Zwischen Stuhl und Sarg

6.11.2014, 15:35 Uhr
Zwischen Stuhl und Sarg

Wenn Armin Probst aus den Fenstern seines Betriebes über die Tuchenbacher Straße schaut, fällt sein Blick fast zwangsläufig auf den sogenannten „Totenraststein“. Auf dem mächtigen Sandsteinquader, wo heute gerne Kinder spielen, wurde die Bahre mit Toten aus Orten außerhalb der Pfarrei, etwa aus Retzelfembach, abgestellt. Für die Tuchenbacher und Puschendorfer stand ein weiterer Stein auf Höhe des heutigen Schützenheimes. An den beiden mächtigen Brocken, laut Gemeinde-Heimatpfleger Alfred Strunz, übrigens die einzigen Boden-Denkmäler Veitsbronns, gönnte sich der Trauerzug eine kleine Pause, bevor es den Anstieg zum Friedhof hinauf ging.

So auch Mitte der 1880er Jahre, als sich der Landwirt Johann Probst mit der Gründung einer Schreinerei ein zweites Standbein schuf. Stolz posiert der Chef mit einem Gesellen und einem Lehrling auf einem Foto aus jener Zeit, das bei Armin Probst im Hausflur hängt. Ein Sarg ist auf dem zeitgenössischen Dokument nicht zu sehen, dafür ein schöner Jugendstilschrank. Dass der Schreiner damals aber nicht nur Möbel fertigte, sondern auch als Sargmacher auftrat, war normal. Wobei zu seinem Handwerk oft ebenso der Transport der Verstorbenen gehörte. Alles, was mit dem Toten selbst zu tun hatte, beispielsweise das Waschen, Herrichten und Bekleiden, übernahm die Leichenfrau. Die helfende Hand des Schreiners war allenfalls noch beim Einsargen gefragt.

Eine Aufteilung, die sich laut Probst bis vor ungefähr 20 Jahren so gehalten hat, auch bei seinem Großvater und Vater. Er selbst ist mit 18 Jahren „so hineingerutscht“, ging den Eltern bei dem „schwierigen Gewerbe“ zur Hand. Von Liebe auf den ersten Blick konnte dabei keine Rede sein, ganz im Gegenteil. Bis zu seinem 30. Lebensjahr habe er mit sich gekämpft, sagt der heute 50-Jährige, ehe er sich mit diesem Zweig des Broterwerbs arrangierte.

Die meisten Bestatter, darunter auch einige der Großen der Branche aus Fürth, stammen aus Schreinerdynastien. Irgendwann erfolgte die Spezialisierung, wobei das Pendel häufig zugunsten des Geschäftes um die letzte Ruhe ausschlug. Kein Wunder, meint Probst, das Bestattungswesen sei lukrativer und die Arbeit – früher zumindest – weniger aufwendig gewesen. Im Gegensatz dazu muss der Schreiner viel investieren, in Gebäude, Maschinen, verschiedene Materialien. Im Landkreis kennt Armin Probst nur noch zwei Betriebe aus Zirndorf, die wie er zweigleisig fahren.

Sich allein um Begräbnisse und Totenfeiern zu kümmern, das kam für den Veitsbronner, der 1993 zunächst nur die Schreinerei und acht Jahre später von den Eltern auch das Bestattungsgewerbe übernommen hat, dennoch nie in Frage. Er schätzt die vielfältigen Arbeiten mit Holz. Außerdem: „Wir könnten nicht ganz davon leben“, sagt Probst mit Blick auf die Bestattungen, obwohl die Umsätze im Vergleich zum Schreinergeschäft immer stärker ins Gewicht fallen. Probleme, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten, hat der alteingesessene Betrieb nicht. Es sind vor allem Veitsbronner, Obermichelbacher, Puschendorfer oder Tuchenbacher, die sich an Probst und seine Frau Sabine wenden. „Stammkunden“ nennt der Schreinermeister jene Familien, die er schon einmal in einem Trauerfall betreut hat und die in der Regel dann wieder zu ihm kommen.

Während Urgroßvater Johann und teilweise auch Großvater Georg die Särge selbst schreinerten, bezieht Armin Probst seine Ware, die er in einer kleinen Ausstellung zeigt, von einem ehemaligen Kollegen aus der Nähe von Regensburg, der sich als Sargmacher spezialisiert hat. Vom Opa hatte er jahrelang noch einen Sarg-Rohling herumstehen, an die früher nur – wenn gewünscht – die jeweiligen Beschläge zu schrauben waren. Irgendwann hat er das Stück entsorgt, bei einer Länge von gerade einmal 1,80 Meter wäre es nach heute notwendigen Maßstäben ohnehin zu klein gewesen.

Am Sarg wird nach Probsts Ansicht übrigens, zumindest auf dem Land, nicht gespart. War früher die Ausgestaltung der Totenfeier sehr wichtig, so legen die Angehörigen heute viel mehr Wert auf das Gespräch mit dem Bestatter. Jeden Tag die Familienanzeigen in den FN zu durchforsten, das gehört zur Routine. Wenn er dabei von jungen Menschen liest, die gestorben sind, rückt das Geschäft allerdings in den Hintergrund. „Man muss das Leben genießen“, dieses Motto drängt in solchen Momenten auch Armin Probst wieder verstärkt ins Gedächtnis. Ihn freut es dann umso mehr, wenn Kunden ihn als Schreiner und nicht als Bestatter aufsuchen. Tote reklamieren zwar nicht, dafür schauen die anderen aber vielleicht mal wieder persönlich vorbei.

Keine Kommentare