"Der Aberglaube spielt in meiner Mannschaft eine Rolle"

17.3.2018, 07:50 Uhr

© Foto: Mathias Hochreuther

Herr Rieger, der TV spielt an den letzten vier Spieltagen als Tabellenführer gegen seine vier direkten Verfolger. Für den neutralen Beobachter eine sehr schöne Konstellation, wie geht es dem Trainer dabei?

Christian Rieger (lacht): Der Trainer hat dabei ein bisschen Herzflattern und ein flaues Gefühl im Magen. Es ist eine sehr spannende Tabellensituation und unsere Gegner haben am vergangenen Wochenende auch noch gemeint, sie müssen uns einen Elfmeter bescheren. Aber jetzt gehen alle mit noch mehr als hundert Prozent in die Spiele gegen uns. Mit Wendelstein und Roßtal II sind zwei Mannschaften dabei, die aufsteigen wollen und können. Nicht aufsteigen können Schwabach/Roth II und Ansbach II, weil deren erste Mannschaften in der BOL spielen. Grundsätzlich schaut es so aus, dass nur die drei Erstplatzierten der Tabelle aufsteigen können und es gibt keinen Nachrücker. Das heißt, wenn Schwabach/Roth und Ansbach unter den ersten Drei sein sollten, gibt es nur einen Aufsteiger aus der Bezirksliga und weniger Absteiger aus der Bezirksoberliga. Mir wäre es natürlich am liebsten, wenn wir in Roßtal gewinnen, dann könnten wir eine Woche später mit einem Heimsieg gegen Ansbach II den Aufstieg perfekt machen. Und dieses vorletzte Heimspiel am 24. März wird von uns in der Handballabteilung mit der "Red Night" auch hoch gehängt und beworben, wir haben die Partie extra von der Stephani-Halle in die größere Gymnasiumhalle verlegt und hoffen auf 250 bis 300 Zuschauer Wir haben uns auch ein Rahmenprogramm einfallen lassen (Bericht dazu folgt, d. Red.).

Beim aktuellen Gegner aus Roßtal weiß man ja, wie man aufsteigt, die erste Mannschaft ist erst kürzlich als BOL-Meister in die Landesliga zurückgekehrt. Kann das auch Auswirkungen auf die zweite Mannschaft haben?

Rieger: Ja, gewaltige. In der stark besetzten Ersten sind diverse Jugendspieler dabei, die auch in einer zweiten Mannschaft auflaufen könnten. Inwieweit das Roßtal praktizieren wird, weiß ich nicht. Bisher haben sie versucht, eine klare Trennung zwischen erster und zweiter Mannschaft hinzubekommen. Der TV Roßtal ist ein ehrlicher Verein, man kann sich aber trotzdem nicht sicher sein, auf wen man trifft. Roßtal II hat sehr gute Spieler dabei, die es am vergangenen Wochenende in Rothenburg (26:22) aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht geschafft haben, ihr Potenzial auf die Platte zu zaubern. Es wird aber sehr schwer für uns, die Halle wird voll sein, weil ihre Erste danach spielt. Und bei uns fehlen mit Jonas Lüther und Florian Hanselmann zwei wichtige Spieler auf Rückraum Mitte. Roßtal ist aufgeregt, wir sind aufgeregt. Es wird ein heißer Tanz und ein Spiel auf Augenhöhe, ich kann mir vorstellen, dass es sich erst in den letzten Sekunden entscheiden wird.

Roßtal ist ja nicht die einzige Mannschaft, die vergangene Woche gepatzt hat. Wendelstein hat das Spitzenspiel gegen Schwabach/Roth verloren, Ansbach in Altenberg. Ein Zeichen, dass es im Endspurt vor allem auf die Nerven ankommt?

Rieger: Meines Erachtens ja. Bei Ansbach kann ich mir aber vorstellen, dass es eher damit zu tun hat, dass die nichts zu gewinnen und zu verlieren haben, Ansbach kann nicht hoch. Die Niederlage von Wendelstein war für mich überraschender. Schwabach hat ja auch noch in Wendelstein gewonnen, und die haben nicht unbedingt das Niveau von Wendelstein. Aber Wendelstein wird auch Nerven zeigen. Diese Kopfgeschichte, die auch an uns nicht vorbeigeht, ist auch in den anderen Köpfen drin.

Ist diese Kopfsache im Fall des TV auch eine Frage von Heim- und Auswärtsspielen? Ihr habt auswärts zweimal verloren und zweimal Unentschieden gespielt, daheim aber alles gewonnen. Was macht diese Heimstärke aus?

