Auf Engelspfaden durch Steinackers Werk

27.5.2011, 19:06 Uhr
Auf Engelspfaden durch Steinackers Werk

© Barbara Mäderer

In Kooperation mit der Kunstgalerie Schloss Spielberg und dem Kunstmuseum Donau-Ries in Wemding präsentiert die Regens-Wagner-Einrichtung Absberg 32 Plastiken und Gemälde, die die zentralen Motive im Werk Ernst Steinackers – Mensch, Paar, Antlitz, Engel und Auferstehung – umkreisen. Sie spannen einen zeitlichen Bogen von 1984 bis 2004 und umfassen damit zwei Jahrzehnte einer reichen Schaffensperiode.

„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“ Mit dieser Aussage von Paul Klee lässt sich das Wesen der Werke Ernst Steinackers wohl am besten charakterisieren. Menschen und Gesichter sind ein wesentlicher Bestandteil im Oeuvre Steinackers. Mädchen, Frauen, Männer und Paare, in der Malerei wie auch in der Plastik. Steinacker inte­ressierte sich jedoch nicht für den Menschen in seiner Individualität, sondern dafür, was seine Individualität ausmacht. Auf den Gesichtern drücken sich archaische Mimik und Gefühle aus. Die still, mit weit geöffneten Augen schauenden Menschen wirken wie entrückt, fast als wären sie Maske. Trotzdem geht keine Kälte von ihnen aus, sondern ein warmes Strahlen. Menschliche Wärme durchdringt die strenge, reduzierte Form, und heraus scheint vollendete innere Schönheit. Der absolute, ideale Mensch, Gottes Schöpfung und sein Ebenbild.

Begegnung mit Engelsfiguren

Der 1919 in Wemding geborene Ernst Steinacker entstammte einer bäuerlichen, tief im christlichen Glauben verwurzelten Familie. Der Kirchgang nach Maria Brünnlein und die dortige spirituelle Begegnung mit den Engelsfiguren haben ihn stark geprägt, betonte er immer wieder. In ihm reifte der Wunsch, den Schöpfer mit bildnerischen Mitteln zu ehren. Die „Sehnsucht nach Schönheit und Liebe im Glanz des Ewigen“ hat Steinacker nie mehr losgelassen und durch eine Steinmetz-Lehre, die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und das Studium an der Stuttgarter Akademie der Künste hindurch begleitet bis zuletzt. Sein reiches Schaffen begann mit naturalistischen Abbildungen. Doch bald spürte er, dass er damit nicht in das Wesen der Dinge vordrang. So begann er, die Form nach und nach bis hin zur Stilisierung ins Idolhafte zu reduzieren. Aus der ständigen Suche nach der Substanz der menschlichen Existenz heraus entstand aus der einzelnen Figur das Menschenpaar.

Auf Engelspfaden durch Steinackers Werk

© Barbara Mäderer

Näherten sich in den früheren Arbeiten des Künstlers Mann und Frau noch voller Harmonie, so wuchsen sie in den späteren Jahren gleich dem platonischen Mythos vom Ursprung der Liebe immer näher zueinander, wurden eine Form, ein Gesicht und verschmolzen zu einer Seele. Nach dem Umzug nach Schloss Spielberg Mitte der 80er-Jahre wuchsen endlich aus den Menschenpaaren die Engelbilder und Engelskulpturen, die Steinacker schließlich zu seinem letzten großen Thema, der „Freude der Auferstehung“, führten. Was sich bereits in allen früheren Werken, Gesichtern, Paaren und Engeln, andeutete, wird nun Gewissheit. Alte Ordnungen brechen auf. Das Unten kehrt sich nach oben. Formlose Lichtgestalten schweben schwerelos zwischen Himmel und Erde, göttlichen Symbolen, Palmzweigen und den Gestirnen. Musizierend tun sie ihre Freude über die endgültige Verwandlung der Materie in Geist kund.

