Forchheim: Bayerns Bürgerbeauftragter blickt auf das Jahr 2020

31.12.2020, 20:00 Uhr
Michael Hofmann bekommt Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern aus ganz Bayern auf den Tisch. Am besten, sagt er, hilft einfach eine gute Kommunikation. 

© Foto: Jana Schneeberg Michael Hofmann bekommt Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern aus ganz Bayern auf den Tisch. Am besten, sagt er, hilft einfach eine gute Kommunikation. 

"Die Entscheidungen, die die Politik treffen musste, der Riss, der quer durch Freundeskreise geht und nicht zuletzt die tragischen Schicksale Einzelner, die viel zu wenig Beachtung bekommen haben." All das sei Teil seiner politischen Erfahrungen, auf die der Forchheimer Landtagsabgeordnete gern verzichtet hätte.

Auf einen anderen jedoch nicht: Im Mai wurde der 46-Jährige zum Bürgerbeauftragten der Staatsregierung berufen. Ein Posten, bei dem er sich anfangs fragte, ob es ihn wirklich brauche. Ein halbes Jahr danach beantwortet er diese Frage mit einem entschiedenen Ja.

Als Bürgerbeauftragter ist er Ansprechpartner, wenn Menschen Schwierigkeiten in der Kommunikation oder im Umgang mit Behörden und Ämtern haben. Und als solcher habe er Fälle erlebt, bei denen er glaubte: Das muss sich jemand mit sehr viel Phantasie ausgedacht haben, weil die Geschichte so weit hergeholt scheint. Oder Streitigkeiten, bei denen der Anlass gar nicht mehr nachvollziehbar war. Und Situationen, bei denen sich Behörden "in ihre Schützengräben zurückgezogen haben". Vor allem aber Fälle, bei denen er froh ist, dass er helfen konnte.

Wie den eines deutsch-schweizerischen Ehepaares, das lange in Großbritannien und in der Schweiz gelebt hatte und es aus Unwissenheit nach seinem Umzug nach Deutschland versäumte, die Führerscheine umschreiben zu lassen. Mit einem Bußgeldbescheid fiel das Ganze auf, kurz vor dem Geburtstermin des dritten Kindes.Wenig später waren neben Landratsamt auch die Staatsanwaltschaft und ein Anwalt eingeschaltet – und die Situation festgefahren. Das Paar wendete sich an den Bürgerbeauftragten und der sich an die zuständigen Ämter. "Mit Hinweisen und der Schaffung von gegenseitigem Verständnis konnte ich helfen, die Situation aufzulösen", erzählt Michael Hofmann.

"Sind quasi die Notrufsäule"

Der Fall ist typisch für die rund 760 Anfragen, die er und sein fünfköpfiges Team aus Fachleuten, das in der Münchener Staatskanzlei arbeitet, in den vergangenen sechs Monaten bearbeitet haben. "Mein Arbeitsbereich ist allumfassend", sagt er – und meint das nicht überheblich, sondern bezieht es rein auf sein Aufgabenfeld: "Wir sind quasi die Notrufsäule. Zu uns kommt jemand, der in der Regel schon die verschiedensten Stellen durchlaufen hat und nicht mehr weiter weiß", erklärt er. "Wir haben einen Überblick über das, was man tun und wen man kontaktieren kann, und auch eine gewisse Überzeugungskraft, wenn wir aus der bayerischen Staatskanzlei anrufen."

Einfach sind solche Anrufe nicht. Doch das macht dem studierten Juristen nichts. "Ich weiß, dass ich nervig sein kann und mich nicht mit dem ersten Schreiben zufrieden gebe." So konnte er auch einer Mutter mit drei Kindern helfen, die trotz Hilfe der Kommune keine Wohnung fand. Durch Kontakte, die wiederum Kontakte hatten, ergab sich schließlich doch noch eine Möglichkeit. Auch wendeten sich Menschen an ihn, die während der ersten Corona-Welle in Südafrika gestrandet waren und mit der von Deutschland gecharterten Maschine nicht mit zurückfliegen konnten. Sie kamen letztlich mit Hofmanns Hilfe nach Hause.

Ja, solche Fälle kosten Zeit und Arbeitskraft. Ja, es ist fast ein Fulltime-Job, für den er aber gar nicht so viel Zeit hat, weil er ja auch noch "einfacher" MdL ist. Und ja, um all das zu schaffen braucht es Leidenschaft. Michael Hofmann sagt, er sei bereit, all das zu geben. "Vielleicht ist es ein Helfersyndrom."

Aber das habe er auch an seinem Beruf als Anwalt immer geliebt. Jemandem zu helfen, dem das Wasser bis zum Hals steht. Warum er dann nicht sofort überzeugt war, als Ministerpräsident Söder die Aufgabe an ihn herangetragen hat? Vieles von dem, was der Bürgerbeauftragte tue, sei gleichzeitig Aufgabe der Stimmkreisabgeordneten, erklärt Hofmann. Trotzdem habe er sich darauf eingelassen. Auch, weil ihm signalisiert worden sei, dass er in seiner Arbeit unabhängig sei.

Inzwischen ist er überzeugt, dass er anfangs falsch lag. Nicht nur, weil er als Abgeordneter für den Landkreis Forchheim von dieser Funktion sogar profitiere, weil er "viel Wissen absaugt", sondern vor allem, weil er gestalten kann. Der Bürgerbeauftragte sei Anwalt der Bürger, aber als Abgeordneter auch Teil der Legislative. "Wenn ich feststelle, dass irgendetwas nicht vorwärts geht, kann ich selbst tätig werden", sagt er und weiß inzwischen genau, worum es zuerst gehen sollte: um Kommunikation. "60 Prozent der Probleme entstehen, weil die Kommunikation nicht funktioniert." Also wolle er bei den Behörden "Verständnis schaffen, dass auf der anderen Seite Menschen stehen, die nicht so tief in einem Thema drinstecken."

Behörden müssten es schaffen, komplexe Sachverhalte so darzustellen, dass auch jemand, der sich nicht so gut auskennt, es nachvollziehen kann. Seine Idee: Die wichtigsten Aussagen eines Bescheids zusammenfassen – kurz und verständlich. Für den Rechtsweg hängt man den Bescheid hinten dran. Sein Plan für 2021: Die Diskussion, ob unser Behördenapparat noch zeitgemäß aufgestellt sei, wolle er vorantreiben.

 

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