"Die Kunst der Glosse" in Gunzenhäuser Druckerei

30.10.2017, 05:52 Uhr

© Marianne Natalis

Dass dabei auch die eine oder andere Träne floss, war den Autoren sichtlich nicht unangenehm. Es muss ein tolles Gefühl sein, vor einem Publikum zu sitzen, das sich vor Lachen auf den Stühlen krümmt und nach dem Taschentuch greift. Die Welt ist schließlich, so Hans-Peter Kastenhuber, ernst genug. Gerade in schwierigen Zeiten – und wann sind sie das nicht — sollte der Leser auch gut unterhalten werden. Das war nach Worten des NN-Redakteurs der Grundgedanke, als die Nürnberger Nachrichten vor rund neun Jahren die tägliche Glosse auf der Seite 2 als feste Rubrik einrichteten.

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Seitdem sorgt die meist am fortgeschrittenen Nachmittag gestellte Frage, wer eigentlich heute die Glosse schreibe, in regelmäßigen Abständen für kleine Panikattacken in den Nürnberger Redaktionszimmern. Hat man eine Idee, ist das Glossenschreiben nicht so schwer, erfahren die Zuhörer aus berufenem Munde, doch manchmal liefern selbst die sogenannten "bunten Meldungen" der Presseagenturen keinen hübschen Aufhänger. Da bleibt dann nur der Griff ins Private oder eben der Blick aus dem Fenster. Der fällt bei Hans-Peter Kastenhuber auf den Willy-Brand-Platz. Nicht eben ein Ort, wo sich das geballte Leben trifft. Ausgerechnet dort stellte nun aber die SPD kurz vor der Bundestagswahl einen Stand auf – was den Reporter zu der Glosse "Warum die SPD die Wahl gewinnt" anregte.

Hans-Peter Kastenhuber und Peter Schmidt waren auf Einladung der Gunzenhäuser Kulturmacherei in die Altmühlstadt gekommen, für beide auch eine Rückkehr an ihren Ausgangspunkt. Kastenhuber ist gebürtiger Gunzenhäuser und seit vielen Jahren bei den Nürnberger Nachrichten, Peter Schmidt wuchs in Ansbach auf und verbrachte seine ersten Redakteursjahre beim Altmühl-Boten, bevor er dem Ruf des Münchner Merkurs folgte. Im Rahmen des Erzählfests stellten sie nun Perlen ihrer täglichen Arbeit vor.

Die Ehefrau 2.0

Die Kunst des Erzählens ist "die kommunikative Kulturtechnik" der Menschheit und kann als solche erst "von Angesicht zu Angesicht, im zwischenmenschlichen Kontakt" wirken, hatte Kristy Husz in ihren einführenden Worten unterstrichen. "Vielleicht", griff Peter Schmidt diesen Faden auf, "schreiben wir deshalb so gerne Glossen." Sie böten dem Journalisten die Möglichkeit, aus dem Alltag des Faktenberichtens auszubrechen und einfach zu erzählen. Dass einem dabei die Themen "erstaunlich schnell ausgehen", wenn man es über Jahre mache, davon ist in der Druckerei Emmy Riedel nicht viel zu merken. Von der "Kammer des Schreckens" (die Garage des neuen Hausmeisters, vollgestopft mit Maschinen, die es zusammen auf rund 5000 Dezibel bringen) über das "Smarthome" eines Bekannten (der mit dem Handy nicht nur die Heizung anschmeißen kann, sondern auch dafür sorgt, dass der Kühlschrank gefüllt, das Essen gekocht und die Kerzen auf dem Tisch angezündet sind: Er hat daheim eine Ehefrau 2.0. Ehemann 1.5 ist allerdings noch nicht ausgefeilt, beim Müll runterbringen stürzt er manchmal ab) nimmt Schmidt die Zuhörer mit bis zu seiner Kaffeemaschine.

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An der hängt der Journalist, erfahren sie da, "wie der Junkie an der Nadel". Weshalb der Chefreporter des Münchner Merkurs in seinen vielen Berufsjahren auch schon so einige Sorten Kaffeepads ausprobiert hat. Als nun seine Ehefrau aus einem schwedischen Möbelhaus mit einem Karton voller Pads heimkehrte, regten sich bei ihm doch erhebliche Zweifel. Vor seinem inneren Auge tauchten Kaffeepulver, Kleber, Papierbögen, eine Zeichenschablone und eine kleine Schere auf, die es galt, zu funktionsfähigen Kaffeepads zusammenzubasteln. Doch beim Öffnen der Verpackung fiel nicht einmal der gewohnte kleine Inbusschlüssel heraus, es waren tatsächlich fertige Kaffeepads. Wenn er sich nun in sein Arbeitszimmer zurückzieht, ertönt früher oder später der Ruf seiner Frau: "Trinkst Du noch, oder schreibst Du schon?"

Zierfische statt Hund

Nicht weniger amüsant die Kostproben von Hans-Peter Kastenhuber, der – bei eisigem Ostwind von seinem Hund vor die Haustür gezwungen – von Zierfischen träumt, nicht nur wegen der unwirtlichen Witterungsbedingungen, sondern weil Zwergbuntbarsche gemeinhin nicht dazu neigen, unter dem Javamoos in der hinteren Ecke des Aquariums irgendwelchen Unrat aufzuspüren, zu vertilgen und kurze Zeit später dem Herrchen vor die Füße zu kotzen. Vom besonders bei der Landbevölkerung beliebten Pflegeroboter (der im Gegensatz zur Schwiegertochter keine alten Rechnungen zu begleichen hat) kommt Kastenhuber zum Kauf seines ersten Smartphones. Nie waren die Alten so jung wie heute, doch es gibt immer wieder Gelegenheiten, bei denen sich auch "rüstige Endfünfziger" plötzlich uralt vorkommen. Die mitleidigen Blicke seiner Kollegen auf das alte, aber doch funktionstüchtige Handy nicht mehr ertragend, kaufte der "alte Mann" eine Tages also doch einen dieser Wischapparate. Zuhause wollte er die Sim-Karte einlegen, fand aber weder das dafür vorgesehene Fach, noch geeignetes Werkzeug für die winzigen Schrauben an der Unterseite. Am Ende der Glosse verlässt der alte Mann den Laden "als Greis". Wenn alle Stricke reißen, macht sich der Journalist halt auch mal zum Gespött der Leser.

Dass die Druckerei Emmy Riedel ein passender Rahmen für kulturelle Veranstaltungen ist, zeigte sich nicht zuletzt an der hervorragenden Akustik, die auch von den Musikern der Gruppe "Bellwood" gelobt wurde. Doreen Puchta, Jutta Pfeuffer und Robert Walch rundete den Abend mit wunderbar entspannten Liedern wie "The Letter" oder "Leaving on a Jet Plane" ab.

Die 131 besten Glossen von Hans-Peter Kastenhuber und seinen NN-Kollegen, illustriert von Gerd Bauer, sind übrigens soeben in Buchform erschienen. Unter dem Titel "Ganz nebenbei …" gibt es das bei Emmy Riedel gedruckte Werk in der Geschäftsstelle des Altmühl-Boten. Viele ergriffen an diesem Abend die Gelegenheit, sich das Werk signieren zu lassen.

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