Waldgeister aus der Partnerstadt besuchen Stein

8.5.2016, 13:00 Uhr
Waldgeister aus der Partnerstadt besuchen Stein

© Foto: Sabine Rempe

Würdig halten sie Kerzen in den ausgestreckten Händen. Hüte sind tief in die Stirn gezogen, lange Bärte rauschen bis zur Taille. Mit ihren stämmigen Stiefeln und den moosigen Gewändern scheinen die urigen Typen jedem Wetter standzuhalten. Die Parade der vogtländischen Sagengestalten, die jetzt in die Vitrinen des Steiner Heimatmuseums eingezogen sind, um sich hier bis 16. Oktober von den Besuchern betrachten zu lassen, hat etwas beinahe Archaisches.

Für Brunhilde Inspruckner und Elisabeth Hirschmeier, die die Ausstellung des Heimat- und Kulturvereins Stein gestaltet und aufgebaut haben, sind die Moosmänner vor allem aber Zeichen der Beziehung zur Partnerstadt Falkenstein. Auch dort geht es in einem ähnlichen Verein darum, „Kulturgüter zu erhalten und zu bewahren“.

Über Generationen vererbt

Vom ersten Advent an bis zum Dreikönigstag wird der Moosmann im Vogtland aufgestellt. Nicht selten vererbt man solche Figuren über Generationen weiter und stellt sie Jahr für Jahr wieder auf. „Deshalb machen wir die Ausstellung auch jetzt, zur Weihnachtszeit werden sie in Falkenstein gebraucht“, erklärt Brunhilde Inspruckner.

Tatsächlich stammen aus Steins Partnerstadt – die Verbindung besteht seit 1990 – mit die ältesten Belege für die vogtländische Tradition. „Muestmännel“, so werden sie in der heimischen Mundart genannt, wurden um 1840 in einem langen Gedicht erstmals beschrieben. Wortreich beklagt eine solche Figur darin, dass sie unbeachtet auf dem Dachboden ausharren muss, in der „Gesellschaft von allerhand Ungeziefer“. Doch die mündliche Überlieferung reicht sogar noch weiter zurück. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts gab es wohl den Brauch, dass Schüler, über und über mit Moos bedeckt, an einem Festtag durch die Straßen zogen.

Der im vergangenen Jahr verstorbene Heimatdichter Manfred Blechschmidt hat sich mit den Ursprüngen und dem Kern der Tradition beschäftigt. Der Autor, der aus dem Erzgebirge stammte, betonte die besondere Herstellung der Figuren aus Falkenstein: „Hier fertigen die Schnitzer den ganzen Körper aus Holz und vermögen ihm dadurch die ursprüngliche Steifheit zu nehmen.“ Sie seien Sagengestalten, nämlich volkstümlichen Waldgeistern, nachgebildet worden.

Für Blechschmidt waren die Moosmänner auch deshalb ein Ausdruck für die Naturverbundenheit der Menschen „zwischen Falkenstein, Schöneck und dem Schneckenstein“. In Legenden wurde hier davon erzählt, wie die anspruchslosen Gesellen aus dem Wald den Armen halfen und ihrer Not ein Ende machten, indem sie sie mit Gold beschenkten. Feindlich gesonnen sei den Moosleuten nur der „Wilde Jäger“ gewesen, vor dem sie sich auf Baumstämmen sicher fühlen durften, in die die Holzhauer drei Kreuze geschlagen hatten.

Familiäres Basteln

Eine Ahnung von dieser mystischen Vergangenheit vermitteln jetzt noch die Figuren in der Steiner Ausstellung. Die meisten haben nicht nur eine Kerze in der Hand, sondern tragen in der anderen auch einen Stecken. Volkskundler halten diese Stöcke für Lebensruten, denen man einst spezielle Kräfte zusprach. Lange hielt sich der Brauch, die Figuren im Kreis der Familie zu basteln.

Von den Schaustücken im Heimatmuseum, von denen die ältesten aus dem Jahr 1900 stammen, scheinen einige so entstanden zu sein. Augenscheinlich nahm man als Material, was zur Hand war. Das war in einem Fall sogar ein Puppenkopf, der einfach zweckentfremdet und mit einem kessen Hut dekoriert wurde.

Um die 30 Zentimeter lang sind die meisten Vertreter dieser besonderen Zunft. Einer fällt allerdings aus diesem Schema und passt in keine Vitrine, weil er tatsächlich mannsgroß ist. Zur Ausstellungseröffnung am Sonntag werden neun Vertreter der Partnerstadt Falkenstein nach Stein kommen. Vielleicht können sie verraten, welchen Ehrenplatz der Riesen-Moosmann zur Weihnachtszeit einnehmen darf.

Moosmänner aus Falkenstein: Die Sonderausstellung ist bis 16. Oktober im Heimatmuseum Stein, Mühlstraße 1, zu sehen. Geöffnet ist sie jeden dritten Sonntag im Monat von 13 bis 17 Uhr und am aktuellen Stadtfest.

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