Entscheidung aus Liebe zum Theater

10.6.2017, 07:02 Uhr
Entscheidung aus Liebe zum Theater

© Forster

Im Kreuzgang wird in den letzten Jahren gerne der leichten Muse gefrönt. Intendant Johannes Kaetzler ist diesen Kurs ebenso konsequent wie geschickt gegangen, und seine Theatertruppe hat damit bereits beachtliche Musical-Erfolg erzielt. Das Zusammenspiel von Schauspiel, Tanz und Musik entfaltet einen eigenen Reiz, doch dafür braucht man wirklich gute Darsteller, die künstlerisch breit aufgestellt sind. Kaetzler hat immer wieder ein gutes Händchen bewiesen, wenn es um die Auswahl des Ensemblemitglieder ging. Daran knüpft nahtlos das berühmte Musical "Kiss me, Kate" an. Es hatte am Donnerstag Premiere und verspricht, bei den Kreuzgangspielen 2017 ein Publikumsrenner zu werden.

Musical-Macher Cole Porter verfolgte 1948 die immer wieder wunderbare Idee, über Theater im Theater zu schreiben. Da ist eine eher mittelmäßige Theatergruppe in der US-Provinz unterwegs, und zwar mit dem Shakespeare-Stück "Der Widerspenstigen Zähmung". Der unumschränkte Chef heißt Fred Graham (gespielt von Achim Conrad). Er hat es mit Lilli Vanessi (Judith Peters) zu tun. Fred und Lilli waren mal ein Ehepaar, doch die Verbindung ging krachend schief. Lilli ist sogar schon auf dem Absprung zu ihrem Verlobten Harrison Howell (Frank Jordan), einem aufstrebenden General in der Hauptstadt Washington. Und Fred hat ebenfalls eine neue "Favoritin", für die sein Herz anscheinend schlägt.

So sitzen sie in der Garderobe, die Abendvorstellung rückt näher, und es wird schon bald klar, dass die beiden doch noch mehr verbindet, als ihnen vielleicht selbst bewusst wird. Die Liebesgefühle von einst werden wieder stärker — vor allem, wenn man per Gesang die alten Zeiten hochleben lässt —, und nicht zuletzt die Liebe zum Theater verbindet die beiden.

Vor allem Lilli sieht sich in widerstreitenden Gefühlen gefangen, und die kann sie bestens ausleben bei "Der Widerspenstigen Zähmung", wo sie die Katharian spielt. Schon bald vermengt sich die Realität von Baltimore mit der Phantasiewelt, die Shakespeare geschaffen hat. Der Zuschauer weiß zuweilen nicht mehr, in welcher Zeitschiene er sich gerade befindet. Wissen es die Protagonisten auf der Bühne noch? Und die alles entscheidende Frage, ob sie ihn endlich küsst — wie es wieder und wieder gewünscht und gefordert wird — und damit ihren Widerstand aufgibt, bleibt lange unbeantwortet. Es sieht zeitweise ganz schlecht für Fred aus, er kassiert mehr als eine Ohrfeige. Doch in seiner Rolle als Petruchio weiß er sich durchaus zu helfen, und zimperlich braucht er auch nicht zu sein. Shakespeare hat es bekanntlich auch gerne mal deftig gemocht, verbal wie von der Handlung her, und das kommt an diesem Premierenabend durchaus rüber.

Entscheidung aus Liebe zum Theater

© Forster

Natürlich gibt es ein Happy End, aber erst ganz, ganz zum Schluss. Bis dahin gefallen insbesondere auch die anderen Schauspieler, von denen einige ebenfalls einmal die US-Version und dann die Shakespeare-Version geben. Vom Pförtner über die Gardroberie bis zum Inspizienten sind die Rollen stimmig besetzt, und das ist wörtlich gemeint.

Die komödiantische Seite des Stücks wird unterstrichen durch zwei Ganoven, die Spielschulden eintreiben wollen, dabei an Fred geraten und ihm zusetzen. Doch Fred dreht den Spieß um und nimmt die beiden schrägen Vögel in die Pficht. Seine Logik: Es kann nur Geld geben, wenn die Aufführungen ein Erfolg werden, und dafür muss Lilli unbedingt bleiben, darf eben nicht nach Washington "abdampfen". Also machen die Halunken notgedrungen mit, werfen sich in Strumpfhosen und sorgen für heftigste Turbulenzen. So werden Gerd Lukas Storzer und Lennart Matthiesen zu mehr als heimlichen Stars des Abends im Kreuzgang.

Was bleibt, ist der harmonische Gesamteindruck der Aufführung. Das Wetter passt super, was den Intendanten sichtlich freut. Die Musiker machen ihren Job mehr als gut, und wie fast immer in Feuchtwangen klappen die Umbauarbeiten bestens. Der Spielfluss bleibt gewahrt.

Das Publikum freut sich darüber, dass hier die Theaterkunst so elegant zelebriert wird. Ja, ja, das Ernste leicht darstellen, ist doch einer der höchsten Künste. Man mag die Aufführung "seicht" finden oder auch nicht, jedenfalls geht einem das Herz dabei auf.

So wie Trump heute

Ein kräftiger Lacherfolg ist außerdem eine Anspielung auf die heutigen Zustände in der US-Hauptstadt. General Howell sieht sich bereits als Vizepräsident, und der Weg in den Chefsessel im Weißen Haus scheint ihm vorgezeichnet. Dann kann er endlich Amerika wieder groß machen — wie es vor kurzem ein Geschäftsmann im Wahlkampf versprach und daraufhin tatsächlich gewählt wurde.

Wer es im Kreuzgang ganz anders mag, für den bietet sich das zweite Hauptstück der 69. Spielzeit an. "Luther" wird sich bestimmt durch Pathos, Ernsthaftigkeit und Gewissensentscheidungen über Glauben, Krieg und Frieden auszeichnen. Zu sehen und zu hören ab dem nächsten Donnerstag.

 

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