Golfbälle statt Perlen: Ein Taucher leert die Weiher

26.8.2011, 21:35 Uhr
Golfbälle statt Perlen: Ein Taucher leert die Weiher

© Mark Johnston

Loch 18 hat es in sich: Der dunkle Schlossweiher, der die Bälle reihenweise verschluckt. Immer wieder. Erst saust der Ball durch die Luft, dann macht es plötzlich platsch. Irgendwo steckt der geliebte Golfball jetzt tief zwischen Schilf und stinkendem Schlamm. Oder er ist ganz untergegangen.

Von der Clubhaus-Terrasse am oberfränkischen Golfplatz Schloss Reichmannsdorf lässt sich die Blamage auf den letzten 120 Metern wunderbar beobachten: Nach dem Abschlag suchen Golfer nach dem Kugelrund am Ufer, stochern hektisch in der Hecke und im Schilf. Oder packen, gesetzt es wäre ein kleiner Tümpel, eine urkomische Erfindung aus — eine Golfangel. Doch weg ist weg im Schlossweiher.

„Ich wühle immer im Schlamm“

Nur Stephan Korn besitzt jetzt noch das Zeug dazu, die Bälle wieder an Land zu holen. Er ist Golfballtaucher und fischt auf Plätzen in ganz Franken nach sogenannten Lakeballs in Teichen, Tümpeln und Flüssen wie der Saale.

Mit Neoprenanzug, Sauerstoffflasche, Flossen und Maske taucht er in den Weiher vor Schloss Reichmannsdorf ab. Wie ein Fisch gründelt er am Boden herum, nur Luftblasen verraten, wo er gerade sein Glück im See versucht. Er selbst sieht nichts. Nur Hell und Dunkel im trüben Wasser. „Ich taste die Bälle, wühle immerzu im Schlamm“, sagt der Tauchlehrer. Findet er einen Golfball, kommt er ins Netz zu den anderen. „Wenn du mal zigtausend raus hast, weißt du sofort, ob‘s ein Ball ist oder ein Stein.“

Ab und zu kommt er wieder hoch, orientiert sich oder schleppt einen Sack mit rund 300 Golfbällen an Land. Danach verschwindet er wieder im knietiefen Wasser. Kiloweise Blei an Bauch und Beinen ziehen den 97-Kilo-Mann hinunter. Stundenlang geht diese Schatzsuche so, bis Korn die Ausbeute reicht und der Teich sich langsam leert.

Knallhart und eiskalt

„Das ist ein knallharter Job“, erklärt der 41-Jährige nassgeschwitzt. „Sauna pur.“ Der Beruf des Golfballtauchers, der in Amerika und Großbritannien weiter verbreitet sei als hierzulande, fordere Erfahrung, Kondition und mentale Stärke. „Fünf bis sechs Stunden im Teich ist nicht einfach“, betont der Sportlertyp, der sich sonst seinen Lebensunterhalt als Tauchlehrer verdient. Auf dem Golfplatz in Lichtenau sei er sogar einmal im tiefsten Winter in einen zugefrorenen Teich gestiegen. Kaum zu glauben: „Es gibt auch Golfplätze, da darfst du bloß nachts mit Taschenlampe fischen.“ „Ich liebe was ich mache“, sagt er dennoch. Schon als Kind sei er in jede Pfütze gesprungen, Wasser sei einfach sein Element.

„Manchmal kommt mir aber auch die Gänsehaut“, erzählt er. „Wenn ich aus Versehen einen zappelnden Frosch in der nackten Hand hab.“ Oder Blutegel und Wasserratten ihm begegnen. Berufsrisiko eben, genauso wie wenn ein Ball mit 120 Sachen in seine Richtung angeflogen kommt. Nur vor Krokodilen, wie sie beispielsweise in Afrika auf Golfanlagen lauern, habe er definitiv große Angst.

Golfplatzbesitzer Franz von Schrottenberg weiß, wovon der Taucher spricht: „Der Weiher ist mit Fischen bewirtschaftet, Wasserschlangen, Frösche und Ringelnattern haben wir natürlich“, erklärt er lächelnd. Jeden Herbst würde das Gewässer abgelassen. Doch wer dann selbst Bälle suchen wolle, versinke im Schlamm.

Was zutage kommt, ist nicht Gold, aber Geld wert. Golfbälle gibt es schließlich in allen Preislagen. „Das ist wie Schatzsuche“, sagt Stephan Korn. An den „Schätzen“ lässt sich etwas verdienen: Korns Geschäftspartner Daniel Arbeiter verkauft die Lakeballs in seinem Internetshop, nachdem er die verfärbten Kugeln gewaschen und defekte aussortiert hat. „Davon leben lässt sich aber nicht“, stellt der 36-jährige Schreiner klar. Zwischen 20 Cent und zwei Euro für jeden herausgefischten Ball sind drin.

Auch wenn die beiden ständig über Bälle und Wasserhindernisse fachsimpeln, Golf spielt keiner von ihnen. „Wer hat dazu schon die Zeit?“, fragt Korn. „Außerdem“, winkt er ab, „stinkt so ein stehendes Gewässer. Danach hast du keine Lust mehr, eine Runde zu drehen.“

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