Rieger: Das Publikum! Und Aberglaube. Der spielt in meiner Mannschaft tatsächlich eine ganz große Rolle. Wir haben Spieler dabei, da geht es darum, welchen Schuh zieh ich mir als Erstes an, den rechten oder den linken. Manche tragen ihre Kette noch beim aufwärmen, erst beim einwechseln kommt sie runter. Die Farbe des Trikots ist auch entscheidend. Und die Trikotfarbe zuhause ist rot – und in Rot haben wir noch nie verloren. Wenn wir auswärts mit schwarzen Trikots auflaufen müssen, ist in manchen Köpfen drin, ‘oh, da kann man auch verlieren’. Aber vor allen Dingen ist es das wahnsinnige Publikum. Ich bin zwar an der Seitenlinie im Tunnel und kriege nichts mit. Aber viele meiner Spieler nehmen das wahr und lassen sich Gottseidank davon sehr positiv beeinflussen. Und da wir in Sachen Publikum in Gunzenhausen momentan einen Hype haben, wirkt sich das auch bei der Punktausbeute aus.

Die Zuschauerzahlen haben sich im Lauf der Saison nach oben entwickelt, mit dem Höhepunkt des Hinspiels gegen Roßtal II mit rund 250 Zuschauern. In den letzten beiden Jahren gab es in der Bezirksliga für den TV hintere Platzierungen, 2015 stand der Abstieg aus der Bezirksoberliga. Was hat sich denn im Gunzenhäuser Handball zuletzt gewandelt?

Rieger: Wir spielen erfolgreich, und es macht natürlich mehr Spaß, einer erfolgreichen Mannschaft beim spielen zuzuschauen. Und der Erfolg hat einen Grund: Wir haben zwar die gleichen Spieler wie die Jahre zuvor, aber diese Spieler trainieren zusammen. Peter Kieslich, mein Vorgänger als Trainer, hatte am Mittwoch fünf, am Freitag vier Spieler im Training – und das waren auch noch unterschiedliche. Was soll ich denn da für ein Training anbieten, das ist nichts anderes als Bewegungstherapie. Jetzt sind wir in jedem Training zwischen zehn und 16 Spieler, da kann ich ganz anders trainieren. So kann ich aus einem schlechten Dorfverein die etwas bessere Mannschaft machen. Und dann hängt der Hype, glaube ich, auch sehr stark von einer ordentlichen Öffentlichkeitsarbeit ab, ob in der Tageszeitung, bei Facebook oder sonstigen Medien. In der Vergangenheit hat es manchmal Berichte gegeben, manchmal nicht, das wollten wir ändern, und das merkt man auch an den Rückmeldungen. In der Arbeit werde ich von Leuten angesprochen, bei denen habe ich nicht mal gewusst, dass sie Zeitung lesen oder bei Facebook präsent sind. Es dringt in die Öffentlichkeit und das müssen wir nutzen. Es werden auch wieder andere Zeiten kommen. Wenn wir es schaffen sollten aufzusteigen, werden auch wieder Niederlagen kommen. Aber das ist Zukunftsmusik.

Trotzdem, was würde denn ein Aufstieg in die BOL für den Handball im TV bedeuten. Auch für die Jugend, da kann sich die Arbeit ja sehen lassen...

Rieger: Richtig, unsere männliche Jugend ist in der aktuellen Saison von den Minis bis zur A-Jugend durchgängig mit schlagkräftigen Mannschaften besetzt. Im weiblichen Bereich ist es ähnlich, da wird es aber ein paar Änderungen geben. Wir haben durch die Unterstützung der Stadt tolle Optionen, was die Hallenkapazitäten anbelangt. Wir haben künftig im Erwachsenenbereich durch das Fitness-Center im TV-Haus tolle Optionen, was das Training außerhalb der Halle anbelangt. Ein Manko ist aber die Unterstützung durch wollende Trainer. Da waren wir in dieser Saison kurz davor, eine spielfähige Jugendmannschaft abmelden zu müssen, weil wir keinen Trainer gefunden haben. Dieses Problem hat sich Gottseidank gelöst, weil es das Schlimmste ist, willige Kinder heimzuschicken. Das A und das O sind die Kümmerer.

Ist das auch eine Geldfrage?

Rieger: Nein. In Sachen Trainer gibt es keine Geldfrage, Gunzenhausen zahlt keine Gelder für irgendwelche Trainer, das ist alles Ehrenamt. Würden wir einen externen Trainer holen und Geld in die Hand nehmen, wäre das ein Quantensprung – aber in die falsche Richtung. Das würde gegen die Philosophie unserer Abteilung sprechen, das passt nicht. Gleiches gilt für Spieler. Wenn ein Spieler zu uns kommen und den Aufwand betreiben will, wenn ihm Trainer, Mitspieler und die äußeren Umstände gefallen, kann er vielleicht eine Fahrtkostenabrechnung stellen. Aber ansonsten wird kein Geld in die Hand genommen.

Abschließende und wichtigste Frage: Mit welcher Trikotfarbe läuft der TV heute in Roßtal auf?

Rieger (lacht): Rot!

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