Zu wenig belastbar? Viele Azubis brechen ab

6.4.2018, 21:00 Uhr
Zu wenig belastbar? Viele Azubis brechen ab

© Archivfoto: Johnston

Wenn Melissa Fischer an ihre Zeit als Lehrling zurückdenkt, tut sie das mit gemischten Gefühlen. Nicht alles, was sie während ihrer Ausbildung als Friseurin erlebt hat, war positiv. "Manchmal hab ich schon ein Tränchen verdrückt", gibt die 32-Jährige zu, die inzwischen ihren eigenen Salon in der Nähe des Stadtparks betreibt. Aber die Lehre abbrechen? "Das wäre mir nie in den Sinn gekommen", sagt Fischer – zumal sie bei dieser Entscheidung auch ihre Eltern nicht unterstützt hätten.

Was sie heute, 15 Jahre nach ihrer Gesellenprüfung, beobachtet, sei völlig anders. Vier Azubis hätten eigentlich in ihrem Laden ihr Handwerk lernen sollen — eine einzige hat die Lehre auch abgeschlossen. Zwei haben vorzeitig das Handtuch geworfen; eine von ihnen kündigte sogar per WhatsApp. Bei der dritten Auszubildenden löste Fischer den Vertrag, weil diese nie rechtzeitig aus ihrem Urlaub zurückkam.

Die Gründe für die schlechte Quote? Fischer glaubt, dass vielen jungen Menschen der Rückhalt der Familie fehlt, die einerseits auch mal dazu animiert, die Zähne zusammenzubeißen, andererseits auch nicht immer sofort Partei für das eigene Kind ergreift. "Ich habe das Gefühl, die Azubis glauben, sie hätten nur noch Rechte und keine Pflichten mehr."

Karin Kiesel-Reichel sieht das ähnlich. Sie ist die stellvertretende Obermeisterin der Fürther Friseur-Innung und weiß, dass in der Kleeblattstadt rund ein Drittel der Azubis die Lehre nicht beendet. Mangelndes Durchhaltevermögen nennt auch sie als eine Hauptursache für die hohe Abbruchquote, vielleicht spiele auch der relativ niedrige Verdienst eine Rolle — er liegt im ersten Lehrjahr bei durchschnittlich 400 Euro im Monat.

Kiesel-Reichel, die einen Salon in Unterfürberg betreibt, daneben Prüfungen für Lehrlinge abnimmt und Weiterbildungen anbietet, möchte aber auch die andere Seite nicht unterschlagen. Manchmal liege es schon auch an den Chefs, die keine Zeit für ihre Schützlinge hätten und sich nicht ausreichend kümmerten. Ein offenes Ohr bei Problemen hält sie für wichtig, ebenso, dass der Kontakt zur Berufsschule gut ist.

"Kompetenzen im Quartier" hilft

Falls das alles nicht hilft und der Ausbildungsvertrag beendet wird, kommen viele der Jugendlichen zum Kohlenmarkt. Seit 2016 gibt es dort das KiQ, kurz für "Kompetenzen im Quartier", das junge Menschen beim Start in den Beruf unterstützt. Eva-Maria Fiedler, die Projektleiterin, betreute mit ihrem Team im vergangenen Jahr 500 Jugendliche, davon 32 Ausbildungsabbrecher. Manche von ihnen brauchen nur kurzfristige Hilfe, etwa beim Schreiben einer Bewerbung.

Andere benötigen längerfristige Unterstützung, um beruflich Fuß zu fassen. Eineinhalb Jahre lang treffen sich in solchen Fällen die jungen Menschen im Durchschnitt zum wöchentlichen Gespräch, um herauszufinden, welcher Weg richtig sein könnte. Manchmal kann sich dabei auch herauskristallisieren, dass eine Lehre gar nicht passt, sagt Fiedler.

Besser eine Arbeitsstelle?

Etwa, wenn die Noten zu schlecht für die Berufsschule sind. Dann ist eine Arbeitsstelle im Lager oder in der Produktion, für die man nur angelernt werden muss, vielleicht besser. Auch eine berufsvorbereitende Maßnahme kann eine Alternative sein, ebenso wie ein einjähriges Praktikum, das in eine Lehre mündet. Zwar landen auch Jugendliche im KiQ, die lediglich die falsche Berufswahl getroffen haben und anschließend den passenden Job finden. Die meisten hätten allerdings, so Fiedler, große persönliche Probleme wie ein zerrüttetes Elternhaus oder Drogenmissbrauch. Diese müssten sie erst lösen, um im Beruf durchstarten zu können. Wer dann aber eine zweite Lehrstelle annimmt, bleibt Schätzungen Fiedlers zufolge in 60 Prozent der Fälle am Ball.

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