"Frau Fast Doktor" auf Krankenbesuch in Abersberg

25.6.2015, 07:00 Uhr

© Ellinger

Beides jedoch war der Wunsch der Medizinstudentin, die zunächst die vorgeschriebenen je vier Monate Chirurgie und Innere Medizin in einer Klinik abgeleistet hat: „Ich wollte sowieso lieber aufs Land und Allgemeinmedizin machen“, betont Angelika Patin-Graf. Dazu kommt, dass die Entscheidung, den letzten, wahlfreien Teil des PJ in einer der akkreditierten Lehrpraxen der Uni Erlangen-Nürnberg zu machen, vom neuen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin finanziell gefördert wird. Das macht es Studenten einfacher, aufs Land zu gehen und eventuell eine zweite Wohnung während des Praktikums anzumieten. Doch die 47-Jährige hatte auch hier Glück: Dr. Ute Schaaf stellte ihr im Praxisgebäude Räumlichkeiten zum Wohnen zur Verfügung.

Und die niedergelassene Ärztin nahm sich viel Zeit für ihre erste PJ-Studentin, setzte sich abends mit ihr zusammen und stand für alle Fragen zur Verfügung. „Das war super“, ist die Nachwuchs-Medizinerin begeistert, die sehr arbeitsintensive Wochen hinter sich hat. „Die viele Arbeit macht einem aber wenig aus, wenn man dafür etwas lernt.“ Dazu hatte sie ausgiebig Gelegenheit, reicht das Betätigungsfeld in der Hausarztpraxis doch weit über den einfachen Schnupfen hinaus. „Das Aufgabengebiet ist sehr vielfältig“, esagt sie und erklärt das Faszinierende an dieser Arbeit: „Man kann den ganzen Menschen behandeln, nicht nur ein Bein, sondern auch die Seele.“

„Das lernt man im Studium nicht“

In Erinnerung bleiben werden ihr vor allem die Hausbesuche, „erlebte Anamnese“ nennt die Studentin das. Besonders beeindruckte sie zudem der Umgang von Ute Schaaf mit Patienten mit Behinderung: „Das lernt man im Studium überhaupt nicht!“ Anders als manchmal in der Klinik hatte sie in Absberg nie das Gefühl, „nebenher zu laufen“, im Gegenteil: Schon nach einer Woche habe sie mehr Eindrücke gesammelt und mehr machen dürfen als vorher in der Inneren Medizin.

Gut aufgenommen fühlte sich die  „Fast Frau Doktor“, wie sie gerne vorgestellt wurde, auch von den Patienten. Die sind es gewohnt, dass – ihr Einverständnis vorausgesetzt – ab und an eine zweite Person bei der Untersuchung dabei ist, da Ute Schaaf Medizinstudenten schon seit Längerem die Möglichkeit einer vierwöchigen Famulatur bietet. Diese aber können noch nicht so selbstständig arbeiten wie Angelika Patin-Graf, die nach dem Praktischen Jahr fertige Ärztin sein wird. Dabei, das macht Ute Schaaf klar, geht es ihr bei der Vergabe dieser Praktikumsplätze nicht etwa um Arbeitserleichterung, sondern um die Ausbildung des Medizinernachwuchses.

Und um den ist es bekanntermaßen auf dem flachen Land nicht besonders gut bestellt, vor allem die Hausarztpraxen tun sich schwer, Nachfolger zu finden. „Mir tut das Herz weh angesichts der ärztlichen Versorgung in Westheim“, bekennt die Absbergerin, die dort ihre Ausbildung absolviert hat und deren Herz für die Region schlägt. Nicht zuletzt deshalb setzt sie sich seit geraumer Zeit vehement dafür ein, dem Hausärztemangel auf dem Land zu begegnen. Die Neuerungen wie die akkreditierten Lehrpraxen und der Lehrstuhl für Allgemeinmedizin sind wichtige Schritte in diese Richtung, und sie freut sich, dass die Zusammenarbeit mit der Erlanger Universität „echt top ist“. Ihre Arbeit als „Lehrende“ macht ihr viel Spaß, und sie verbindet damit die Hoffnung, dass eventuell einer ihrer Studenten die Lücken füllt.

Eine Hoffnung, die auch ihre Patienten hegen. „Vielleicht gefällt es dem ein oder anderen bei uns, und er bleibt da“, meint Luise Ott aus Kalbensteinberg und lässt sich bereitwillig von Angelika Patin-Graf eine Impfspritze setzen. „Wir freuen uns jedenfalls, dass junge Ärzte kommen“, betont sie und spricht nach den guten Erfahrungen von Ute Schaaf und ihrer PJ-Studentin sicherlich nicht nur für sich.

„Ich kenne ihr Leid“

Dieser freundliche und offene Empfang der Menschen ist es auch, der bei der angehenden Ärztin aus Roßtal für Wehmut sorgt. „Ich gehe mit einem sehr weinenden Auge.“ Nun, nach vier Monaten, habe sie manch einen besser kennengelernt. „Ich kenne ihr Leid, ihre Sorgen, lache auch mal mit ihnen.“ So ganz will sie daher der Region nicht den Rücken kehren, vielmehr überlegt sie, ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemein- und Familienmedizin am Kreisklinikum Altmühlfranken in Gunzenhausen zu absolvieren. Erste Kontakte hat sie schon geknüpft. Fünf Jahre dauert es dann noch, bis sie sich ihren Traum erfüllen könnte: eine eigene Hausarztpraxis auf dem Land.

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