Wortwechsel: Jugendliche haben großen Redebedarf

16.7.2019, 11:29 Uhr
Wortwechsel: Jugendliche haben großen Redebedarf

© Marion André

Das neue Format hat etwas von einer Bürgerversammlung, aber auch was von Polit-Talkshows wie "Hart, aber fair" – mit dem Unterschied, dass fast sämtliche Gesichter im Publikum noch ganz jung sind. Schüler der zehnten Klassen haben in der Aula des Heinrich-Schliemann-Gymnasiums Platz genommen. 90 Minuten stehen zur Verfügung, um die Verantwortlichen zu löchern.

Und Redebedarf gibt es: Beim Jugendforum im März wurde der Wunsch geäußert, Politiker zum Dialog an die Schulen zu bringen, erzählt Jutta Küppers, die Leiterin der städtischen Jugendarbeit. Dafür sorgt nun das Projekt "Echt Fürth" (siehe auch Info-Text rechts): Schüler können sich neuerdings mit ihrer Schule für das Format "Wortwechsel" bewerben – das Heinrich-Schliemann-Gymnasium war am schnellsten. Und so steht Moderatorin Stefanie Schmidts, die als "Lola" bei Radio Energy und N1 bekannt geworden ist, nun also hier in der Aula.

Über drei Themenkomplexe – Ausstattung der Schule, Digitalisierung, Umwelt – wollen die Schüler reden. Das Publikum darf jederzeit über WhatsApp nachhaken.

Wie kann es sein, fragen die jungen Menschen, dass in den Klassenzimmern Schränke kaputt sind? Dass Toiletten stinken? Eine vorgeschriebene Fluchttreppe noch nicht gebaut ist? Dass dank großzügiger Spenden von Eltern und ehemaligen Schülern zwar ausreichend Smartboards vorhanden sind, sie aber oft nicht funktionieren? Und hat das Kultusministerium eigentlich einen Plan, wie es bei der Digitalisierung der Klassenzimmer vorgeht? "Oder muss sich das jede Schule selbst erkämpfen?"

Die Schüler wissen, wovon sie sprechen. Das macht die Diskussion ebenso spannend wie die Tatsache, dass Vertreter aller Seiten zu Wort kommen: aus dem Rathaus, aus der Schulleitung und dem Kultusministerium.

Wenn Fürths Schulreferent Markus Braun also sagt, dass es vor allem ein "Kommunikationsproblem" zwischen Stadt und Schule ist, wenn defekte Schränke im Klassenzimmer stehen, kann Direktor Carsten Böckl einen etwas anderen Eindruck schildern: "Ich glaube, es ist eher ein Problem des Budgets. Oft ist halt kein Geld da, um Wünsche zu erfüllen." Braun sichert daraufhin zu, dass bei "wirklich gravierenden Mängeln" Geld vorhanden sein muss.

"Wir müssen nachbessern"

Beim Brandschutz "müssen wir nachbessern", sagt Braun auch – und bleibt die Erklärung schuldig, warum das nicht längst schon passiert ist. Für die stinkenden Toiletten wiederum sind offenbar marode Abwasserrohre unter dem Altbau verantwortlich. Bernd Kreß von der Gebäudewirtschaft richtet aber auch einen Appell an die Schüler: "Verlassen Sie die Toiletten so reinlich, wie Sie sie zuhause verlassen."

Transparent wird, wie sehr die Digitalisierung noch stockt. Für die Wartung der digitalen Geräte zum Beispiel fehlen Konzepte und Mittel. Frank Flachs aus der Dienststelle des Ministerialbeauftragten für Gymnasien leugnet das nicht: Es gehe dabei um viel Geld, sagt er, "und da zögern die Beteiligten". Die Kommunen hielten sich zurück, weil sie Sorge haben, dass die Finanzierung der Aufgabe an ihnen hängen bleibt, wenn sie damit anfingen. Und der Freistaat? "Ich trau mich fast nicht, es zu sagen", sagt Flachs: Der Freistaat wollte die Stundenzahl der "Systembetreuer" – Lehrer, die sich um die Technik kümmern – von drei auf vier pro Woche erhöhen. Flachs weiß: Das reicht lange nicht. Er kann nur versprechen: "Es wird in München diskutiert, wie wir die Probleme lösen."

Leichter gelöst ist da ein anderes Anliegen: Mülltrennung wünschen sich die Schüler an der Schule– die Behälter werden ihnen versprochen.

Die Zeit ist auch diesmal vorbei, bevor alle Fragen gestellt sind. Timon aus dem Organisationsteam des HSG wirkt dennoch zufrieden: Sehr informativ sei der Austausch gewesen. Gut findet er, dass die Politiker die Probleme "anerkannt" und sich nicht gegenseitig "schlecht gemacht" haben. Schulleiter Carsten Böckl wiederum ist stolz auf die Schüler: "Ich finde es wichtig, dass sie sich interessieren und engagieren", gerade in Zeiten, in denen Rechtspopulisten Aufwind haben.

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