Zum Glück verholfen

20.8.2009, 00:00 Uhr
Zum Glück verholfen

© Armin Leberzammer

Wer oder was den Jungen die Verletzungen zugefügt hat, kann Dr. Rainer Wölfel, der Chefarzt der Chirurgischen Klinik II, nicht sagen. Nur, dass sie sich durch mangelnde oder fehlende Behandlung weiter verschlimmerten. «Hätte man weiterhin nichts getan, wäre möglicherweise eine Amputation der Beine nicht zu vermeiden gewesen», berichtet der Mediziner.

Und getan wurde an den kleinen Angolanern in Fürth eine Menge: Sage und schreibe acht Mal kam der fünfjährige Luis unters Messer, der zwei Jahre ältere Adao «nur» drei Mal – jeweils unter Vollnarkose. Denkt man daran sowie an den Kulturschock, den sie im fernen Europa erlebten, muss man sich wundern, wie unbekümmert und fröhlich sie heute mit brummenden Kreiseln oder knallbunter Knetgummi spielen.

«Unser größtes Problem war anfangs die Verständigung», erzählt Gisela Fischer. Als Erzieherin und Leiterin des Spiel- und Basteltreffs der Kinderklinik hat sie Adao und Luis fast jeden Tag in den vergangenen drei Monaten betreut. Inzwischen reicht deren Deutsch-Wortschatz aus, um einfache Wünsche zu äußern oder Karten zu spielen: «Aussetzen», «du bist dran» oder «Karte nehmen». Neben der Sprachbarriere kam erschwerend hinzu, dass die Kinder in der ersten Zeit quasi in Quarantäne lebten.

«Wir mussten erst untersuchen, ob sich nicht ansteckende Keime in den Wunden befinden», erläutert Oberarzt Dr. Georg Bermbach. Und so waren die jungen Afrikaner nicht nur von Menschen umgeben, die sich nicht kannten und verstanden. Sie durften nicht einmal ihre Zimmer verlassen. Auch wenn diese Phase nur wenige Wochen dauerte, war sie für Gisela Fischer und ihre Mitarbeiter stark belastend.

«Wir sind ja immer nur vermummt zu den Jungs gegangen, versuchten sie irgendwie zu trösten», erinnert sie sich. Doch egal, wie lange sie sich mit ihnen beschäftigten, beim Verlassen des Krankenzimmers flossen fast immer Tränen. «Wir wussten wirklich nicht, machen wir’s richtig oder alles falsch.» Dr. Wölfel ist trotzdem oder gerade deswegen voll des Lobes, denn so eine Therapie könne nur klappen, wenn das Pflegepersonal Eigeninitiative zeigt. «Wenn jeder nur das macht, was er muss, funktioniert das Ganze nicht.»

Kosten übernommen

Organisiert wurde die medizinische Behandlung in Deutschland von der Hilfsorganisation «Friedensdorf International». Die «deutlich fünfstelligen» Kosten übernahm die Stadt Fürth als Träger des Klinikums.

Mit ihren großen, dunklen Augen sind Adao und Luis den Ärzten, Pflegern und Erziehern sichtlich ans Herz gewachsen. Und wenn sie heute abreisen, wird bestimmt mehr als eine Träne fließen. Vorbereitet haben sie sich auf den Abschied schon: Wenn ihr Flieger (so wie die vielen, die sie tagtäglich vom Dach aus beobachten konnten) übers Klinikum düst, sollen Gisela Fischer und Co. ihnen hinterherwinken und ein bisschen weinen. Diese Aufforderung wird wahrscheinlich nicht nötig sein.