Dittenheimer war über drei Jahre auf der Walz

6.5.2017, 17:26 Uhr
Dittenheimer war über drei Jahre auf der Walz

© Uli Gruber

Im Oktober 2013 begab sich der Metallbaumeister Manuel Mährlein auf die traditionelle Walz. Nun schien er, von etlichen Zunftkollegen begleitet, am "Zieleinlauf" unweit des Wasserturms doch etwas überrascht zu sein vom Rummel um seine Person. Nicht nur alte Freunde hatten sich eingefunden, auch ihm weniger bekannte Zeitgenossen wollten die Ankunft des "verlorenen Sohns" mitverfolgen. Zum Spektakel trug maßgeblich die Dittenheimer Blaskapelle bei. Mit schmissigen Klängen wurde der ehemalige Aktive gebührend in Empfang genommen. Sein Vater Erwin hatte sogar ein Trompetensolo für die Ankömmlinge parat.

Logisch, dass es bei der anschließenden Sause in der Mehrzweckhalle jede Menge zu erzählen gab. Der damals 26-Jährige hegte den Traum, auf die Walz zu gehen, schon lange. Doch erst nach reiflichem Überlegen und unter Berücksichtigung persönlicher Lebensumstände trat er 2013 die Reise tatsächlich an. Es versteht sich von selbst, dass ein derartiges Experiment auch sorgfältig vorbereitet werden sollte. Hilfestellung leisten hier die in Deutschland als "Schächte" bezeichneten Dachorganisationen der Wandergesellen.

Zur Walz zugelassen werden nur "zünftige Gesellen" nach dem Abschluss ihrer Lehrzeit. Als weitere Bedingungen müssen die Kandidaten ledig, schuldenfrei, kinderlos, "unter 30" sowie mit einem tadellosen Leumund ausgestattet sein. Kriterien, die Manuel Mährlein allesamt aufweisen konnte. Als Meister im Fachbereich Metallbau setzte er in puncto berufliche Qualifikation sogar noch eins drauf. So stand einer Legitimation als "Rechtschaffener Maurer und Steinbauer", der kurioserweise auch die Metaller angehören, nichts im Weg. Zum unverzichtbaren "Outfit" gehören die charakteristische Handwerkerkluft sowie Stock und Bündel. Ein mitgeführtes Wanderbuch dokumentiert nicht nur die einzelnen Stationen und Arbeitszeugnisse, sondern ebenso Fotos, sonstige Utensilien und wichtige Notizen.

Bannkreis um Heimatort

Der "Fremdgeschriebene" darf im Rahmen der auch als "Tippelei" bezeichneten Wanderschaft einen Bannkreis von 50 Kilometern rund um den Heimatort nicht betreten. Im Gegensatz dazu besteht für Angehörige aber durchaus die Möglichkeit, einen Besuch irgendwo außerhalb dieser Zone zu bewerkstelligen. Des Weiteren sieht das strenge Regularium ein gepflegtes Äußeres und ordentliches Betragen vor, damit auch nachfolgende Generationen wieder gern aufgenommen werden. Bei ihrer Wanderschaft sind die Gesellen auf Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Ein gutes Image kann deshalb nur von Nutzen sein. Unterwegs sind die Wanderschwestern und -brüder meist zu Fuß oder per Anhalter. Öffentliche Verkehrsmittel sind verpönt, Reisen zu anderen Kontinenten dürfen indes mit dem Flugzeug durchgeführt werden.

Der Dittenheimer verbrachte das erste Jahr seiner Tour ausschließlich in Deutschland. Vom schönen Frankenland zog es ihn zunächst in den hohen Norden ans Meer. Für "Mani" ist die Ostsee schon seit jeher ein Traumziel gewesen. "Was für ein toller Augenblick, als ich sie dann zum ersten Mal gesehen habe", schwärmt er noch im Rückblick. In der Folgezeit führte ihn die Wanderschaft quer durch Europa. Mit einem Schuss Wehmut erinnert er sich an Aufenthalte in Österreich, Frankreich, Spanien und den Beneluxstaaten. Besonders gut gefallen hat es ihm wegen der enormen landschaftlichen Vielfalt in der Schweiz. Bei einem außergewöhnlichen Pavillon-Projekt im niedersächsischen Friesoythe konnte Mährlein seine Qualitäten als Konstrukteur einfließen lassen. In Namibia hingegen inspirierten ihn die Historie, in Marokko der Zauber des Orients.

Auch die Kontakte und Begegnungen mit den Menschen auf privater Ebene sowie im Rahmen der jeweiligen Arbeitsstationen bleiben im Gedächtnis haften. Sprachliche Barrieren stellten kein größeres Hindernis dar, wie Mährlein versichert. Durch das Kennenlernen verschiedener Kulturen, Religionen und Lebensgewohnheiten habe sich sein Horizont kontinuierlich erweitert. Auf Wanderschaft habe er gelernt, differenziert zu urteilen, sich in Toleranz zu üben und das individuelle Ego nicht permanent in den Vordergrund zu stellen: "Es entwickelt sich ein respektvolles Miteinander, vollkommen unabhängig von Herkunft, Stand oder Hautfarbe". Werte fürs Leben — für Mährlein sind sie ein wertvoller Erfahrungsschatz.

Anfang 2015 bestieg er den Flieger nach Südamerika. In der chilenischen Metropole Santiago angekommen, war er sofort fasziniert von deren pulsierender Geschäftigkeit. Bald lockte auch der Süden des Landes zwischen Andenkette und Pazifischem Ozean. Doch hinter der faszinierenden Kulisse lauern tödliche Gefahren. Die geografische Lage gestattet keine Kompromisse. Mit den Launen der Natur kamen auch Mährlein und einige Wegbegleiter in Berührung, der Ascheregen nach einem Vulkanausbruch hinterließ intensive und nachhaltige Eindrücke. Dass er von Ungemach verschont blieb, sei möglicherweise der stets mitgeführten kleinen Bibel zu verdanken.

Grenzenlos flexibel

In Chile wurde aber auch fleißig gearbeitet. Der Metallbaumeister berichtet vom abenteuerlichen Transport eines Dixi-Klohäuschens mittels Traktor in die Berge. Nicht nur hier, auch andernorts kannte die Flexibilität keine Grenzen. Geld verdiente er beispielsweise auf einem Bio-Bauernhof, als Baggerfahrer, Kunstgießer oder bei der Heuernte. Im Kieler Hansapark half "Mani" beim Aufbau der höchsten Achterbahn Deutschlands mit. Bezahlt wurden die ortsüblichen Tarife.

In heimische Gefilde zurückgekehrt will sich Manuel Mährlein erst einmal "akklimatisieren" und die Dinge auf sich zukommen lassen. Mittelfristig jedoch will er wieder "ganz normal" arbeiten gehen und eines Tages vielleicht seinen Traum von der beruflichen Selbstständigkeit verwirklichen. Alles in allem zieht der Dittenheimer eine ausschließlich positive Bilanz über die vergangenen Jahre auf Wanderschaft und zitiert sein Motto frei nach Augustinus Aurelius (Bischof von Hippo, Philosoph, Kirchenvater und Heiliger): "Die Welt ist ein Buch, und wer nicht reist, liest davon nicht eine einzige Seite."

 

Keine Kommentare