Barrierefreiheit hat Priorität

6.9.2018, 06:00 Uhr
Barrierefreiheit hat Priorität

© Marianne Natalis

Eigentlich entsteht der Nahverkehrsplan hinter verschlossenen Türen. Der Arbeitskreis, in dem Vertreter der Busunternehmer, Landrat, Kreisräte, die Gunzenhausener Stadtwerke und natürlich Handl selbst sitzen, tagt aus gutem Grund nichtöffentlich: So sind „sachorientierte Diskussionen“ möglich, erläutert Landrat Gerhard Wägemann im Gespräch mit unserer Zeitung, man komme in der Arbeit „vernünftig voran“.

Der Rufbus feiert Premiere

Eine Ausnahme war heuer der Rufbus, der mit Beginn des Jahres 2019 in Gunzenhausen seine landkreisweite Premiere erleben wird. Ein solches Vorhaben muss im Nahverkehrsplan verankert werden, sonst gibt es keine Zuschüsse, die dringend benötigt werden. Da bei einem Projekt dieser Größenordnung auch Stadtrat und Kreistag ein Mitspracherecht haben, war das Vorhaben schon lange in aller Munde. Tatsächlich steht in der bereits dritten Überarbeitung des Nahverkehrsplans aber nicht eine Ausweitung des Angebots im Fokus, sondern Barrierefreiheit.

Bis 2022, so die Vorgabe, soll der öffentliche Personennahverkehr barrierefrei sein. Weitgehend zumindest, macht Handl gleich deutlich, denn nicht jede Haltestelle im Landkreis wird bis zum Stichtag entsprechend ausgebaut sein, „das können wir uns gar nicht leisten“. Haltestellen etwa, an denen noch nie ein Rollstuhlfahrer in den Bus wollte, haben nicht oberste Priorität. Allerdings meint Barrierefreiheit nicht nur freie Bahn für Rollstuhlfahrer. Gedacht wird dabei, betont Wägemann, ebenso an gehbehinderte Senioren, Mütter mit kleinen Kindern oder Sehbehinderte. Im Arbeitskreis geht es nun darum, Prioritäten festzulegen, das heißt, die Haltestellen vordringlich barrierefrei auszubauen, die entsprechend frequentiert werden.

Gunzenhausen ist hier schon in Vorleistung gegangen und hat bereits 2016 zwei Haltestellen in der Innenstadt barrierefrei ausgebaut. Nicht nur Gehbehinderte können hier ohne Probleme in den Bus einsteigen, Sehbehinderten hilft ein entsprechendes Rillenleitsystem weiter. Daran sollte laut Handl künftig beim Ausbau von Haltestellen unbedingt gedacht werden.

Nicht nur Experten sollen bei der Nahverkehrsplanung zu Wort kommen, sondern auch bestimmte Gruppierungen, wie etwa die Behindertenverbände. Deshalb ist die Behindertenbeauftragte am Landratsamt, Monika Eisenmann, auch ein festes Mitglied im Arbeitskreis. Darüber hinaus wurde eine große Sitzung mit Vertretern aller Behindertenverbände im Landkreis einberufen, um deren Wünsche abzurufen.

Nicht alles, was dort gefordert wurde, lässt sich auch tatsächlich umsetzen, machen Wägemann und Handl klar. So werden zum Beispiel Bildschirme an den Haltestellen gefordert, an denen die Fahrpläne nicht nur gelesen, sondern auch gehört werden können. Was wünschenswert wäre, gibt allerdings das ÖPNV-Budget im Landkreis sicher nicht her.

Der ÖPNV ist eine komplizierte Sache, denn die Buslinien in Weißenburg-Gunzenhausen müssen mit dem überörtlichen VGN-Netz abgestimmt sein. Vertreter des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg sind deshalb auch in die örtliche Nahverkehrsplanung eingebunden, willkürliche Fahrplanänderungen sind in dem feingesponnenen Liniennetz nicht möglich.

Außen vor bleibt dabei die Schiene, beim Bahnverkehr hat der Landkreis kein Mitspracherecht. Aber der hat natürlich auch Auswirkungen. So wird die geplante Reaktivierung der Hesselbergbahn an der Buslinie nach Wassertrüdingen nicht spurlos vorübergehen. Wie die Zuglinie in das bestehende und gut funktionierende System eingebunden werden kann, ist Handl und Wägemann noch schleierhaft. Klar ist aber, dass beispielsweise Haltestellen in Unterwurmbach und Cronheim Folgen für die Linie 829 haben werden, denn sogenannte Parallelverkehre sind im ÖPNV unerwünscht. Die Linie 829 aber ist eine eigenwirtschaftliche, das heißt, sie fährt kein Defizit ein.

Eine komplizierte Sache

Bereits jetzt gilt: Der Schienenverkehr ist für den Landkreis ein ganz wichtiges Standbein im ÖPNV-Netz. Gut 50 Prozent der Bevölkerung wohnen im Einzugsgebiet (bis zu drei Kilometer) einer der zehn Bahnhöfe und Haltepunkte, die es derzeit in Altmühlfranken gibt. Vor allem die Strecke zwischen Treuchtlingen und Nürnberg ist für die Landkreisbewohner ein echter Gewinn, sie können halbstündlich in die Noris fahren. Das war auch ein Grund, warum sich der Landkreis nie um eine eigene S-Bahn-Linie bemüht hat, erläutert Wägemann.

Als 1999 der erste Nahverkehrsplan im Landkreis an den Start ging, stand die Einbindung der Schülerverkehre in den ÖPNV an vorderster Stelle, 2012 wurde das Anrufsammeltaxi eingeführt. Mit dem Rufbus in Gunzenhausen wird der Nahverkehr in Altmühlfranken nun um ein weiteres Angebot erweitert. Das Projekt hat durchaus Potenzial für die anderen Städte im Landkreis, zunächst aber sollte man laut Handl in Gunzenhausen zwei bis drei Jahre Erfahrungen sammeln.

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