Geburtshilfe-Abteilung wird geschlossen

8.6.2011, 17:43 Uhr
Geburtshilfe-Abteilung wird geschlossen

© Natalis

Gerüchte, dass am Reutberg bald keine Babys mehr das Licht der Welt erblicken werden, gibt es schon lange, doch nun werden sie überraschend schnell Realität. Die Belegärzte, die beiden Gunzenhäuser Gynäkologen Dr. Hartwig Holzberger und Dr. Herbert Goerk, beenden Mitte Juli ihre geburtshilfliche Tätigkeit am Kreiskrankenhaus. Nachdem Dr. Thomas Sattler Ende 2009 als Belegarzt ausgeschieden war, hat die „physische und psychische Belastung“ nach eineinhalb Jahren eine Grenze erreicht, „die ohne Unterstützung eines Dritten nicht mehr zu schultern ist“, begründete Holzberger bei einem Pressegespräch im Krankenhaus den Schritt, der laut dem Vorstand der beiden Kreiskliniken Jürgen Winter keinem der Beteiligten leicht gefallen ist.

Winter sprach von einer „sehr bedauerlichen“ Entwicklung und unterstrich im selben Atemzug die gute Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligtem unter zuletzt „nicht ganz einfachen Bedingungen“. Doch alle Bemühungen, einen dritten Belegarzt für die Gunzenhäuser Gynäkologie zu finden, blieben vergebens. Schon mit dem Ausscheiden von Sattler hatte die Verwaltung eine renommierte Personalberatung mit der Suche nach einem geeigneten Kandidaten für die vakante Stelle beauftragt.

Doch obwohl annähernd 500 Fachärzte aus der Region und dem gesamten Bundesgebiet direkt angesprochen wurden, blieb die Suche erfolglos. Auch mehrere ganzseitige Stellenanzeigen in einschlägigen Fachzeitschriften fanden keine Resonanz. Auch Holzberger und Goerk blieben natürlich nicht untätig. Letztendlich zeigten aber gerade einmal zwei Kolleginnen ernsthaft Interesse an der Stelle, entschieden sich aber letztendlich gegen Gunzenhausen. Ein Grund ist sicher darin zu suchen, dass ein neuer Belegarzt in absehbarer Zeit vor dem selben Problem stünde wie heute Holzberger und Goerk. Denn Dr. Holzberger hat nach eigenen Angaben in rund fünf Jahren die Altersgrenze erreicht.

Prämien fressen Umsatz fast auf

Aber auch die finanzielle Belastung ist nicht zu unterschätzen. Zwar habe die „pekuniäre Seite“ bei ihrer Entscheidung keine Rolle gespielt, betonte Holzberger ausdrücklich, doch für junge Kollegen sind die hohen Versicherungsprämien, die „den Umsatz fast auffressen“, sicher abschreckend. Vor allem mit Blick auf die immer weiter zurückgehende Zahl der Geburten. Nur noch 271 Babys kamen im vergangenen Jahr in der Klinik am Reutberg auf die Welt. Holzberger erinnert sich noch an Zeiten, wo er noch zusätzliche Betten von anderen Stationen benötigte und die Zahl der Geburten Anfang der 90er Jahre mit rund 750 Kindern einen Höchststand erreichte.

Der Niedergang der Geburtshilfe in ländlichen Krankenhäusern ist kein Gunzenhäuser Phänomen, wie eine Umfrage der bayerischen Krankenhausgesellschaft bei all ihren Mitgliedern 2009 zeigte. Die meisten Kliniken mit belegärztlich geführten Geburtshilfeabteilungen schätzen vor zwei Jahren ihre Zukunft pessimistisch ein. Schon damals war die Anzahl der Belegärzte innerhalb von vier Jahren um durchschnittlich 16,4 Prozent zurückgegangen und die Chancen, neue Belegärzte zu gewinnen, wurden als schlecht bis aussichtslos eingestuft. Dass diese Einschätzungen nicht aus der Luft gegriffen waren, musste nun die Gunzenhäuser Kreisklinik leidvoll erfahren.

Der Landkreis verfügt aber über zwei gut aufgestellte Kliniken und in Weißenburg ist die Geburtshilfe mit drei Belegärzten und acht Beleghebammen gut aufgestellt. Dort können die werdenden Mütter aus dem Raum Gunzenhausen künftig ihre Kinder bekommen. Und auch das Ansbacher Krankenhaus ist eine Option, dort arbeiten zwei der drei Hebammen der Hebammenpraxis in der Bahnhofstraße. Werdenden Mütter werden hier auch weiterhin, versicherte Simone Rohr, rund um die Geburt betreut.

Kein Leerstand zu befürchten

Dass die Beleghebammen alle anderweitig ein Auskommen gefunden haben, ist dem Krankenhausvorstand sehr wichtig. Ebenfalls erfreulich ist, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Denn die Aufgabe der Geburtshilfe bedeutet nicht, dass im Krankenhaus künftig Zimmer leerstehen, im Gegenteil. Dort ist im Moment, auch bedingt durch den Umbau, jede Besenkammer belegt und die frei werdenden Räume samt Personal werden von den beiden Hauptfachrichtungen, der Inneren Medizin und der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, benötigt. Die Aufgabe der Geburtshilfe ist für Gunzenhausen natürlich ein bitterer Verlust.

Doch dabei darf nicht übersehen werden, dass die beiden Kreiskrankenhäuser in Weißenburg und Gunzenhausen seit ein paar Jahren dank der Spezialisierung auf der Erfolgsspur fahren. Jüngster Ausdruck dessen ist das regionale Traumazentrum in Gunzenhausen, ein Angebot, das laut Winter noch vor wenigen Jahren für die hiesige Klinik undenkbar gewesen wäre. Das Ende der Geburtshilfe ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Ende der Gynäkologie am Kreiskrankenhaus. Die Fachärzte Holzberger und Goerk werden am Reutberg auch weiterhin gynäkologische Eingriffe vornehmen und ihre Patienten stationär behandeln. Schwangere Frauen betreuen sie selbstverständlich auch weiterhin in ihrer Praxis.

Eine Geburt werden sie aber selbst im Notfall nicht mehr leiten. Dazu fehlt ihnen die notwendige Haftpflichtversicherung. Hier muss im Zweifel der Notarzt im Krankenwagen auf der Fahrt nach Weißenburg oder Ansbach tätig werden. Im Vorfeld des Pressegesprächs hatte die Klinikleitung den Ältestenausschuss des Gunzenhäuser Stadtrats über die traurige Entwicklung informiert. Bürgermeister Joachim Federschmidt bedauerte die neue Situation zutiefst, weiß aber auch um die Bemühungen, eine Belegarzt zu finden. Das sei „nahezu unmöglich“, so der Stadtoberhaupt. Für die Stadt kam die Schließung der Geburtshilfe nicht unerwartet, Federschmidt war nach eigenen Worten „sehr gut eingebunden“ in alle Stadien der Entwicklung.

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