Fischer: "Wir wollen gesundes Fleisch"

22.7.2020, 17:28 Uhr
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© Foto: Jürgen Eisenbrand

Hermann Fischer ist 82 Jahre alt, sieht locker zehn Jahre jünger aus, gilt als der "Vater" des Schlachthauses neben der Taubenhalle – und er ist sichtbar stolz darauf. Gerade in Zeiten, in denen Mega-Schlachtfabriken wie Tönnies, Wiesenhof und andere beinahe täglich Negativ-Schlagzeilen produzieren, kann er guten Gewissens darauf verweisen, dass in "seinem" Schlachthaus anders gearbeitet wird als dort.

Das beginnt schon bei der Anlieferung der Tiere. "Bei uns gibt es die Möglichkeit, dass die Bauern ihre Schweine schon am Sonntag hier einstellen können", sagt der Senior der Metzgerei "Storchenfischer". Dann seien die Tiere, die "alle aus der Nachbarschaft kommen, aus maximal sechs bis acht Kilometer Umkreis, am Montag ausgeruht", die Fleischqualität nicht durch Stresshormone gemindert. Und weil sie am Sonntag nichts mehr zu fressen bekämen, sei ihr Fleisch zudem weniger nass – und damit besser.

Auch angelernte Kräfte, wie sie bei Tönnies und Co. zu Tausenden per ausbeuterischem Werkvertrag beschäftigt würden, gebe es in dem kleinen, intelligent konzipierten Schlachthaus nicht. "Das sind alles echte Handwerker", sagt Fischer, "Metzger, die aus den Betrieben kommen, die hier schlachten."

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© Foto: Jürgen Eisenbrand

In erster Linie sind das die Anteilseigner der GmbH, die das Schlachthaus 1996, als der große Schlachthof auf dem heutigen Kaufland-Gelände dichtmachte, gebaut haben. Zu ihnen gesellen sich freilich regelmäßig auch einige "Gastschlächter", die die Einrichtung gegen Gebühr nutzen.

Die Metzgereien Hanel, Arnold, Gutmann, Eiden und Fischer taten sich also Mitte der 1990er-Jahre zusammen, um den Bau gemeinsam zu stemmen. "Wir wollten selber schlachten und eigenständig bleiben", begründet Fischer die damalige, durchaus mutige Entscheidung. Betrieben wird das Haus von der HAGEF GmbH, deren Name sich aus den Initialen der Gründer zusammensetzt und deren Geschäftsführer Hermann Fischer schon damals war – und immer noch ist.

Zusammen mit seinem Kollegen Gutmann, der sein Gewerbe inzwischen aufgegeben hat, habe er die Anlage geplant und die Abläufe für ein handwerkliches Schlachthaus optimiert. Und so legen die Tiere von der Betäubung bis in den Kühlraum nur ein paar Meter zurück, dauert die ganze blutige Prozedur maximal 15 Minuten: "Klein, kompakt und keine Schulden", bringt es Fischer grinsend auf den Punkt.

Bis zu 110 "Einheiten" dürften die Metzger schlachten, wobei eine "Einheit" einem Schwein entspricht; ein Rind zählt in dieser Rechnung so viel wie vier Schweine. Die Obergrenze ist vom Landratsamt auf Grundlage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gesetzt, wird aber mit der derzeitigen Auslastung bei Weitem nicht erreicht: Meist sind es gut 40 Schweine, die an einem Montagmorgen geschlachtet werden, etliche Stunden in der Kühlung hängen – und dann in die Metzgereien zur Zerlegung und Weiterverarbeitung transportiert werden.

Dort fragen, so Fischer, in den letzten Jahren immer mehr Kunden nach Haltung und Herkunft der Tiere, die – zu Kasseler, Krakauer oder Kalbskäs verarbeitet – vor ihnen in der Kühltheke liegen. Und Fischer ist sich sicher, diesen bewussten Fleischgenießern eine positive Antwort geben zu können: Die Metzger, die noch selbst schlachteten, wüssten über die Umstände, in denen ein Tier lebt. Zudem gelte – abseits von Massentierhaltung und Discounterfleisch – eine alte Metzgersweisheit: "Wenn du eine Sau möglichst billig mästen willst, dann wird das nix!"

Schweine nach dem Motto "hinten mager, vorne dürr", wolle kein anständiger Metzger haben, sagt Fischer und schmunzelt dabei über seinen eingestreuten Witz. "Wir wollen schöne Schlegel und Kotelett, und wir wollen gesundes Fleisch. Und das kriegt man nicht, wenn man die Tiere schlecht behandelt." Wenn man sie etwa statt mit natürlichem mit Turbo-Futter mäste.

Handwerkliche Metzger erzeugen also, im Verbund mit seriösen Landwirten, ein hochwertiges Lebensmittel. Dennoch ist es schwer, Nachwuchs zu finden: "Unser Beruf hat leider kein gutes Image", bedauert Fischer. Es sei bisweilen eine "dreckige Arbeit", und auch die Bezahlung sei "nicht wirklich gut". Und dann gerät er für einen Moment ins Träumen: "Ja, wenn wir in Frankreich wären . . .", sinniert er über das Land der Feinschmecker, wo die Menschen bereit sind, für gute Lebensmittel auch gute Preise zu bezahlen: "Da ist der Metzger eine hochangesehene Person – bei uns bist du bloß der Depp", sagt er betrübt.

Inzwischen ist es 9.30 Uhr am Montagmorgen, die Metzger haben den Schlachthof wieder verlassen, nur ein Kollege, der wie Fischer schon lange im "Unruhestand" ist, schlappt noch in Gummistiefeln durch die Halle, um dort per Hochdruckreiniger die Spuren des Morgens zu beseitigen.

"Wir sind umweltfreundlicher"

"Das ist auch ein großer Vorteil unseres Schlachthofs", sagt Fischer: "Die meiste Zeit der Woche ist er trocken." Was die Bildung von Schimmel verhindere und den Einsatz scharfer, die Abwässer belastender Reinigungsmittel unnötig mache; ein simples, fettlösendes Mittel reiche aus. "Damit sind wir auch hier umweltfreundlicher als ein Großbetrieb", freut sich Fischer.

Ob es das gemeinschaftliche Schlachthaus allerdings in 20 Jahren noch geben wird – daran hat er schon gehörige Zweifel. "Es gibt keine Leute, die das machen wollen", klagt er. Vor einem halben Jahr habe er den Anteileignern verkündet, als HAGEF-Geschäftsführer aufhören zu wollen: "Die haben sich mit Händen und Füßen gewehrt", erinnert er sich. Einer habe sogar gesagt, sein Vertrag als Geschäftsführer gelte, "bis dass der Tod uns scheidet". Und lächelnd wie ein stolzer Vater über sein wohlgeratenes Kind, fügt er nach einer kurzen Pause hinzu: "Na ja, ich mach’s ja auch gern."

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