte, kam das Löschgruppenfahrzeug der Feuerwehr Poppenreuth ins Spiel. Jakob Heuberger (25) erklärt: „Wir haben für die Simulation des Regens ausreichend dimensionierte Pumpen gebraucht.“ Zusätzlich zu der aus PVC-Rohren und Lichtstativen eigens für den Film konstruierten Regenanlage wurde ein sogenannter Ringmonitor eingesetzt. Diese Kombination verschiedener Armaturen setzt die Feuerwehr sonst zur Bekämpfung von Großbränden ein. Jetzt diente der Durchsatz von bis zu 800 Litern Wasser pro Minute als Hauptberegnung. Rund neun Kubikmeter Wasser wurden so für die Aufnahmen verbraucht.

Vier Packungen Mehl hatten einen Auftritt in der Küche des Gemeindehauses der Wilhelm-Löhe-Kirche, die als ein weiterer Schauplatz diente. Die kurze Szene, bei der es ums Kuchenbacken mit verschwenderischem Mehleinsatz ging, sorgte für ein längeres Nachspiel: Drei Stunden lang kümmerten sich drei fleißige Teammitglieder darum, die Spuren aus sämtlichen Ritzen zu entfernen. Und was für einen Part haben die beiden handzahmen Ratten übernommen? Weßling grinst: „Muss man sich am besten anschauen. Aber grundsätzlich ist es doch immer gut, Tiere mit einzubauen. . .“

Eine Herausforderung

Die Hauptdarstellerinnen bei „Ungebremst“ sind Jasmin-Julika Nettusch und Lilian Zargartalebi. „Wir kannten uns vor den Dreharbeiten nicht, haben uns aber sofort sehr gut verstanden“, erinnert sich die 15-jährige Jasmin-Julika, die die Leopold-Ullstein-Realschule besucht. Ihre Aufgabe sei zunächst eine Herausforderung gewesen: „Das Mädchen, das ich spiele, ist vollkommen anders als ich. Aber ich habe mich jeden Tag mehr hineingefunden, und irgendwann ist sie zu einem Teil von mir geworden.“

Die letzte Klappe für „Ungebremst“ ist gefallen. Die Postproduktion läuft. Premiere wird um die Jahreswende sein. Anschließend soll die ambitionierte Arbeit „die deutsche Festivallandschaft“ erobern. Dazu gehört selbstverständlich das Mittelfränkische Jugendfilmfestival, bei dem viele der Mitwirkenden längst alte Bekannte sind.

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