Wenn das Zuhause Räder hat

7.10.2010, 13:00 Uhr
Wenn das Zuhause Räder hat

© Hans-Joachim Winckler

Irgendwie magisch. Aber so muss sich Harry Potter gefühlt haben, als er in ein schmales Hauszelt krabbelte und sich plötzlich im Inneren eines gemütlichen Appartments wiederfand. Dem Wohnwagen, in dem Heiko Perz mit seiner Frau Yvonne und Sohn Paulo (11 Monate) zu Kirchweihzeiten lebt, gelingt es auf geheimnisvolle Weise ebenfalls von innen geräumiger zu wirken, als von außen. Schick ist das Mobilheim, das im Moment auf der Fürther Freiheit steht. Eine gemütliche rote Couch im Wohnbereich, elegante Tigermusterblenden am Schrank, eine perfekte Küche, ein pfiffiges Mosaik im Bad. „Wir haben alles selbst umgebaut“, sagt Heiko Perz. „Der Wagen ist fast 30 Jahre alt, früher war der komplett Eiche rustikal.“ In diesem Jahr gab es noch eine zusätzliche Veranda vor dem Eingang: „Ist einfach praktischer, da haben jetzt der Kinderwagen und Schuhe und so etwas Platz.“
Der 38-Jährige steht mit seinem Autoscooter auf der Freiheit. Die flachen Flitzer sind nach wie vor ein magnetischer Anziehungspunkte für Jugendliche. Und das so ziemlich rund um die Uhr. „Um 8 Uhr morgens müssen wir raus“, erklärt der Chef, der das Familienunternehmen in der dritten Generation führt. In der Früh stehen Wartungsarbeiten an, es wird sauber gemacht.

Ab 11 Uhr sitzt er ebenso wie Ehefrau Yvonne (31) an der Kasse – bis um 23 Uhr. „Wir haben zwar eine Wohnung in Sack“, macht Perz klar, aber der Wohnwagen hier ist einfach viel praktischer. Auch, erklärt der junge Vater, weil es so für Sohn Paulo immer eine bequeme Wickel-Gelegenheit gibt: „Er kann in Ruhe seinen Mittagsschlaf machen und wir können uns einen Augenblick zurückziehen.“

Bewegtes Leben

Die Unterkünfte der Schausteller stehen eng auf eng, kaum ein Meter trennt den einen vom nächsten: „Nachbarschaftsschwierigkeiten wären nicht optimal“, sagt Perz und ist froh, dass alle Rücksicht nehmen. Das bewegte Leben ist für den passionierten Schausteller nach wie vor reizvoll. „Um Ostern herum, mit den ersten Sonnenstrahlen, da zieht es mich unweigerlich raus.“ Aber jetzt, nach einer langen Saison, da freut er sich auf die Wohnung in Sack: „Da ist halt viel mehr Platz. Und es ist schön zu wissen, wo man hingehört.“

Wenn das Zuhause Räder hat

© Hans Joachim Winckler



Kevin Dölle (22) ist sogar in einem Wohnwagen zur Welt gekommen: „Auf der Erlanger Bergkirchweih – am Kindertag“, sagt der junge Mann lachend. Mobil zu sein, sagt ihm zu: „Ich kenne das gar nicht anders.“ Ihm gefällt es, dass „man überall zu Hause ist, egal, wohin man kommt“. Dafür nimmt er gern in Kauf, „vom Waschlappen bis zum Laptop“ alles mitnehmen zu müssen.

Für seine Verlobte Sabrina Keusch ist diese Erfahrung neu. Die 19-Jährige kommt aus Poppenreuth und weiß inzwischen: „Wenn man aus einem Haus auf so ein paar Quadratmeter zieht, dann fängt man gar nicht erst an, unnötigen Kleinkram zu horten.“ Das sei kein großer Verzicht: „Man benötigt vieles einfach gar nicht.“ Die Beschränkung auf das Wesentliche empfindet sie als Bereicherung: „Das, was man wirklich braucht ist ja da – vom eigenen Bad bis zur Waschmaschine und zum Trockner.“

Gemütlich und praktisch haben sich die beiden eingerichtet. Und problemlos Kompromisse geschlossen: „Als erstes konnte ich mein Mischpult wegräumen“, meint Kevin gutgelaunt, „stattdessen stehen da jetzt Teller und Töpfe.“ Sabrina, die in ihrer Freizeit und in den Ferien fleißig im Familienbetrieb mitmacht, bereitet sich am Helene-Lange-Gymnasium aufs Abi vor. Das Thema ihrer Facharbeit hat sie schon gefunden: „Der Titel soll ,Vom tanzenden Bären zum alten Brathaus – Die Biografie der Familie Dölle‘ heißen“, verrät sie, bevor der kurze Stopp im Wohnwagen vorbei ist und die Arbeit weitergeht.

Heiko Perz kümmert sich inzwischen um Paulo, später wird er mit seiner Frau den Platz an der Kasse tauschen. Sie wird den Sohn dann in sein gemütliches Bett bringen, das im Moment mitten auf der Fürther Kirchweih steht.

Eines, sagt Heiko Perz, kann er sich allerdings beim besten Willen nicht vorstellen: „Urlaub auf dem Campingplatz. Manche machen das ja sogar im Winter. Das wär’ nix für mich“, sagt er grinsend und schließt die Tür seines rollenden Heims hinter sich.