Viel zu viele Friseure?

20.3.2009, 00:00 Uhr
Viel zu viele Friseure?

© Heinz Wraneschitz

«Es gibt viel zu viele Friseure«, stellt Christian Hertlein, Obermeister der Fürther Friseurinnung, mit Nachdruck fest. Nach Hertleins Angaben, dessen Innung etwa 100 Mitglieder zählt, finden sich in Stadt und Landkreis Fürth rund 160 Geschäfte. In Nürnberg sind es sogar über 400.

«Rein rechnerisch würde das im Verhältnis zur Bevölkerungszahl schon passen«, meint Hertlein und fügt hinzu: «In der Realität wird der Kuchen aber immer kleiner«. Der bundesweite Trend gehe zum Friseur- Kleinstbetrieb, der noch maximal eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter beschäftigt oder sich sogar als «Ein-Mann-Firma« durchschlägt.

Verkompliziert wird die Situation durch eine zunehmende Zahl von «Billigheimern«, im großen Stil agierende Ketten, die auf aggressive Preisgestaltung setzen. In Fürths Zentrum sind diese Läden manchmal nur einen Steinwurf voneinander entfernt, räumlich getrennt oft nur durch ähnlich gehäuft auftretende Handy-Shops.

Eine harte Konkurrenz, die den etablierten Friseuren zunehmend zu schaffen macht, zumal sich durch die Wirtschaftskrise Spardrang und -zwang bei den Konsumenten deutlich verstärkt haben. «Wir haben immer noch unsere Stammkunden, aber die Häufigkeit der Besuche ist deutlich geringer geworden«, erzählt der Zirndorfer Friseur Steffen Wrase.

Wer früher wöchentlich oder wenigstens einmal im Monat für eine Auffrischung des Haarschnitts vorbei schaute, lässt sich «jetzt vielleicht noch alle sechs Wochen einmal blicken«, erzählt Wrase. Wolle er als Friseur unter diesen Vorzeichen überleben, dann müsse er sich vom Zielgruppendenken lösen und «von der Oma bis zum stylischen Typen alle bedienen können«, wie es Steffen Wrase ausdrückt.

Sein Fürther Kollege Giuseppe Agnello bildet genau wie Steffen Wrase auch aus. Aus Agnellos Schulung sind nicht wenige seiner heutigen Mitbewerber hervorgegangen. Er nennt «exzellenten Service und erweiterte Wohlfühl-Leistungen, die andere nicht anbieten« als wichtige Alleinstellungsmerkmale, die Billig-Friseure so nicht vorweisen könnten.

Bundesweite Billigketten

Zudem sind die Preisbrecher - in Fürth oft Filialen bundesweit agierender Friseurketten wie etwa der unter dem Logo «Top Ten« firmierenden «Essanelle Hair Group« oder der Hamburger «C&M Company« - beileibe nicht so billig, wie es auf den ersten Blick scheint. Bei «C&M« in der Schwabacher Straße soll beispielsweise ein großes Schild mit der Aufschrift «ALLES 11 Euro« Kunden in den Laden locken.

Eine nach Haarlängen gestaffelte Preisliste im Schaufenster relativiert den scheinbaren Dumpingpreis schnell, denn gemeint ist, dass fast jede Einzelleistung den genannten Betrag kostet: Für elf Euro gibt es nur Waschen und Schneiden. Föhnen kostet - außer bei Kurzhaarschnitten - noch einmal elf Euro.

Das Versprechen «Reinkommen, drankommen! Wir arbeiten ohne Anmeldung« kann sich vom Segen zum Fluch verwandeln, weil es in Stoßzeiten durchaus längere Wartefristen geben kann.

Zum Vergleich: Bei nicht «verketteten« Friseuren kostet ein Herrenhaarschnitt locker 35 Euro und mehr; aufwändige Damenfrisuren werden auch einmal mit dreistelligen Euro-Beträgen angesetzt. «Wir dürfen keine Richtwerte vorgeben - dafür passen wir auf, dass der geltende Tarifvertrag eingehalten wird«, führt Obermeister Hertlein aus.

Keine schwarzen Schafe

«Schwarze Friseur-Schafe«, wie sie kürzlich bei einer Aktion des Münchner Zolls in der Landeshauptstadt ausgehoben wurden, gibt es in Fürth bis dato praktisch nicht, wie die «Finanzkontrolle Schwarzarbeit« des Hauptzollamts Nürnberg auf Anfrage mitteilt. Zumindest gebe es «keine gehäuft auftretenden Hinweise« auf Unregelmäßigkeiten.

Fürths Wirtschaftsreferent Horst Müller bedauert die aktuelle Entwicklung und klagt, «auf den Branchenmix leider keinen Einfluss zu haben«. Wenn ein neu einziehendes Geschäft dem Hauseigentümer das Doppelte der bisherigen Miete zahle, könne man es dem Vermieter nicht verdenken, wenn er diese Gelegenheit nutze.

Gemäß einer von Müller zitierten neuen Studie stehe Fürth im Kaufkraftvergleich der 21 deutschen Städte zwischen 100000 und 120000 Einwohnern aktuell an vierter Stelle. Dies mache die Innenstadtlage nicht nur für Friseure interessant. Viele der neuen Läden verschwinden freilich so schnell, wie sie gekommen sind.

«Auf die Dauer werden sich die Billiganbieter nicht halten können und Qualität wieder gefragt sein«, hofft Christian Hertlein.