Bäckermeister Herzog zur Corona-Krise: "Der Konsum wird sich verändern"

10.2.2021, 07:58 Uhr
Kein schöner Anblick ist für Alexander Herzog sein geschlossenes Café in Muhr am See. Er hofft, hier bald wieder Gäste empfangen zu dürfen.

© Tina Ellinger, NN Kein schöner Anblick ist für Alexander Herzog sein geschlossenes Café in Muhr am See. Er hofft, hier bald wieder Gäste empfangen zu dürfen.

Auch an den weiteren großen Café-Standorten der Bäckerei-Konditorei Herzog in Absberg und Weißenburg ist der Betrieb eingestellt. "Da brechen von heute auf morgen 30 bis 50 Prozent des Umsatzes weg", erklärt der Bäckermeister, schiebt aber gleich hinterher: "Wir sind in der glücklichen Lage, mit der Bäckerei ein zweites Standbein zu haben." Und hier läuft der Verkauf weiter, der Konsum von Brot und Semmeln ist sogar gestiegen, auch das Weihnachtsgeschäft konnte sich sehen lassen.

Große Solidarität im Betrieb

Eingebrochen sind dagegen die Lieferungen an Hotels und gastronomische Einrichtungen, die ebenfalls geschlossen sind und keine Ware brauchen. So gibt es insgesamt weniger zu tun, und Alexander Herzog setzt auf Kurzarbeit als "arbeitsplatzerhaltendes Instrument", wie er betont. In Anspruch nimmt er es "so viel wie nötig, so wenig wie möglich" und freut sich über die große Solidarität unter seinen Angestellten.

Es werde untereinander viel Rücksicht auf die jeweilige persönliche Situation der Kollegen genommen, so seine Erfahrung. Da gehe dann schon mal einer freiwillig in Kurzarbeit, weil er weiß, dass die alleinerziehende Kollegin dringend auf das volle Gehalt angewiesen ist. "Der Zusammenhalt ist echt toll", betont er und fühlt sich in seiner Philosophie bestätigt, viel und offen mit seinen Mitarbeitern zu kommunizieren. "Das ist seit Corona noch intensiver", sagt der Chef von rund 100 Leuten, die er alle persönlich kennt. Er spüre, wenn jemanden der Schuh drückt.


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Großen Respekt zollt er seinen Leuten im Verkauf, die sich weder durch immer neue Regeln und geänderte Vorschriften noch durch so manch unschöne Situationen im Laden aus der Ruhe bringen lassen: "Wie die das alles kommunizieren, muss ich echt bewundern."

Familiären Charakter bewahren

Den familiären Charakter seines Betriebs zu bewahren, das hat er sich auf die Fahnen geschrieben und so auch bis zuletzt versucht, die Mitarbeiterversammlung im Herbst als analoge Veranstaltung durchzuziehen. Aber dann, Ende Oktober, "habe ich mich doch nicht mehr getraut und schließlich zu einer virtuellen Versammlung eingeladen". Eine schöne Alternative, aber "Präsenz ist schöner", zitiert der 39-Jährige aus einer Umfrage unter den rund 70 Teilnehmern.


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Die Schließungen im Frühjahr nutzte Alexander Herzog, um "Dinge umzusetzen, über die schon länger diskutiert wurde, für die man aber im normalen Betrieb nie Zeit hatte". Beispielsweise wurde das Sortiment gestrafft, Arbeitsabläufe wurden optimiert, Schichten getrennt. "Die Arbeit soll für jeden hier so leicht und angenehm sein, wie es geht", lautet seine Devise.

Wie optimistisch er in die Zukunft blickt, beweisen seine Pläne: Am 25. März eröffnet er im Rewe-Supermarkt in Merkendorf eine neue Filiale. "Da ist auch in Krisenzeiten ein sicherer Absatz möglich, und es ist ein sicherer Arbeitsplatz", zeigt er sich überzeugt. Auch neues Personal hat er schon eingestellt. "Ich bin ein positiver Mensch, aber nicht blauäugig", meint Alexander Herzog, der nicht verkennt, dass die aktuelle Situation für andere Branchen viel problematischer ist.

Vorsitzender der Gunzenhäuser Wirtschaftsjunioren

"Friseure zum Beispiel trifft es viel härter. Der Umsatz ist weg, das kann man nicht nachholen", macht der Unternehmer deutlich, der nicht nur seinen Betrieb leitet, sondern sich auch als Vorsitzender der Gunzenhäuser Wirtschaftsjunioren, im Stadtmarketingverein und der IHK engagiert. Er sitzt also an der Quelle, was die Stimmung, Sorgen und Nöte der Selbstständigen angeht.

Dringend nötig sei eine Perspektive, auch wenn er seine Unternehmerkollegen als "grundsätzlich positiv eingestellt" einschätzt. "Wir wollen alle das Beste aus der Situation machen, aber wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, kann man nicht mehr positiv sein", macht er klar: "Unplanbarkeit macht die Leute mürbe."


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Nicht ohne Sorge blickt er auf die wirtschaftliche Situation in Gunzenhausen, wo nach seinen Worten aktuell um die 1000 Arbeitsplätze gefährdet sind und in der nächsten Zeit wohl auch Insolvenzen drohen. "Die Kaufkraft wird zurückgehen und sich der Konsum verändern." Gäste, die jetzt einmal pro Woche zum Frühstücken ins Café gehen, kommen dann vielleicht nur noch einmal im Monat.

Will Gunzenhausens Innenstadt lebendig halten

Mit seinem Engagement in den Wirtschaftsverbänden will er andere Betriebe unterstützen und sich dafür einsetzen, die Innenstadt Gunzenhausens lebendig zu halten. "Wir müssen zusammenhalten und uns gegenseitig helfen", so sein Appell an die Unternehmer, gemeinsame Sache zu machen. Ein wichtiger Baustein ist für ihn das Onlineportal Altmühlfranken, das sich gerade im Aufbau befindet.


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Ziel ist es, die regionalen Betriebe im Internet sichtbar zu machen, zu zeigen, dass sie da sind. Die Möglichkeiten reichen dabei von einer reinen "Schaufenster-Funktion" bis hin zum Online-Shop. "Für 30 Euro im Monat sollte man da nicht lange überlegen. Das ist eine tolle Sache", rührt er für dieses Projekt, das auch einen Lieferdienst beinhaltet, die Werbetrommel.

Der Regionalitätsgedanke sollte verstärkt auch bei Nahrung Einzug halten, wünscht sich Alexander Herzog: "Wir haben geile Lebensmittel vor Ort", ist er sicher. Er selbst setzt bei seinen Backwaren wo immer möglich auf Rohstoffe aus der Region. Das habe sich im Lockdown durchaus bezahlt gemacht, habe er sich doch keine Sorgen um Nachschub machen müssen: "Die regionalen Lieferketten haben – anders als manch internationale – immer funktioniert.