Wehmütiger Abschied

15.8.2017, 10:00 Uhr
Wehmütiger Abschied

© Foto: Hans Winckler

Parkinson: Die Diagnose verlangt für die zurückhaltende Künstlerin nach einer radikalen Veränderung der Lebensumstände. Ein kleines Häuschen mit Garten in einem Dorf der 67 000-Einwohner-Gemeinde Ina in der Mittelgebirgsregion Nagano haben sich Atsuko und Kunihiko Kato für den Lebensabend ausgesucht. Hier blühen im Frühjahr üppig die Kirschbäume und den Horizont säumen schneebedeckte Gipfel der japanischen Zentralalpen.

Die Natur hat die Malerin und den Bildhauer von Anfang an fasziniert. Viel davon war ihnen an ihrer Fürther Wirkungsstätte nicht vergönnt. Vom Hinterhofatelier in der Hirschenstraße geht der Blick nur auf die Backsteinmauern und Ziegeldächer der westlichen Innenstadt. Dafür hat sich die Natur umso mehr im künstlerischen Schaffen der beiden Wahlfürther Bahn gebrochen. Mit einer phänomenalen Beständigkeit sind sie diesem Generalthema treu geblieben.

Seltene Konsequenz

Während Atsuko Kato den Mythos des Ginkgos in immer neuen Zusammenhängen beschwört, arbeitet ihr Mann wie besessen an ins Riesenhafte projizierten Samen und Keimen von Pflanzen. Ausgerechnet Granit, den härtesten aller Steine, hat er sich als Material ausgewählt. Ihm verleiht er durch beständiges Schleifen die Qualität des Organischen. Nur im Winter, wenn der Frost längeres Arbeiten im Freien nicht zulässt, greift er zum Holz. In seltener Konsequenz hat das Künstlerpaar seine Sujets vervollkommnet, sie bis in die hintersten Winkel der Interpretationsmöglichkeiten ausgelotet.

Der Wunsch nach praktischer Perfektion hat Atsuko und Kunihiko Kato im Sommer 1976 an die Nürnberger Kunstakademie gelockt. Die älteste ihrer Art in Deutschland. Hier wollten sie insbesondere dem Genius Dürer nachspüren. "In Japan wurde zu viel Wert auf Theorie gelegt", begründet Atsuko Kato die Ausreise. Die ins Grün am Tiergarten gebettete Akademie hat die Japaner sofort inspiriert. Nach Fürth gelockt hat die Katos am Ende ihres Studiums 1983 ein Kollege, der sie auf ein Atelier an der Vacher Straße aufmerksam machte. Damals war der Talrand noch nicht so dicht bebaut, genug natürlicher Freiraum für einen Bildhauer vorhanden. Auch heute noch arbeitet Kunihiko Kato dort, allerdings deutlich eingeengter als früher. Das Atelier in der Hirschenstraße kam 1985 dazu. In einer Zeit, als das künstlerische Leben wegen billiger Mieten in diesem Quartier noch mehr pulsierte.

So ausgefeilt ihre Arbeiten auch sind: Es zeichnet die beiden Künstler aus, dass sie sich nicht im ästhetisch unverbindlichem Raum bewegen, sondern den Problemen der Welt mutig ins Auge blicken. Der Schrecken der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki hat sie zu Friedensaktivisten gemacht. Davon zeugt das ursprünglich am Bahnhofplatz aufgestellte Hiroshima-Mahnmal mit eisernem Origami-Kranich. Wegen angeblicher Verletzungsgefahr wurde der Kranich zunächst mit einem Käfig umgeben, später der gesamte Gedenkstein in den Stadtpark neben die Auferstehungskirche versetzt. Ausdruck für das politisches Tauziehen um Fürths Beitritt zum Städtebündnis gegen die Atomgefahr.

Der Gau von Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011 haben Atsuko und Kunihiko Kato in ihrem Bemühen noch bekräftigt. Wie der Papier-Kranich symbolisiert auch der Ginkgo Lebenskraft. "In Japan hat er alle Katastrophen überlebt und wächst auch unter widrigsten Bedingungen", erläutert die Malerin, die sich nicht nur mit der malerischen Reproduktion beschränkt. Tausendfach hat Atsuko Kato aus Samen Ginkgo-Bäumchen gezogen und verschenkt.

Mahnende Erinnerung

Sie werden den Wegzug der beiden stillen Künstler ebenso überdauern wie die vielen bildhauerischen Zeugnisse. Besonderes Gewicht hat der 1986 in der Geleitsgasse aufgestellte Gedenkstein für die von Nationalsozialisten zerstörten Fürther Synagogen. Da Fürth seinen Wohlstand insbesondere jüdischen Mitbürgern verdankt, ist diese Erinnerung nicht weniger bedeutend als die jährlichen Friedensappelle am Hiroshima-Mahnmal.

Zur Ruhe setzen, das kommt für Kunihiko und Atsuko Kato nicht in Frage. Nicht nur, weil es die schmale Rente aus der Künstlersozialversicherung kaum zulässt, sondern weil es ihr gesellschaftspolitischer Anspruch erfordert. Leichter wird es für sie in Japan dabei kaum. "Das Bewusstsein für den Umweltschutz ist dort noch nicht so ausgereift wie hier", weiß Kunihiko Kato.

Ein Hemmschuh seien schon die vielen Kleinaktionäre der Atomunternehmen. Immerhin wertet es der Bildhauer als Lichtblick, dass ab 2020 Photovoltaik bei allen Neubauten verbindlich vorgeschrieben ist. Fürth habe hier frühzeitig die Zeichen der Zeit erkannt. Wie überhaupt "viele verantwortungsvolle Menschen" die Stadt zur Heimat für die beiden 1993 mit dem Kulturpreis ausgezeichneten Künstler gemacht haben.

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