Zwischen Kulturschock und Kampfkunst

15.9.2010, 19:00 Uhr
Zwischen Kulturschock und Kampfkunst

© Hans-Joachim Winckler

„Es ist unser Mekka. Jeder Kampfsportler sollte in seinem Leben mindestens einmal dort gewesen sein“, erklärt Lisa Rucker, Trainerin der Kampfsportgemeinschaft 04 (KSG) aus Fürth. Die Rede ist vom Kukkiwon, dem Welt-Taekwondo-Hauptquartier in Seoul, Südkorea. Bereits seit 1973 misst sich dort die internationale Kampfsportelite und demonstriert ihr Können in einer 3000 Zuschauer fassenden Wettkampfstätte. Zudem versteht sich das Kukkiwon als weltweites Zentrum für die Ausbildung von Taekwondo-Lehrern.

Für eine Ausbildung zum Kampfsportlehrer ist es für den Nachwuchs des KSG 04 zwar noch zu früh, dennoch durften die 14 Schüler im Alter von sieben bis 14 Jahren zusammen mit ihren Trainerinnen Lisa Rucker und Stefanie Parpart der Wiege des Kampfsports schon mal einen Besuch abstatten. Die 13-tägige Reise nach Südkorea ging im Rahmen eines deutsch-koreanischen Austausches über die Bühne, bei dem nicht das Kämpfen im Vordergrund stand. Vielmehr sollten die Kinder und Jugendlichen eine andere Mentalität kennenlernen.

Bereits am Flughafen in Seoul gab es den ersten Kulturschock. Gerade erst angekommen, machte die 16-köpfige Reisegruppe Bekanntschaft mit dem südkoreanischen Straßenverkehr. „Wir sind ein paar Mal über eine rote Ampel gefahren. Das scheint dort normal zu sein“, erinnert sich Debora (10). Obwohl die Nachwuchssportler teilweise zu viert auf der Rückbank saßen, kam jeder heil bei seiner koreanischen Gastfamilie an, wo die Kinder fast wie Staatsgäste behandelt wurden. „Die Leute waren alle sehr gastfreundlich. Wir mussten nicht mal selber unser Gepäck tragen“, sagt Alex (10). Angeredet wurden die Gasteltern mit Mama und Papa. Das kam nicht von ungefähr, schließlich sorgten sich die Südkoreaner um ihre Gäste, wie um die eigenen Kinder.

Beispielweise machte sich bei der 14-jährigen Merve ihre Sonnenallergie bemerkbar, die Gasteltern fuhren sie umgehend ins Krankenhaus. Ein weitaus kleineres Problem war das fremde Essen. Es gab vor allem Reis, dreimal am Tag. Ein Frühstück mit Brötchen ist in Südkorea völlig unüblich. Doch auch dafür fand sich eine Lösung, wie Trainerin Rucker verrät: „Es gab spezielle Läden für Brot und solche Dinge, die in Südkorea normalerweise nicht auf den Tisch kommen. Die Gasteltern haben bereitwillig für die Kinder gekauft, was sie wollten.“

Neben Unternehmungen — auf dem Programm standen zum Beispiel der Besuch eines Freizeitparks und ein gemeinsamer Karaoke-Abend — nahm die deutsche Reisegruppe am koreanischen Training im Kukkiwon teil, was nicht viel mit den Übungen aus der Heimat zu tun hatte. „Wir haben verschiedene Kicks gegen einen Ball gemacht, der an einer Schnur hing. Einmal mussten wir einen Kaugummi auf dem Fuß balancieren. Das Training war viel länger und anstrengender“, sagt der zwölfjährige Kevin.

Wiedersehen im nächsten Jahr

Trotzdem machte der Fürther Nachwuchs eine gute Figur. Bei den Bewegungsabläufen stellten sich die Deutschen sogar besser an als die Gastgeber — die koreanische Ehre war angekratzt. Deswegen kam es zum Kampf eines südkoreanischen Schülers mit dem siebenjährigen Tolga, einem der hoffnungsvollsten Talente des KSG 04. Tolga legte seinen Kontrahenten wiederholt aufs Kreuz und entschied zum Erstaunen der Einheimischen den Kampf für sich.

Traurig waren die Südkoreaner am Ende über die Niederlage nicht. Im Gegenteil: Zum Abschied wurde den deutschen Gästen traditionelles Essen und Kleidung geschenkt. Wiedersehen wird man sich in einem Jahr. „Dann sind die koreanischen Kinder bei uns. Es soll eine richtige Bindung untereinander und zu Südkorea entstehen“, wünscht sich Lisa Rucker. Vielleicht wird eines Tages einer ihrer Schüler im Kukkiwon mehr sein als ein bloßer Trainingsgast.