Wenn die Arme vom Winken schmerzen

8.10.2012, 22:00 Uhr
Wenn die Arme vom Winken schmerzen

© Scherer

„Bei schönem Wetter kann jeder!“ Viola Schnabl heitert die Fröstelnden auf. 40 von über 1500 Kleingärtnern sind dabei. Wer braucht noch einen Schirm, wer einen Umhang?

Ausgerechnet am Kärwasonntag macht sich die Kaltfront breit! Polizisten und Feuerwehrleute haben sich in Hauseingängen untergestellt, rausgeputzte Trachtler kriechen unter das Vordach der Tankstelle in der Herrnstraße. Fünf junge Musiker rufen den Wolkenbruch zum Event aus, ihre „Teambesprechung“ findet unterm großen Regenschirm statt.

Mal ehrlich: Es hätte schlimmer kommen können. Bei der Kärwa hat’s auch schon geschneit. Aus der Laube auf dem Schmuckwagen des Stadtverbands der Kleingärtner Fürth werden Kaffee und Brezen gereicht. Wärme von innen gegen die Kälte von außen. Das Aufstellen beginnt um 10 Uhr, den Gärtnern ist heuer Platz 18 zugewiesen worden.

Schon am Freitag war Kleiderausgabe: Halstuch, grüne Schürze, weißes Sweatshirt mit dem Schriftzug der Kleingärtner. Lieber eine Größe größer, damit Skiunterwäsche und zwei Lagen Wollpulli drunterpassen. Bis auf den Strohhut für die Männer ist alles weiß-grün. Am Samstag dann Wagenschmücken und Sträußchenbinden. Michael Klein weiß nicht genau, wie häufig er schon mitgemacht hat. Oft, sehr oft. „Mit dabei zu sein, Teil des großen Ganzen zu sein“, das motiviert. Schon seit 2000 geht Sohn Pascal mit, in diesem Jahr erstmals bei den Männern. „Andere Kulturen haben auch Initiationsrituale“, scherzt der Papa.

Dreierreihe oder doch zu viert? Nicht nur Fußballclubs diskutieren darüber. Sicher ist: Die Marschordnung kann noch so gut abgesprochen sein, sie hält allenfalls lose. Die Kinder gehen voraus, die Frauen tragen Blumen, die Männer schultern die Rechen. Am Schluss tuckert der Traktor.

Stau mit Samba

Viertel nach elf geht es endlich los, auch der Regen hört auf. Vor uns ein Gespann aus Alt-Gründlach, hinter uns der Kitzmann-Wagen und die Stadtkapelle Zirndorf. Das ist gut: Die Musik gibt den Takt vor und Schwung dazu. Beim ersten Halt an der Ecke Herrn- und Schwabacher Straße spielen die Trommler wie entfesselt Samba, das Publikum wippt mit, es johlt und klatscht.

„Morgen tut der Arm vom Winken weh“, warnt Steffi Fielitz und gibt ihrem Blumensträußchen eine Extradrehung. Die Eindrücke sind es wert: Die Straßen sind von Menschen gesäumt, hinter Schaufenstern drängen sich Kiebitze im Warmen. Andere lehnen sich weit aus den Fenstern und Alte sitzen auf Stühlen an der Strecke — um den Zug, um uns zu sehen! Und wenn Gartennachbarn, wie die Costas, am Rand stehen, ist ein kurzes Ausscheren natürlich erlaubt. Die Jüngste im Frauentrupp fällt Freunden, die als Ordner eingesetzt sind, gleich um den Hals.

Wie das erst bei Sonnenschein wäre... Doch auch unter grauen Wolken ist es etwas Besonderes, zu Fuß mitten auf der Schwabacher Straße zu gehen. Dort, wo an allen anderen Tagen Tausende Autos fahren. Aber Achtung: Pferdeäpfel, matschig!

Wenn der Zug zwischendurch stoppt, stärken sich die Kleingärtner. Kleine Feiglinge machen die Runde, Traubenzucker und Bonbons treiben den Blutzucker in die Höhe, die Metzger reichen Wienerle. Weil auf dem Gärtnerwagen der Grill glüht und immer drei in eine Semmel passen, wird Edeltraut Prell vom Gatten aus der Hand gefüttert. „Nur noch zehn Minuten“, seufzt die Gärtnerin am Parkhotel.

Dicht gedrängt stehen die Zuschauer hier in den Kurven, die 400 Meter bis zum Rathaus vergehen im Flug. Kurz vorher streifen alle Frauen die Regencapes ab, weil doch das Fernsehen dreht. Lächeln! Die Tribüne — Bonbons für den Oberbürgermeister, Blumen fürs Volk — markiert den Schlussspurt hinunter zur Maxbrücke. Dort sammeln sich alle vorm Wagen fürs Gruppenfoto, jetzt scheint auch die Sonne. Wie es war? „Alles wunderbar“, sagt Wilhelm Schnabl. Einen Nachteil gibt es allerdings schon, merkt er an: Wer beim Kärwazug mitgeht, sieht ihn nicht...

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