"Wir wirken der Vereinsamung entgegen"

12.5.2017, 06:00 Uhr

© Foto: Hans Winckler

Herr Patzelt, Stammtischgesellschaft, das klingt nach Zusammenhocken, nach Phrasendreschen, Politisieren und viel Alkohol . . .

Patzelt: Das hat’s früher durchaus gegeben, aber wir pflegen gar keinen Stammtisch mehr. Seit 2013, als der Volksgarten, unser Gründungs- und langjähriges Vereinslokal, zur Kinderkrippe umgebaut wurde, gibt es in Unterasbach überhaupt keine Gaststätte mehr. Und das bei 4500 Einwohnern, das muss man sich mal vorstellen. Aber das wäre ein eigenes Thema.

 

Was ist dann Ihr Vereinszweck?

Patzelt: Im Grunde der gleiche wie der, den unsere Vorgänger in der Gründungsphase verfolgt und womit sie viel Weitblick bewiesen haben: Sie wollten der Vereinsamung entgegenwirken. In Zeiten, da Stress, Hektik und Konsumzwang die Distanz unter den Menschen immer mehr vergrößern und die moderne Technik den guten Draht zum Nachbarn überflüssig macht, wird das nicht besser.

Das Phänomen der Vereinsamung dürfte in einer Schlafstadt wie Oberasbach besonders ausgeprägt sein, oder?

Patzelt: Ja, das ist leider so, aber es wird besser. Veranstaltungen wie die Food Truck Meile oder die Abrissparty der Stadt in der Tiefgarage am Rathaus im vergangenen Jahr, an denen wir beteiligt waren, laufen prima.

 

Wie sieht Ihr Vereinsleben aus?

Patzelt: Wir wollen über Geselligkeit die zwischenmenschlichen Beziehungen verbessern und bereichern den Veranstaltungskalender. Wir organisieren Ausflüge und Feste, und das nicht nur für Mitglieder, sondern für die ganze Bevölkerung. Wir treffen uns gar nicht regelmäßig, sondern aus gegebenem Anlass, also immer dann, wenn die nächste Veranstaltung vorzubereiten ist. Davon gibt es etliche, allen voran die Unterasbacher Kirchweih. Überragend ist unser Kinderfasching, heuer hatten wir 550 zahlende Gäste.

 

Und was macht den so begehrt?

Patzelt: Für jedes Kind gibt es ein Stofftier und Süßigkeiten vom Feinsten. Selbst die Eltern kommen verkleidet. Die Veranstaltung hat einen Namen, auch über die Stadtgrenze hinaus, genauso wie die Kärwa. Dass all das gefragt ist, zeigt die Mitgliederentwicklung.

 

Wieso?

Patzelt: Während anderen Vereinen die Leute davonlaufen, können wir uns über Zuwachs freuen. Derzeit haben wir etwa 250 Mitglieder.

 

Eine nicht unwesentliche Rolle dürften bei dieser positiven Entwicklung die Kärwafrägger (für Nicht-Franken: die nicht ganz nett gemeinte Steigerung von Lausbub) spielen, oder?

Patzelt: Ja, mit der Gruppe haben wir uns vor zwei Jahren für Kinder ab sechs Jahren geöffnet. Wir bringen ihnen Kirchweih-Lieder bei und bei der Kärwa stellen sie einen kleinen Baum auf. Die Eltern kommen meist mit, das tut der Mitgliederbilanz gut. Zuvor war das Mindestalter für die Mitgliedschaft 18. Was fehlt, ist das mittlere Alter bis etwa 60. Die Masse ist entweder ganz jung oder ganz alt.

 

Und wer macht die Arbeit?

Patzelt: Es gibt einen harten Kern von 20, 30 Leuten, die die Vorbereitungen für die Veranstaltungen stemmen. Es ist wie überall, viel Arbeit lastet auf wenigen Schultern. Unsere Kassiererin Gerlinde Erhardt nimmt sich zur Kirchweih zwei Wochen Urlaub, die Bar schmeißt seit über 40 Jahren Hanne Martin. Sie sind mit Herzblut dabei, solche Leute braucht’s, sonst geht nichts. Bei der Kärwa benötigen wir insgesamt 100 Helfer, die sich auch finden.

 

Bemerkenswert: Andernorts, in Wintersdorf oder Anwanden zum Beispiel, sind die von Dorfvereinen organisierten Kirchweihen Vergangenheit, weil sich nicht mehr genug Helfer fanden, warum ist das bei Ihnen anders?

Patzelt: Wer einmal dabei ist, bleibt. Jeder kennt jeden, die Gemeinschaft wird geschätzt. Zu mir ist auch schon ein Mann gekommen, der mit seiner Familie neu zugezogen war. Er sagte, das gefällt mir, was ihr da macht, können wir mitmachen? Wir taugen also auch zur Neubürger-Integration.

 

Was macht den Reiz der Unterasbacher Kirchweih denn aus?

Patzelt: Wir haben zwar nur das Übliche, ein kleines Karussell, ein paar Buden, doch das Zelt ist immer größer geworden. Aber bei der Auswahl der Bands haben wir ein paar Mal einen guten Riecher bewiesen. Und die Leute wissen, bei uns kriegen sie Qualität zu bezahlbaren Preisen. Die Schaschliks sind vom ortsansässigen Metzger, frisch und nicht nur zehn Zentimeter lang, die Bratwürste haben mindestens einen daumendicken Durchmesser. Seit 2012 gibt es am Donnerstag vor der Kirchweih Schlachtschüssel. Jedes Jahr zählen wir mehr Gäste, unter anderem deshalb, weil das Essen nicht musikalisch beschallt wird. Die Leute können sich noch unterhalten.

 

Was bleibt denn unterm Strich, wenn Ihre Festivitäten derart gefragt sind?

Patzelt: Fast nichts. Das Finanzamt erkennt uns nicht als gemeinnützig an, wir zahlen Steuern wie verrückt. Zum Glück haben wir gerade in letzter Zeit etliche Sponsoren gefunden, an die 20 sind es jetzt. Sie brauchen wir dringend, um die Miesen auszubügeln.

 

Warum feiern Sie das 65-Jährige, es ist ein Jahrestag, der gemeinhin nicht besonders herausgestellt wird?

Patzelt: Weil jetzt noch fünf der Gründungsmitglieder unter uns sind, wer weiß, ob die das 70- oder 75-Jährige noch erleben würden.

 

Ihr Jubiläum in der Jahnturnhalle am 19. Mai steigt nur mit geladenen Gästen.

Patzelt: Ja, wir haben Mitglieder, Sponsoren, Gönner, Oberasbacher Vereine und Verbände und Politiker eingeladen. Das Musikkabarett Gankino Circus kommt. Wenn die jemanden interessieren, kann er trotzdem vorbeischauen, wir weisen bestimmt niemanden ab. Hauptsache, die Halle wird voll. Es ist ja nicht mehr so wie früher, dass die Vereine mit einem Haufen Mitglieder Schlange stehen würden.

Wer Interesse an der Stammtischgesellschaft Unterasbach hat, kann sich per Mail unter fozelandfamily@t-online.de an Harald Patzelt (Spitzname "Fozel") wenden.

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