Fahrschulen in der Krise: "Es gibt nun mal keine Fahrstunde to go"

1.2.2021, 13:01 Uhr
Fahrschulen in der Krise:

© Foto: Tina Ellinger

Teurer, länger, aufwendiger: Seinen Führerschein zu machen, ist in Corona-Zeiten kein einfaches Unterfangen. "Es gibt nun mal keine Fahrstunde to go", bringt Roland Schmidt das Dilemma seines Berufsstands auf den Punkt. Seit 1993 betreibt er seine Fahrschule in Gunzenhausen, die mit sieben Vollzeit- und zwei Teilzeit-Fahrlehrern eine der größeren in der Altmühlstadt mit Niederlassungen in Gnotzheim, Merkendorf, Windsbach und Wassermungenau ist.

Jedes Jahr verhelfen er und sein Team etwa 500 Fahrschülern in allen Klassen zu mehr Mobilität. Auch jetzt laufen die Anmeldungen weiter, aber er darf keine Fahrstunden geben – zumindest keine praktischen. "Theorieunterricht wäre jetzt seit Kurzem zwar online möglich, aber das ist mit Genehmigungen und Investitionen verbunden", erklärt der 63-Jährige mit Blick auf den 14. Februar. Bis dahin gilt der aktuelle Lockdown, und ob sich da der Kauf der entsprechenden Programme noch lohne?

Zumal nicht sicher sei, ob das Online-Angebot weiter aufrechterhalten werden darf, wenn wieder Präsenzunterricht möglich ist, wie sein Kollege Karl Riedel zu bedenken gibt. Er fungiert in Gunzenhausen als Ortsvorsitzender des Bayerischen Fahrlehrerverbands, auch er ist ein alter Hase in dem Geschäft.

"An finanzielle Grenzen"

1989 hat er sich selbstständig gemacht und beschäftigt insgesamt acht Fahrlehrer in Voll- und Teilzeit, Zweigstellen unterhält er in Heidenheim und Meinheim. Seine Mitarbeiter hat er im Moment wie auch Roland Schmidt allesamt in Kurzarbeit geschickt. "Da kommt der ein oder andere finanziell sicher auch an seine Grenzen", befürchtet Karl Riedel und macht sehr deutlich, wie wenig er von den getroffenen Maßnahmen hält. Weder zielgerichtet noch nachvollziehbar werde von der Politik gehandelt.


Fahrschulen: Wir wollen wieder arbeiten


Ihm sei kein Fall von einer Infektion in einem Fahrschulauto bekannt, betont der 62-Jährige, sämtliche Hygieneauflagen wurden erfüllt. Er befürchtet, dass die vier Monate, die die Fahrschulen nun schon insgesamt geschlossen bleiben mussten, so manchem seiner Berufskollegen zur Aufgabe zwingen. Dabei bestehe schon seit Längerem ein Fahrlehrermangel, die Erlöse und Bedingungen seien zu schlecht, so seine Erfahrung. "Das Problem verstärkt sich nun."

Auch Roland Schmidt sucht dringend Verstärkung, um nach der Wiederöffnung dem "Ausbildungsstau" Herr zu werden, der sich inzwischen gebildet hat. Sein momentanes Personal reiche nie, um alle zu bedienen. Allein im Dezember fielen 52 praktische Prüfungen aus, die Schüler hängen quasi in der Warteschleife und brauchen nach der Zwangspause sicher noch ein paar Zusatzstunden zur Auffrischung der Fahrpraxis.

Dazu kommen eine Reihe von Neuanmeldungen, und auch die Zweiradfahrer dürfe man nicht vergessen, "die stehen ab März wieder auf der Matte", ergänzt Angela Schmidt, die sich um das Büro und besonders die Theorieschüler kümmert.

