Veitsbronn: Begegnungen mit Geflüchteten

23.12.2015, 11:00 Uhr
Veitsbronn: Begegnungen mit Geflüchteten

© Foto: Petra Fiedler

Die Tischdekoration verrät, unter welchem Thema der Nachmittag steht. Auch Christstollen und Plätzchen sind eindeutige Indizien, dass eine Adventsfeier stattfinden soll. Im ersten Anlauf scharen sich die syrischen Familien noch um einen Tisch. Doch Sabine Schöberl fordert die Gäste nach der Begrüßung auf: „Please mix.“ Sie wendet damit ein Basisenglisch an, das alle verstehen. Bereitwillig verlassen die jungen Frauen und Männer ihre Plätze und gesellen sich zwischen die Veitsbronner.

In der Hoffnung auf Asyl leben bis zu 150 Menschen im Gebäude eines ehemaligen Altersheims in Veitsbronn. Manche bleiben Wochen, andere nur wenige Tage. Die Menschen, sie haben fast alle die sogenannte Balkanroute hinter sich, sind dennoch glücklich, in Deutschland zu sein. Liebevoll nennen sie ihr neues Heim „Villa Paradiso“.

Kein Weg zurück

So wie Mohamed Al Katib, Automechaniker aus Damaskus. Er ist seit dem 31. August in Deutschland und hat erst vor wenigen Wochen die Möglichkeit bekommen, sich die deutsche Sprache anzueignen. Erstaunlich, wie sicher er mit dem Grundwortschatz seine Fluchtroute beschreibt und klar zu verstehen gibt, dass er und seine Familie nicht zurück können: „Auf uns werden Bomben geworfen. Unser Haus existiert nicht mehr. Es gibt keine Arbeit, keine Sicherheit, keinen Frieden.“ Seine Frau Safatabich Al Katib soll am 25. Dezember ihr zweites Kind bekommen. „Ein Mädchen“, wie Mohamed stolz verkündet, und ergänzt: „Ich freue mich so auf meine Tochter.“

Einen Tisch weiter sitzt eine andere syrische Familie, die von Maher Boubaki. Die Boubakis sind beide Lehrer, haben vier Kinder und stammen aus dem nordsyrischen Edleb, einem Gebiet unter Dauerbeschuss. Maher Boubaki, seine Frau und seine Kinder sind schon in Veitsbronn angekommen, und das ist nicht vordergründig gemeint. Sie mischen sich unter die Gastgeber, als wären sie nicht seit September 2015, sondern schon viel länger in dem mittelfränkischen Ort zuhause. Und nicht nur ihre Worte, sondern alles an ihnen drückt einen großen Wunsch aus: hier bleiben zu können.

„Die Unsicherheit, ob man vielleicht für immer oder nur noch kurze Zeit bleiben kann, zermürbt“, sagt der 42-jährige Englischlehrer und formuliert ein ums andere Mal sein drängendstes Anliegen: „Unsere Kinder sollen sobald wie möglich zur Schule gehen können.“ Die älteste Tochter Malak hat sich schon mal Chemiebücher mit Lernstoff fürs Abitur ausgeliehen. „Neurochirurgin will ich werden“, sagt sie mit fester Stimme. Das sei schon immer ihr Berufswunsch gewesen.

Helfern und Flüchtlingen ist die Sorge um die nahe Zukunft anzumerken. Susanne Vorndran beschreibt, wie langsam die Mühlen der Bürokratie mahlen und wie das die so zwingend angemahnte Integration verzögert, vielleicht sogar verhindert. Eva Blomeier vom Arbeitskreis Kinder versucht, Schulbesuche anzuleiern. Und erzählt von Abudi, im Oktober ist er sechs Jahre alt geworden. „Es wäre so wichtig, dass er jetzt gleich in den Kindergarten geht, um nächstes Jahr bei uns eingeschult werden zu können“, beschreibt sie die Dringlichkeit.

Es sind die immer gleichen Themen, die Flüchtlinge und ihre Helfer beschäftigen. Aber immerhin haben sie an diesem Nachmittag im Café Grenzenlos die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, sich kennen zu lernen und vor allem die Scheu vor einander zu verlieren.

Herzliche Kommunikation

Wie die grauhaarige Dame, die zwischen zwei Syrerinnen sitzt und in ihrem Englisch kramt. Sie war überredet worden, zu diesem Treffen zu kommen. „Was soll ich da?“, hatte sie gefragt. Die Frage erübrigt sich, wenn man die drei um ein Gespräch bemühten Frauen beobachtet. Irgendwie haben sie richtig Spaß an dieser zwar aufwändigen, aber überaus herzlichen Kommunikation. Wo Menschen aufeinander treffen, ist auch das Fremde ganz schnell vertraut.

Übrigens: Der Veitsbronner Helferkreis könnte noch Dolmetscher gebrauchen. Wer Arabisch spricht und helfen möchte, kann sich bei der Gemeindeverwaltung melden.

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