Vom Zauberlehrling zur Großmutter

31.3.2015, 12:05 Uhr
Vom Zauberlehrling zur Großmutter

© Hans-Joachim Winckler

Über drei sehr wichtige Frauen im Leben von Tristan Fabian müssen wir reden, jetzt. Zuerst zur vermutlich strengsten, wenn nicht gar saustrengsten Deutschlehrerin der nördlichen Halbkugel. Tristan Fabian, ein Zappelkönig und Klassenkasper vor dem Herrn, hat mal wieder. . . „ach, ich weiß gar nicht mehr genau. Aber ich weiß, dass sie mich dazu verdonnerte, den ,Zauberlehrling’ auswendig zu lernen und vor der Klasse vorzutragen.“ Oskar-Sembach-Realschule Lauf, das muss als Info reichen.

Fabian pfeift sich die Ballade — sieben Strophen und ein ziemlich ambitioniertes Deutsch — rein, trägt das Ding vor und erntet offene Münder. Auch bei der Lehrerin, die ihn flott fürs Schultheater anmeldet. „Ich war der einzige Junge und wollte gleich wieder gehen.“ Fabian bleibt und bereut es nicht. „Ich wusste plötzlich, das ist es.“ Und das ist es bis heute.

„Klar“, sagt der 28-jährige Shakespeare-Fan und Liebhaber indischer Küche, alles schönzureden, wäre eine Lüge. Aber ich habe bis jetzt viel Dusel gehabt.“ Sein Ziel, sagt er, sei es immer gewesen, den Lebensunterhalt mit Theater bestreiten zu können. Das Ziel ist erreicht. „Wenn mich jemand, der Schauspieler werden will, fragt, dann sage ich: Mach’ es, wenn du es wirklich willst. Wenn man nicht mit ganzer Leidenschaft dabei ist, verliert man die Motivation.“

Ehrgeiz und Energie nennt Tristan Fabian als seine Stärken. Wenn er auf der Bühne agiert, dann stets körperlich, mit Schmackes. „Solange ich agil bin, möchte ich das zeigen.“ Drum fiel ihm, der, hätte er die Wahl, am liebsten einmal Brachialregisseur Quentin Tarantino kennenlernen möchte, zunächst die Kinnlade südwärts, als ihm Kult-Chef Thomas Stang die Rolle der Großmutter in „Feldpost für Pauline“ andiente. Doch Tristan Fabian wäre nicht Tristan Fabian, würde er nicht auch für irre Ideen glühen. Der Satz „Ich kann so nicht arbeiten“ würde nie aus seinem Mund fallen, beteuert er. Und: Er kann Oma. Im Kulturforum hat er tagelang die Senioren beobachtet, wie sie dort zur Kaffeezeit Karten spielen. Prompt gelingt ihm die Darstellung einer 90-Jährigen auf der Bühne verblüffend lebensnah.

„Du bist der klassische Liebhaber“ ist allerdings der Satz, den Fabian öfter hörte als „Du bist die klassische Alte“. Schmeichelhaft, doch „ich fand die Bösewichter immer interessanter, die Fiesen.“ Immerhin hat er dank Fiesheit eine tolle Frau kennen und lieben gelernt. In der Gruft, kein Scherz. Bei den Klingenburg-Spielen, man gibt „Romeo und Julia“, ist er Tybalt, der zwielichtige Bruder Julias. Julia ist Julia Hell. Der Dialog geht auch nach den Festspielen weiter. Inzwischen ist Hell Fabians Verlobte und ebenfalls Kult-Mitglied. „Wir reden ständig über Theater. Und wissen Sie, was? Es nervt noch nicht!“, sagt Fabian lachend.

Im Frühjahr 2012 stand er erstmals in Diensten des Fürther Stadttheaters, im Klassenzimmerstück „Escape“ — Partnerin: Hell. Zum Fürther Festengagement mit Beginn dieser Spielzeit ist das Paar aus Hamburg gekommen. Kein kleiner Kulturschock für manche, doch Fabian fühlte sich wie daheim. In Nürnberg nämlich ist er geboren, in Schnaittach aufgewachsen. In seiner Geburtsstadt nimmt er Schauspielunterricht bis 2008 und hat das Glück, schon während der Ausbildung in Köln Theater spielen zu dürfen. Eine erste kleine Wanderzeit beginnt, drei Monate hier, vier dort. Als er am „Gostner“ unter Tilman Seidel spielt, sieht ihn Stadttheater-Pädagoge Johannes Beissel — und nicht nur der meint: Fabian muss nach Fürth.

Vor Fürth: Hamburg. An der Stage School ist er eineinhalb Jahre lang Abteilungsleiter für Bühnenfechten und -kampf. Der Mantel- und Degenfilm-Anbeter ist bundesweit gefragt, wenn Haudrauf-Szenen gefragt sind; er gibt Workshops, macht Choreografien, ertüftelt Ferienprogramme. „Bühnenfechten vereint alle Konzentrationsebenen: Gespür für den Partner, für Nähe und Distanz, volles Kämpfen ohne Verletzungsabsicht und, ganz wichtig: Nicht die Rolle verlassen!“ Aktuell aber ruht das Schwert in der Requisite und wird erst demnächst wieder ausgepackt: Den zweiten Theater Kids Club des Fürther Hauses mit neun Kindern leitet er neuerdings. Viel gefragt, dieser Tristan.

Und damit zur dritten wichtigen Frau und zur Frage, ob du nicht zwangsläufig zum Theater musst, wenn das Schicksal dich zum Tristan macht. Da lacht Tristan Fabian herzerfrischend; der und bühnenfies, wie soll das eigentlich gehen? „Meine Mutter war Erzieherin. Sie wollte einfach nur einen Vornamen, wo nicht gleich drei Kinder angelaufen kommen.“

Wäre das also auch geklärt.

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