Lehrreiche Stunden auf der Rückbank fallen auch aus

Zudem habe sich schon den Sommer über einiges angehäuft: Aufgrund der Hygienevorschriften durfte immer nur ein Fahrschüler mit dem Ausbilder im Auto sein, nichts war es mehr damit, den Vorgänger nach Hause zu fahren und damit wie nebenbei eine Überlandfahrt zu absolvieren. "Auch der Lerneffekt beim Mitfahren fiel dadurch weg", gibt Roland Schmidt zu bedenken, der aus Erfahrung weiß, wie gut man von der Rückbank aus das Prüfungsgebiet mit seinen neuralgischen Ecken kennenlernt.

Fahrschulen in der Krise:

© Foto: Tina Ellinger

Start und Ende der Stunde war die Fahrschule, wo das Auto dann nach jedem Wechsel gelüftet und desinfiziert werden musste. Das hält natürlich auf, der tägliche Durchsatz an Schüler verringerte sich, die Zeit, bis man endlich den begehrten "Lappen" hatte, zog sich in die Länge, der Preis dafür stieg an. Auch der Organisationsaufwand für die Theoriestunden war um ein Vielfaches höher, macht seine Frau deutlich und erzählt von Schichtbetrieb und Unterricht mit Voranmeldung. Zu guter Letzt entschieden sich die Schmidts, größere Räume in der Tachauer Straße anzumieten. Dort stehen nun 25 statt acht Plätze zur Verfügung, die jetzt aber seit Wochen verwaist sind.

Genauso wie die Fahrzeuge. Erst letztes Jahr wurden wegen einer geplanten Änderung bei der Automatik-Ausbildung neue Wagen angeschafft. Diese Änderung verzögerte sich jedoch, die Investitionen waren aber schon getätigt. "Unser Geld steht auf der Straße", stellt Angela Schmidt nicht ohne Ironie fest. Für sie ist klar, dass "man auf dem flachen Land ohne Führerschein einfach keine Chance hat".

Deshalb sei es nur verständlich, dass Eltern und Nachwuchs drängeln und fragen, wann es endlich weitergeht. In vielen Fällen hängt ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatz am Führerschein. So weiß sie von einer angehenden Krankenschwester, die ihre Ausbildungsstelle abgesagt hat – weil sie ohne Auto nicht hinkommt.

Davon kann auch Karl Riedel ein Lied singen, der viele angehende Lkw-Fahrer ausbildet. Für deren Fahrerlaubnis haben die Firmen oft schon Anzahlungen geleistet, können nun aber nicht planen, wann der Fahrer einsatzbereit ist: "Es gibt keinen Zeitplan", stellt er kopfschüttelnd fest.

Wann und wie geht es weiter?

In anderen Bundesländern dagegen dürfe die Ausbildung von Lastwagen- und Busfahrern weiterlaufen, kritisiert er. Ausnahmen bestehen in Bayern aktuell nur für das Rettungswesen wie Feuerwehr, THW oder Krankenwagen, was bei Karl Riedel und Angela und Roland Schmidt die Frage aufwirft, wer die Ausbildung dieser systemrelevanten Berufe übernimmt, wenn es die Fahrschulen nicht mehr gibt? "Das Schlimmste ist, dass es keine Perspektive gibt", meint Roland Schmidt: "Geht es Mitte Februar tatsächlich weiter?"

Ein kompletter Lockdown für alle Branchen wäre ihm und seinem Kollegen Riedel sinnvoller erschienen. "Alles für drei Wochen dicht zu machen, wäre besser als dieses Rausziehen. So ist es nichts Halbes und nichts Ganzes", sind sie sich einig. "Aber wir haben kaum eine Lobby, der Verband rennt gegen Wände", beklagt Karl Riedel: "An andere Branchen traut sich niemand ran, und wir müssen es ausbaden."

Den Kopf in den Sand zu stecken, ist dennoch nicht ihr Ding. Und so bleibt die Hoffnung, bald wieder vom Beifahrersitz aus unterrichten zu dürfen, ganz analog. "Alles Lamentieren nutzt nichts, wir müssen das Beste daraus machen."