Dekan appelliert

"Wir vergessen nicht": Fürth gedenkt der Opfer der Pogromnacht

Armin Leberzammer

E-Mail zur Autorenseite

9.11.2022, 20:40 Uhr
"Wachsam bei jedem Millimeter": Rund 150 Menschen versammelten sich am Mittwochabend am Mahnmal in der Geleitsgasse, um der Opfer der Pogromnacht zu gedenken.

© Armin Leberzammer, NN "Wachsam bei jedem Millimeter": Rund 150 Menschen versammelten sich am Mittwochabend am Mahnmal in der Geleitsgasse, um der Opfer der Pogromnacht zu gedenken.

Hunderte Menschen wurden in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 ermordet, misshandelt und inhaftiert, viele Synagogen in Brand gesteckt. So auch in Fürth. Am Ort des ehemaligen jüdischen Schulhofs in der Geleitsgasse gedachten am Mittwochabend rund 150 Fürtherinnen und Fürther der Opfer.

Wie hat das alles angefangen? Wann wurden aus Nachbarn Fremde und Feinde? Diese Fragen treiben den evangelischen Dekan Jörg Sichelstiel um – mit Blick auf die Vergangenheit, aber mindestens ebenso mit Blick auf die Gegenwart. Es gelte daher, wach zu sein und wach zu bleiben gegenüber Anfeindungen, Ausgrenzungen und bei "jeden Millimeter, der sich im Sprachgebrauch verschiebt."

Bei der Gedenkstunde in der Geleitsgasse sprach auch die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Julia Tschekalina, hier neben Bündnissprecher Niklas Haupt.

Bei der Gedenkstunde in der Geleitsgasse sprach auch die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Julia Tschekalina, hier neben Bündnissprecher Niklas Haupt.

Niklas Haupt, Linken-Stadtrat und Sprecher des Bündnisses gegen Rechtsextremismus und Rassismus sieht beim Gedenken an die Opfer der NS-Verbrechen ebenfalls die Verpflichtung, sich gegen aktuelle Gewalttaten zu positionieren. "Alleine im vergangenen Jahr hat es über 3000 antisemitische Delikte in Deutschland gegeben", so Haupt.

Er beklagt, dass die tödlichen Angriffe von Rassisten und Antisemiten in Hanau und Halle oder die Mordserie des NSU leichthin als Versagen der Sicherheitsbehörden abgetan würden, was letztlich jedoch nur Ablenkungsmanöver seien. "Wir wollen endlich wirkliche Aufklärung!", fordert er. Der zweite NSU-Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag sei überfällig, weil "die Hintergründe bislang fast ausschließlich von Journalisten recherchiert wurden."