Leise Zwischentöne

„Wir haben gespürt, dass sich die Arbeiten unseres Vaters hier sehr wohl fühlen,“ äußerten sich Annette Steinacker-Holst und Veit Steinacker lobend über die Präsentation in Gunzenhausen. Es ist eine kleine, intime Ausstellung geworden. Sie setzt auf leise Zwischentöne, gewährt dabei aber doch einen überraschend guten Einblick in das Lebenswerk des fränkischen Bildhauers und Malers. Das liegt vor allem daran, dass sowohl die Kunstgalerie auf Schloss Spielberg als auch das Kunstmuseum Donau-Ries hochkarätige Werke als Leihgabe zur Verfügung gestellt haben. Die Schau ist in fünf kleine Räume gegliedert, in denen die Veranstalter mit Farben nicht gegeizt haben. Jeweils versetzt zu den Farbstufen in den Bildern und Plastiken blickt der Besucher auf eine blaue, eine weiße, eine rote oder eine gelbe Wand als Projektionsfläche für die eigenwilligen, farbenprächtigen Werke des 2008 verstorbenen Künstlers. Der letzte Raum ist der kleinste, aber auch der schönste.

Schwerelose Engelbilder in zartem Gold, Gelb und Grün künden auf dem frischen Grün des Frühlingserwachens von der freudigen Erwartung der Auferstehung. Wie ein Symbol für die Erfüllung einer lebenslangen Suche wächst hoch aufragend der „Auferstehungsengel“ aus dem Boden. In den Farben der Freude und Hoffnung, gelb und grün bemalt, erfuhr eines der letzten Werke Steinackers eine weitere radikale Reduktion der Form bis ins Geometrische. In erhabener Ruhe, einem Monument gleich, steht er da und lauscht den überirdischen Klängen der musizierenden Boten Gottes schräg gegenüber. Keine Symphonie tönt aus den kleinen Räumen, aber eine wunderbare Kammermusik. „Nur eben so viel möchte ich erreichen, dass es einen aufmerksam Schauenden erfreuen kann“, schrieb Steinacker in seinen Notizen. Und das ist in der Gartenstraße gelungen. Selbst der Garten ist in die Schau einbezogen worden. Zwischen alten Fichten spielt ein anmutiges Paar im Gleichklang die Flöte, Adam, das Urbild des Menschen schließt wie in einer Innenschau die Augen. Daneben strahlt ein doppelseitiges Frauenidol in üppigen, harmonischen Formen reine Sinnlichkeit aus.

Skulpturenweg mit zehn Stationen

Eine Lichtbildschau mit Impressionen aus dem Schaffen Ernst Steinackers, konzipiert von dessen Sohn Leonhard, ist im nahe gelegenen Pavillon während der Öffnungszeiten zu sehen. Kunsthaus und Skulpturengarten sind Ausgangspunkt für einen Skulpturenweg durch Gunzenhausen und Umgebung. Der Pfad, den Regens Wagner Absberg in Zusammenarbeit mit der Stadt Gunzenhausen entwickelt hat, führt auf zehn Stationen zu Werken Ernst Steinackers im öffentlichen Raum. Wer sich von den Menschen, Paaren und Engeln hat bezaubern lassen, dem sei die Kunstgalerie Schloss Spielberg empfohlen. Ernst Steinacker renovierte in den 80er-Jahren die baufällige ehemalige Stauferburg und machte sie mit Figurenwiese und -garten zu einem Gesamtkunstwerk. Viele seiner Werke sind auch im Kunstmuseum Donau-Ries und im Kloster Heidenheim zu sehen.

„Wer bist Du, der Du mir so nahe bist?“ – Werke von Ernst Steinacker, bis 16. Oktober, Mittwoch bis Sonntag 13 bis 16.30 Uhr mit gleichzeitiger Öffnung des Kunstcafés, oder nach telefonischer Vereinbarung, Gartenstraße 18, Gunzenhausen. Infos: www.regens-wagner.de, Telefon 09831/6194-0.

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