Steht zum Verkauf

Funkturm bei Heidenheim auf dem Dürrenberg hat eine lange Geschichte

11.9.2021, 08:04 Uhr
Funkturm bei Heidenheim auf dem Dürrenberg hat eine lange Geschichte

Lange bevor die Bundeswehr auf dem Hahnenkamm heimisch wurde, errichteten die Amerikaner Anfang der 1960er einen ersten Funkturm als Relaisstation für mehrere Richtfunkverbindungen. Während anfangs Soldaten der 12th Radio Relay Squadron der US Air Force hier ihren Dienst schoben, waren wenige Jahre später fünf Männer der 1945th communication group die Hausherren und stellten rund um die Uhr die Funktionsfähigkeit der Anlage sicher.

Einer Zeitschrift der US-Streitkräfte war der einsame Außenposten 22, auf dem es nicht einmal fließendes Wasser gab, in den 1970er-Jahren sogar ein Porträt wert. Von harten Wintern war dabei die Rede, aber auch von sehr guten Beziehungen zur Heidenheimer Bevölkerung. "We have a lot of german friends here", betonte Seargent Tom Randers damals in einem Interview und bezog diese "Freunde" nicht nur auf den Friseur, der seine Haare regelmäßig kostenlos schnitt.

Trinkwasser mit dem Pick-up geholt

Die Relaisstation arbeitete bereits automatisch, die Soldaten hatten zusammen mit einem Wachhund in ihrer zwölfstündigen Schicht lediglich über- und bewachende Funktion und mussten nur bei Störungen eingreifen. Es blieb daher genug Zeit, um Trinkwasser mit einem Pick-up am Hydranten in Heidenheim zu holen, und oftmals besuchten auch die in Heidenheim wohnenden Frauen ihre Ehemänner auf dem Dürrenberg zum gemeinsamen Abendessen.

Da die betreuten Nachrichtenverbindungen aber natürlich potenzielles Ziel der gegnerischen Spionage waren, hielten sich die Amerikaner trotz aller Freundschaft eher bedeckt, und selbst heute werden nur langsam Informationen bekannt. Wohl auch deswegen kursierte gerade unter jungen Rekruten der Hahnenkamm-Kaserne immer wieder das Gerücht, dass rund um den Funkturm auch unterirdische Bunkeranlagen errichtet worden seien, in denen GIs an Kontrollpulten säßen. Wie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BImA auf Nachfrage klarstellt, ist dies allerdings lediglich eine Legende, denn Kellerräume sind nicht vorhanden.

Mit dem Einbau moderner Technik wurden die US-Soldaten schließlich überflüssig. Eine ständige Bereitschaft war nicht mehr notwendig, die Elektronikspezialisten wurden abgezogen und die in den 1960ern errichteten Holzbaracken dem Verfall preisgegeben. Die Funktion der Anlage blieb aber die gleiche: Ankommende Signale wurden verstärkt zum nächsten Funkturm weitergeleitet.

Die Stasi beschäftigte sich mit Heidenheim

Als gesichert gilt, dass der Heidenheimer Relaisposten zuletzt in das europaweite Kommunikationsnetzwerk Digital European Backbone integriert war, welches Funkverbindungen von England bis nach Italien sicherstellte und 83 Sendetürme umfasste. Natürlich war auch dem damaligen Gegner die Anlage bekannt, entsprechend versuchte der Osten an Informationen zu gelangen.

Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR kam dabei zur Erkenntnis, dass Heidenheim seit den späten 1970ern auch in das La Faire Vite EloKa-Spionagesystem eingebunden war. Von mehreren Horchposten in Deutschland wurde dabei insbesondere der Funkverkehr der DDR-Luftstreitkräfte abgehört.

Obwohl im Zuge der Wiedervereinigung und des Zusammenbruchs des Warschauer Paktes die Anlage eigentlich nicht mehr gebraucht wurde, erneuerten die Amerikaner laut BImA Anfang der 1990er-Jahre den Funkturm komplett. Das alte, rund 60 Meter hohe Bauwerk wurde durch den jetzigen, 97 Meter hohen Turm ersetzt. Kurz danach verließ das 11th Btl allerdings Deutschland, woraufhin fortan die Defense Information Systems Agency zuständig war.

Waldgrundstück steht zum Verkauf

Mit dem Aufbau eines Glasfasernetzwerks trennte sich das US-Militär schließlich 2007 von den meisten Funktürmen in Europa und übereignete auch den Heidenheimer an die Bundesrepublik Deutschland. Das Pentagon betonte damals in seiner Pressemitteilung, dass sämtliche Anlagen vollautomatisch operierten und daher kein einziger Dienstposten habe gestrichen werden müssen.

14 Jahre später will sich nun auch der Bund vom aktuell ungenutzten Turm trennen. Da die Gemeinde Heidenheim laut BImA keinen Gebrauch von seinem Erstkaufsrecht machen möchte, soll nun das rund 13.000 Quadratmeter große Waldgrundstück samt Turm und Nebengebäuden meistbietend verkauft werden.

Laut Exposé befindet sich der Turm dabei in einer Konzentrationszone für Mobilfunkanlagen im Heidenheimer Flächennutzungsplan und ist über eine Stichstraße, die über das heutige Heizomat-Gelände verläuft, erschlossen. Angebote nimmt die BImA bis Ende September entgegen.

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