Höchste Auszeichnung

Gunzenhausen: Darum wurden sie zu Ehrenbürgern

3.8.2019, 06:40 Uhr
Gunzenhausen: Darum wurden sie zu Ehrenbürgern

© Stadtarchiv Gunzenhausen

Bereits aus dem 16. Jahrhundert stammen erste Hinweise auf ein "Großes Bürgerrecht", das als unmittelbarer Vorläufer zur Ehrenbürgerwürde zu betrachten ist. So erhielt beispielsweise Simon Hoppner, seines Zeichens herzoglicher Rentmeister im niedersächsischen Celle, 1547 diese Ehrung, die ihn dadurch aus der Bürgerschaft hervorhob. Vom kaiserlichen Pfalzgraf Friedrich Beurhaus in Dortmund ist bekannt, dass er 1589 in den Genuss einer ähnlichen Ehrung kam. Sicherlich gab es auch in den folgenden Jahrhunderten immer wieder außergewöhnliche Würdigungen einzelner Personen durch Städte und Gemeinden, die teilweise mit Vergünstigungen wie Schenkung des Bürgergelds beziehungsweise Befreiung von allgemeinen bürgerlichen Pflichten verknüpft waren.

Eine Zäsur brachte die Französische Revolution von 1789, die zunächst in Frankreich selbst alles Etablierte in Staat, Gesellschaft, Kirche und Politik abschaffte und im Anschluss durch die napoleonischen Eroberungsfeldzüge diese umwälzenden Veränderungen auch in viele europäische Staaten einführte.

Zeitgleich entwickelte sich auch der Wandel hin zur ausschließlichen Würdigung einer Einzelperson, das heißt, dass es weniger auf das Recht des Bürgers, sondern vielmehr auf die Auszeichnung für die verdiente Persönlichkeit ankam.

Neun Paragrafen

Ursprünglich in der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern aus dem Jahre 1952, angepasst in der Fassung vom 22. August 1998, heißt es in Artikel 16: "Die Gemeinden können Persönlichkeiten, die sich um sie besonders verdient gemacht haben, zu Ehrenbürgern ernennen."

In der Folge erließ auch unsere Kommune am 1. September 1966, aktualisiert am 6. November 1981 ihre heute noch geltende eigene "Satzung über Auszeichnungen der Stadt Gunzenhausen". Neun Paragrafen regeln darin Formen und Voraussetzungen der Verleihung von Ehrenbürgerrecht sowie weiterer Auszeichnungen wie Verdienstmedaille und Ehrenteller. Unter anderem heißt es in Paragraf 2: " Das Ehrenbürgerrecht ist die höchste Auszeichnung, welche die Stadt Gunzenhausen lebenden Personen zuerkennen kann."

Möglich ist eine Verleihung nur, wenn die in Betracht kommende Persönlichkeit durch "besonders fruchtbares Wirken entscheidend die Entwicklung der Stadt beeinflusst und so das Wohl der Bürgerschaft gefördert hat, oder wenn sie durch hervorragende Leistungen zum Beispiel im Bereich der Kunst, der Wissenschaft, Wirtschaft oder des Sozialwesens das Ansehen der Stadt außergewöhnlich gemehrt hat."

Tatsächlich liegt die erstmalige Verleihung der Ehrenbürgerwürde Gunzenhausens mehr als 100 Jahre zurück, genauer gesagt erfolgte sie nur wenige Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914.

Gunzenhausen: Darum wurden sie zu Ehrenbürgern

© Stadtarchiv Gunzenhausen

Bis zum heutigen Tag erhielten zwölf Personen diese höchste kommunale Auszeichnung. Allerdings ausschließlich Männer! Ohne jeden Zweifel waren zwei von ihnen absolut unwürdig, diese Ehrung zu empfangen, die Umstände der Verleihung mehr als fragwürdig und den seinerzeitigen politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen zuzuschreiben. Doch dazu später mehr.

