Gunzenhausen: Arzt wirbt um Spender-Organe

17.2.2020, 06:16 Uhr
Gunzenhausen: Arzt wirbt um Spender-Organe

© Annette Zopef

Seit er im November 2013 seinen Chefarztposten im Gunzenhäuser Krankenhaus angetreten hat, ist er als erfahrener Intensivmediziner mit dieser Zusatzaufgabe betraut und dafür verantwortlich, dass die Klinik mögliche Organspender an die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) meldet. Ganz wichtig sei hierfür ein guter Kontakt zu und Einblick in "direkter Draht" zur Intensivstation der Klinik, betont Gutsche, bei dem im Akutfall einer Organspende dann auch die Fäden zusammenlaufen. Zu seinen Aufgaben zählen außerdem die Öffentlichkeitsarbeit wie etwa der jährliche Infotag für die Schüler am Simon-Marius-Gymnasium oder Veranstaltungen für interessierte Bürger.

Dafür steht ihm seit April letzten Jahres nach dem neuen "Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende" (GZSO) ein offizielles Zeitkontingent zur Verfügung, was von Gutsche als ebenso positiv bewertet wird wie die ebenfalls seit April 2019 geltende bessere Vergütung von Organentnahmen. "Diese orientiert sich jetzt an dem tatsächlichen Aufwand der Klinik", erläutert der Fachmann. Eine weitere Neuerung ist die Möglichkeit, einen Neurologen von der DSO anzufordern, der dann – zusätzlich zu einem erfahrenen Klinikarzt – eindeutig den Hirntod eines Patienten feststellt.

Etwa ein Fall im Jahr

Denn dieser irreversible Ausfall der Hirnfunktion, meist ausgelöst durch ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem Unfall oder durch eine Hirnblutung, ist die Grundvoraussetzung, überhaupt als Organspender in Betracht zu kommen. Zudem dürfen die restlichen Organfunktionen nicht zu schwer geschädigt sein. In der Gunzenhäuser Klinik, die als Traumazentrum zertifiziert ist, trete etwa einmal im Jahr die Situation auf, dass bei einem Patienten der Hirntod festgestellt werden könne.

"Meistens fehlt aber das Einverständnis", macht der Arzt deutlich. Sprich: Der Patient hat keinen Spendeausweis, und die Angehörigen können keine Angaben über seinen mutmaßlichen Willen machen. Genau hier kommt für Gutsche dann wieder das Stichwort Aufklärung ins Spiel: "Die Hemmschwelle, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist – menschlich verständlich – sehr hoch. Dabei gibt es eine große positive Haltung gegenüber Organspende."

Gunzenhausen: Arzt wirbt um Spender-Organe

© Foto: Tina Ellinger

Einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge würden 84 Prozent der Deutschen nach ihrem Tod Organe spenden, aber nur 36 Prozent haben tatsächlich einen Spendeausweis, den man übrigens ab dem 16. Lebensjahr ausfüllen kann.

Diese Lücke wollte Gesundheitsminister Jens Spahn mit seinem Gesetzesentwurf zur sogenannten doppelten Widerspruchslösung schließen, konnte dafür jedoch keine Mehrheit im Bundestag gewinnen. Sehr zum Bedauern des Arztes, der die lange Warteliste mit über 10 000 Patienten im Blick hat, die ein neues Organ benötigen. "Ein Spenderorgan würde ihnen oft eine Chance auf ein normales Leben im Alltag ermöglichen", gibt er zu bedenken. Etwa 1000 der Patienten auf den Wartelisten sterben jährlich an den Folgen ihrer Grunderkrankung.

Trotzdem sehe er die im Januar getroffene Entscheidung auch positiv und spricht von einem, im Gegensatz zur Widerspruchslösung, weniger autoritären Weg, der nun eingeschlagen worden ist: "Immerhin herrscht jetzt Klarheit, und es werden Schritte eingeleitet, um Organspende zu fördern." Nach wie vor gilt in Deutschland, anders als etwa in Spanien und Österreich mit deutlich höheren Transplantationszahlen, die Entscheidungslösung.

Willen eindeutig bekunden

Der Wille, ein Organ zu spenden, muss also weiterhin aktiv bekundet werden. Zusätzlich sollen jetzt aber Maßnahmen getroffen werden, mehr Menschen zu dieser Willensbekundung zu motivieren. Zum Beispiel über die Einwohnermeldeämter und die Hausärzte, wo es künftig regelmäßige Auskünfte geben wird. Auch beim Erste-Hilfe-Kurs zum Erwerb des Führerscheins werden die Teilnehmer für dieses Thema sensibilisiert. Ein noch zu schaffendes Online-Register soll außerdem die Hemmschwelle senken, sich als Spender einzutragen.

Seinen Willen pro oder contra Organspende eindeutig zu bekunden, hat für Gutsche auch den Vorteil, Angehörige bei der schwierigen Aufgabe zu entlasten, eine Entscheidung im Sinne des Patienten treffen zu müssen. Es gehe ja um die Frage: "Welche Einstellung hatte er oder sie?" Ein Spendeausweis schaffe hier klare Abhilfe. Und zum Spenden selbst sei man übrigens nie zu alt: "Es kommt nicht auf das kalendarische, sondern auf das biologische Alter an", erklärt er und verweist darauf, dass die Organfunktionen in jedem Fall von speziellen Entnahmeteams, die in die Spenderklinik kommen, überprüft werden. Einen passenden Empfänger für das gespendete Organ zu finden, ist dann Aufgabe von Eurotransplant. Bei der Organvergabe habe die Passgenauigkeit oberste Priorität.

Der Gunzenhäuser Transplantationsbeauftrage hofft nun, dass all die genannten Maßnahmen letztlich zum Erfolg führen und sich mehr Menschen einen Organspendeausweis ins Portemonnaie stecken: "Die Patienten auf den Wartelisten und die verantwortlichen Ärzte würden sich das wünschen." Vielleicht hilft dabei auch eine ebenfalls im April 2019 eingeführte Neuerung: Empfänger eines Organs können demnach nach einer Transplantation einen anonymisierten Kontakt zu den Angehörigen des Spenders aufnehmen und geben ihnen damit einen Einblick in ihr "geschenktes Leben".

 

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