Grundrechte verletzt: Verfassungsgericht gibt Mollath recht

5.9.2013, 16:36 Uhr
Gustl Mollaths Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Die Unterbringung in der Psychiatrie verstieß gegen die Grundrechte des Nürnbergers.

© dpa Gustl Mollaths Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Die Unterbringung in der Psychiatrie verstieß gegen die Grundrechte des Nürnbergers.

Erfolg für Gustl Mollath in Karlsruhe: Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts saß der Nürnberger in den vergangenen zwei Jahren verfassungswidrig in der Psychiatrie. Das höchste deutsche Gericht gab am Donnerstag einer Beschwerde des 56-Jährigen statt. Die Karlsruher Richter werfen ihren Kollegen in Bayern vor, ihre Entscheidungen nicht gut genug begründet, sondern sich mit knappen, allgemeinen Aussagen begnügt zu haben (Az.: 2 BvR 371/12). Zehn Tage vor der Landtagswahl nutzt die Opposition diese Steilvorlage zu einem erneuten Angriff auf Justizministerin Beate Merk (CSU).

Mollath war 2006 auf gerichtliche Anordnung in die Psychiatrie eingewiesen worden, weil er seine Frau misshandelt und Autoreifen zerstochen haben soll. Er selbst sah sich stets als Opfer eines Komplotts seiner Ex-Frau und der Justiz, weil er auf Schwarzgeldgeschäfte bei der HypoVereinsbank hingewiesen habe.

Anfang August wurde er zwar entlassen, dennoch hielt das Verfassungsgericht die nachträgliche Überprüfung der Entscheidungen für wichtig - "denn diese waren Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in sein Grundrecht auf Freiheit der Person". Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte angeordnet, dass das Verfahren neu aufgerollt werden muss und Mollath frei kommt.

Seine Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg aus dem Jahr 2011, nach denen er weiter in der Psychiatrie bleiben musste. Nach Ansicht der Karlsruher Richter verletzen diese Mollaths Grundrecht auf Freiheit in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. "Die in den Beschlüssen aufgeführten Gründe genügen nicht, um die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers zu rechtfertigen." Der Fall wurde deshalb zur erneuten Entscheidung ans Oberlandesgericht Bamberg zurückverwiesen.

Die Karlsruher Richter bemängelten unter anderem, dass die Gerichte in Bayreuth und Bamberg nicht konkret genug dargelegt hätten, warum von Mollath auch künftig eine Gefahr ausgehe. Das Landgericht habe sich außerdem nicht damit auseinandergesetzt, dass die Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten von der mündlichen Anhörung deutlich abwichen. Auch habe das Gericht keine eigene Prognose erstellt, sondern dies dem Gutachter überlassen. Außerdem sei Entlastendes zugunsten Mollaths nicht erkennbar berücksichtigt worden. Das Gericht habe schließlich nicht ausreichend geprüft, ob es Alternativen zur Unterbringung in der Psychiatrie gab.

Mollaths Anwalt Gerhard Strate bewertete diese Argumentation als "sehr harten Tobak". Für die Lebenssituation seines Mandanten habe die Entscheidung zwar keine direkte Auswirkungen. "Aber es ist atmosphärisch bedeutend."

Rechtsanwalt Michael Kleine-Cosack, der Mollath vor dem Verfassungsgericht vertreten hatte, übte harte Kritik an Ministerin Merk und der Justiz in Bayern. Die Richter hätten Mollath mit "unverantwortlicher Leichtfertigkeit" eingewiesen und trotz neuer Erkenntnisse mit "stupendem Starrsinn an ihren Fehlentscheidungen festgehalten". Der Beschluss aus Karlsruhe sei aber auch eine "Ohrfeige" für Merk. Sie habe zu lange an den unhaltbaren Unterbringungsentscheidungen festgehalten. "Sie hatte verfassungsblind, inhuman und "hasenherzig" die neuen Erkenntnisse und Menschenrechtsverstöße der bayerischen Justiz ignoriert."

"Schallende Ohrfeige" für Beate Merk

Auch die bayerische Opposition reagierte prompt: Die Entscheidung sei eine "schallende Ohrfeige" für Merk und die CSU, sagte die Vizevorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Inge Aures. Die Justiz habe Mollath mit Wissen der Ministerin als gefährlichen Irren abgestempelt. Merk habe die "Freiheitsrechte eines Bürgers mit Füßen getreten". Grünen-Fraktionschef Martin Runge kritisierte: "Auch kam es in den Verfahren vor bayerischen Gerichten zu krachenden Rechtsfehlern bis hin zur Rechtsbeugung."

Florian Streibl (Freie Wähler) bilanzierte: "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine Klatsche für die bayerische Justizministerin. Es rückt den Skandal in Bayern wieder zurecht, aber es ist traurig, dass es eines Karlsruher Urteils dazu bedurfte."

Justizministerin Merk selbst bewertete die Entscheidung des Verfassungsgerichts hingegen als Beweis für das Funktionieren des Rechtsstaats. "Richter kontrollieren Richter. Auch in diesem Zusammenhang hat man gesehen, dass diese Kontrolle der Gerichte funktioniert", sagte sie.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will wegen des Falls Mollath nun so schnell wie möglich schärfere Vorschriften für die Zwangsunterbringung in der Psychiatrie. "Das Risiko, zu lange zu Unrecht in der psychiatrischen Unterbringung zu landen, ist zu hoch."

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