"Ende gut, alles gut"

Feuchtwangen: Theater auf hohem Niveau

13.6.2021, 09:06 Uhr
Ganz zum Schluss kommen sie doch noch zusammen: Lisa Ahorn als Helena und Joseph Reichelt als Bertram. Davor müssen sie, wie auch viele andere Schauspieler, die die Bühne dominierende Rutsche nach oben und unten begehen.   

© Forster, NN Ganz zum Schluss kommen sie doch noch zusammen: Lisa Ahorn als Helena und Joseph Reichelt als Bertram. Davor müssen sie, wie auch viele andere Schauspieler, die die Bühne dominierende Rutsche nach oben und unten begehen.  

Intendant Johannes Kaetzler hat eine schwierige Entscheidung zu treffen. Der Premierenabend ist gerade so richtig in die Gänge gekommen. Das Publikum - sehr interessiert, von der Zahl her wegen Corona viel kleiner als gewohnt - hat sich in die Sprache des berühmten englischen Stückeschreibers "hineingehört" und verfolgt aufmerksam die Irrungen und Wirrungen der Protagonisten. Da streift eine Gewitterfront von Norden her die Stadt und bringt leichten Regen mit sich. Weiterspielen, Pause machen, die vorbereiteten leichten Regenschutz-"Mäntel" verteilen? Kaetzler entscheidet sich für Letzteres.

Die Darsteller nehmen es locker

Also fünf Minuten Pause. Die Zuschauer und Darsteller nehmen es ganz locker. Und irgendwie schwebt eine gewisse Leichtigkeit über diesem Abend. In dem Moment, wo "Ende gut, alles gut" fortgesetzt wird, lässt der Regen nach und hört bald ganz auf. Die Kreuzgangspiele haben eben auch heuer mit Widrigkeiten zu kämpfen, aber das Wetter ist da nur ein kleineres Problem. Entscheidend ist, dass sich gerade rechtzeitig die Corona-Lage entspannt hat.

Der Intendant deutet es zu Beginn an. Andere Festspiele haben heuer ihre Bemühungen eingestellt, während in Feuchtwangen das volle Programm läuft. Den Beginn machte bekanntlich "Dracula" (wir berichteten). Mag sein, dass an der Theaterkasse an jedem Morgen das Chaos droht, um die Nachfrage und die begrenzten Kapazitäten irgendwie in Einklang zu bringen - über allem stehen die Erleichterung und die Freude, dass überhaupt dieses Kulturvergnügen, das weit über Bayern hinaus ausstrahlt, stattfinden kann. "Ende gut, alles gut", man darf es den Schauspielern und den vielen Mitwirkenden im Hintergrund für die nächsten Monate nur wünschen.

Schwarze Komödie

Shakespeare hat in seinem Stück, das oft als schwarze Komödie bezeichnet wird, viel Raum für Licht und Schatten gelassen. Die wichtigsten Akteure sind weder Helden noch Schurken, sie handeln aus zutiefst menschlichen Beweggründen heraus, man kann sie verstehen, selbst wenn die Zeit, als Standesunterschiede und der Begriff der Ehre einen so hohen Stellenwert einnahmen, weit weg erscheint. Da gibt es die junge, schöne Helena (gespielt von Lisa Ahorn), die einen Mann begehrt und zum Ehemann haben will, der vom Rang her weit über ihr steht: Bertram (Joseph Reichelt). Dieser ist davon nicht gerade begeistert. Doch als es Helena gelingt, den König von Frankreich (Urs Alexander Schleiff) von einem schweren Leiden zu befreien und der König seiner Retterin jeden Wunsch erfüllen will, muss Bertram zögernd in die Vermählung einwilligen.

Er hat dann aber nichts Besseres zu tun, als schleunigst das Weite zu suchen und sein Glück beim Militär in Italien zu versuchen. Shakespeare erzählt, wie es bei den Soldaten in Florenz zugeht, wie Bertram dort bei einer anderen Frau "landen" will und wie schließlich Helena - zwischenzeitlich totgesagt - mit einem Trick doch noch zu ihrem Recht kommt. Nach fast zweieinhalb Theaterstunden haben sich Helena und Bertram wieder gefunden. Ob ihr Glück wirklich von Dauer ist, darf der Zuschauer indes anzweifeln.


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In einer Nebenhandlung sticht Bertrams Kumpan Parolles (Lennart Matthiesen) hervor. Er ist eitel, ein Aufschneider, ein Luftikus und ein Feigling, darüber hinaus nicht unsympathisch. Seine Kameraden spielen ihm einen bösen Streich, und in der Folge wird Parolles entlarvt - für seine Mitstreiter ist er eine große Enttäuschung. Mit einer Komödie im klassischen Sinn hat auch das wenig zu tun, wenngleich immer wieder humoristische "Einlagen" gefallen. Auch die klug eingesetzte Hintergrundmusik weiß zu gefallen. Und wie gesagt: Das Publikum hat längst verstanden und akzeptiert, dass diese Vorstellung keine leichte Muse ist, der man sich einfach hingeben kann, sondern von allen Beteiligten ein gehöriges Stück Arbeit abverlangt.

Für diese Anstrengung wird man belohnt, man verlässt zu später Stunde beschwingt den Kreuzgang. Und hat noch im Ohr die Abschlusswortevon der improvisierten Premierenfeier auf der Bühne. So spricht Bürgermeister Patrick Ruh von einer "Oase des Theaters", die heuer in seiner Stadt endlich wieder Wirklichkeit geworden sei. Der Ausfall von 2020 sei in jeder Hinsicht weggesteckt worden, auch finanziell dank der Hilfe des Freistaats und dank der Treue der Sponsoren. Begeistert äußert sich auch Bayern Sozialministerin Carolina Trautner. Auch dieser Abend stelle unter Beweis, "wie sehr wir gemeinsame Kulturerlebnisse vermisst haben". Hier im Kreuzgang werde mit Power, Hingabe und Leidenschaft Theater gemacht.

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