Verharmlost Wahl-O-Mat Rechtsradikale?

12.9.2009, 00:00 Uhr

Klaus Müller (Name geändert) ist geschockt. Er hat gerade im Internet den Wahl-O-Mat bedient, und auf Platz eins prangt nun die NPD. Nachdem er die 38 Thesen gewissenhaft mit «stimme zu», «neutral» oder «stimme nicht zu» beantwortet hatte, musste er eine Auswahl an Parteien treffen, mit denen seine Positionen verglichen wurden.

Die rechtsradikale Partei hat er neben den fünf Bundestagsparteien aus reiner Neugier angegeben. Ja, er hat gegen den EU-Beitritt der Türkei und für einen verpflichtenden Sprachtest für Vorschulkinder gestimmt. Aber deswegen, sagt er, sei er doch noch lange kein Ausländer- oder Demokratiefeind.

Der zur Bundestagswahl 2002 erstmals eingesetzte Wahl-O-Mat wurde von einer unabhängigen Redaktion, die aus jungen Erwachsenen besteht, in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und mit Unterstützung ihrer Medienpartner - darunter ZDF, Süddeutsche Zeitung und Zeit - entwickelt. «Das Problem ist, dass hauptsächlich nach populistischen Themen gefragt wird», sagt der studierte Politologe und Stadtheimatpfleger Alexander Mayer. Gerade die radikalen Parteien versuchten, mit populären Forderungen Wähler anzulocken. Hier sind ihre Ansichten denen der renommierten Parteien oft erstaunlich nahe: Die NPD etwa ist gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, für Mindestlöhne und für die Förderung ökologischer Landwirtschaft. Identische Aussagen findet man bei der SPD und sicherlich nicht wenigen Wahl-O-Mat-Nutzern.

Demokratie ist beste Staatsform

Sauer stößt Klaus Lutz, Leiter des Nürnberger Medienzentrums Parabol, die letzte der 38 Thesen auf. Dass Demokratie die beste Staatsform sei, sollte in Deutschland eine Überzeugung sein. Jeder, der hier nicht zustimme, stehe der Verfassung feindlich gegenüber. Im Kontext mit anderen Meinungsfragen dürfe das nicht auftauchen.

Der Fürther Rechtsreferent Christoph Maier weist den Vorschlag, die radikalen Parteien aus dem Wahl-O-Mat zu nehmen, entschieden zurück: «Das wäre ja Zensur.» Wichtiger sei es, sich mit diesem Gedankengut tiefer auseinanderzusetzen, um dem präventiv entgegenzuwirken.

Beeinflusst das Wahl-O-Mat-Ergebnis die Teilnehmer in ihrer Wahl? Auf der Startseite ist zu lesen: «Der Wahl-O-Mat ist keine Wahlempfehlung, sondern ein Informationsangebot über Wahlen und Politik.» Gerade die jungen Nutzer sollen dazu gebracht werden, sich mit den Wahlen auseinanderzusetzen. «Man muss den Leuten zutrauen, das richtig einzuordnen», sagt Rechtspfleger Maier.

Tatsächlich gibt es auf der Seite unter der Rubrik «Informationen» Beiträge zur Thematik. Der Punkt «Hilfe, bin ich jetzt ein Nazi?» hätte Wahl-O-Mat-Teilnehmer Müller aufklären können. Und die Beschreibung von NPD, Republikanern und DVU im Punkt «Wer steht zur Wahl?» weist klar auf deren rechtsextreme Einstellung hin. Bleibt die Hoffnung, dass die täglich 300 000 Nutzer so mündig sind, sich auf diese Hinweisseiten zu klicken. JUDITH DAUWALTER