Wohnungsbau für Flüchtlinge: Fürther OB kritisiert Freistaat

19.10.2015, 06:00 Uhr
Solche beengten Gemeinschaftsunterkünfte sollen für die Flüchtlinge nur eine Übergangsstation sein.

© Ina Fassbender/Archiv (dpa) Solche beengten Gemeinschaftsunterkünfte sollen für die Flüchtlinge nur eine Übergangsstation sein.

Die Bilder aus Zelten und Turnhallen, die als Notquartiere dienen, sind in diesen Tagen allgegenwärtig, manche Kommunen stöhnen vernehmbar unter der Last. Doch die erste Versorgung der Flüchtlinge, sagt Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung, „ist die kleinere Übung“.

Die größere Herausforderung werde es sein, den Menschen, deren Asylanträge erfolgreich sind, zu ermöglichen, aus den beengten Gemeinschaftsunterkünften auszuziehen und Wohnungen zu finden. Für Fürth stelle dies ein „fast unlösbares Problem“ dar, nicht jeder werde hier bleiben können, sagt der Rathauschef und wiederholt einen Satz, mit dem er seit geraumer Zeit Naturschützer zu beruhigen versucht: Die Spielräume für Investoren werden enger, Fürths Wachstum stoße an Grenzen.

Jung hat sich – zur Erleichterung des Bundes Naturschutz – festgelegt: Talauen, Waldränder und Kleingartenanlagen sollen unangetastet bleiben. Die damit verbundene Lebensqualität dürfe man nicht opfern, sagt er: „Das wäre eine Politik, die nicht nachhaltig und falsch wäre. Was einmal weg ist, ist weg.“ Die Stadt kann sich also kaum noch ausdehnen: „Wir haben ein Grundstücksproblem.“ Um die noch verbliebenen Bauflächen konkurrieren jetzt schon viele: die Wirtschaft, die nach Gewerbeflächen ruft; Investoren, die wissen, wie begehrt Wohnraum in Fürth ist; Menschen, die darauf warten, dass bezahlbare Mietwohnungen gebaut werden. Nun kommen die Flüchtlinge hinzu.

Kein Platz für neue Stadtteile

Fast 2000 Asylsuchende warten zurzeit in Fürth auf eine Entscheidung über ihren Antrag. Wenn 1000 von ihnen bleiben und im Schnitt drei Familienmitglieder nachholen, bräuchte man Wohnraum für 4000 Menschen, rechnet Jung vor: „Das wäre ein Ortsteil wie Vach, Unterfarrnbach oder Eigenes Heim.“ Für neue Stadtteile aber gebe es keinen Platz. Und in die Höhe zu bauen, sei nur eingeschränkt möglich: Ein Stockwerk mehr auf dem Norma-Areal an der Würzburger Straße, wo Wohnungen entstehen, kann Jung sich vorstellen – Hochhäuser auf dem Reichsbodenfeld hochzuziehen, hingegen nicht: „Das würde erheblichen Widerstand hervorrufen. Und ein Ghetto schaffen.“

Die Anreize, Siedlungen für Flüchtlinge zu schaffen, sind allerdings gewachsen, befürchtet Jung. Zwar fördert der Freistaat, um den angespannten Immobilienmarkt zu entlasten, mit dem „Wohnungspakt“ generell den sozialen Wohnungsbau – doch für Objekte, die an Flüchtlinge vermietet werden, fällt die Finanzspritze größer aus. So gibt es künftig für den Bau günstiger Mietwohnungen einen Zuschuss von 200 Euro pro Quadratmeter. Wird die Wohnung an Flüchtlinge vermietet, sind es jedoch sogar 500 Euro pro Quadratmeter.

Dass es endlich Zuschüsse gibt, begrüßt Jung – den Sonderbonus für Flüchtlingswohnungen aber hält er für „völlig falsch“: „Wie erkläre ich das einer Familie, die seit langem auf eine Sozialwohnung wartet?“ In seinen Augen glückt nicht, was der Freistaat anstrebt: Eine „Konkurrenzsituation der Schutzsuchenden mit der einheimischen Bevölkerung“ will man ausdrücklich vermeiden. Im Innenministerium geht man davon aus, dass Vermieter die Vergabe an Flüchtlinge mehr scheuen als an andere sozialschwache Klientel. Der Anreiz müsse daher größer sein.

Auch Sozialreferentin Elisabeth Reichert hat ein Sonderprogramm für Flüchtlinge stets ablehnt. Im ZDF-Morgenmagazin betonte sie jetzt: „Wir müssen uns um alle kümmern, die unsere Hilfe brauchen, und da denke ich an Alleinerziehende, an Familien, an Obdachlose, an arme oder einsame Rentner, an Menschen, die Arbeit suchen, – und auch an Flüchtlinge. Diese Bandbreite müssen wir bewältigen und zwar mit gleicher Priorität.“

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