Treu und unermüdlich

In der Sitzung des seinerzeitigen, noch königlich bayerischen Stadtmagistrats von Gunzenhausen am 24. April 1914 beratschlagte man die Niederlegung des Amtes durch Bürgermeister August Hensolt aus gesundheitlichen Gründen. Dem Rücktritt des seit 1885 amtierenden Stadtoberhaupts stimmte das Gremium vorbehaltlos zu und würdigte die mannigfaltigen, "treuen und unermüdlichen" Verdienste Hensolts. Ebenso einstimmig beschloss der Stadtmagistrat, ihm als ersten Gunzenhäuser das Ehrenbürgerrecht zu verleihen.

August Hensolt entstammte einer alteingesessenen Gerberdynastie, deren Mitglieder über Generationen hinweg die Geschicke der Altmühlstadt mitbestimmten. Im Alter von 31 Jahren wählte man ihn in das Gemeindebevollmächtigtenkollegium, ab 1876 war er Stadtmagistratsmitglied und schließlich Bürgermeister. In seiner Amtszeit entstanden die Realschule (heute Simon-Marius-Gymnasium), der städtische Schlachthof mit Warmwasserbad, eine moderne Wasserversorgungsleitung, Obstanlage und Stadtgarten. Auch die Pflasterung vieler Straßen im Stadtgebiet war ihm zu verdanken und die Vielfältigkeit der durchgeführten infrastrukturellen Verbesserungsmaßnahmen auf kommunaler Ebene wurde vorher staatlicherseits bereits durch Verleihungen des bayerischen Verdienstkreuzes des Heiligen Michaels sowie der Prinzregentenmedaille honoriert.

Die feierliche Übergabe der Ehrenbürgerurkunde fand am 7. Juni 1914 durch den neuen Bürgermeister Otto Hagenah statt. Dazu lieferte das ortsansässige Buchbinder- und Schreibwarengeschäft Seiderer eine repräsentative, seidengefütterte Mappe aus dunkelgrauem Rindsleder, versehen mit dem Stadtwappen. Bedauerlicherweise konnte sich der Geehrte nicht lange an seiner Ehrenbürgerwürde erfreuen, da er bereits am 1. Juli 1914 verstarb.

Als zweiten Ehrenbürger erkor man Obermedizinalrat Dr. Dr. Heinrich Eidam, der seit 1878 in Gunzenhausen lebte. Neben seinem großen Engagement auf dem Gesundheitssektor, er gründete unter anderem die Sanitätskolonne und setzte sich für die Einrichtung einer Milchküche zur Säuglingsversorgung mit keimfreier Milch ein, waren seine Verdienste zur Erforschung der Vor- und Frühgeschichte von Stadt und Umland von überregionaler, ja wohl gar von nationaler Bedeutung.

Auf seine Initiative geht der heute noch bestehende Verein für Heimatkunde zurück, außerdem ist er Gründungsvater des Stadtmuseums. In zahllosen Ausgrabungskampagnen entdeckte Eidam eine Vielzahl von Relikten längst vergangener Epochen, die einen wichtigen Grundstock des Archäologischen Museums Gunzenhausen bilden.

Aufgrund seiner intensiv betriebenen Forschungstätigkeit, namentlich was die römische Geschichte der hiesigen Region anbelangt, wurde er auch zu einem der wenigen Reichslimesstreckenkommissare berufen. Dieses war dem Stadtrat Grund genug, ihm in seiner Sitzung vom 3. November 1921 die Ehrenbürgerwürde zu verleihen. Die Überreichung der entsprechenden Urkunde verzögerte sich kurioserweise bis 1928, da "die Inflation mit all ihren Schwierigkeiten und Wirren" eine frühere Ausfertigung verhinderte.

Ehrenbürger im Dritten Reich

Gunzenhausen: Darum wurden sie zu Ehrenbürgern

© Stadtarchiv Gunzenhausen

Auch wenn Gunzenhausen in mancher Hinsicht eine unrühmliche Vorreiterrolle in der nationalsozialistischen Ära einnahm (unter anderem erstes "Hitlerdenkmal" in Deutschland und einer der frühesten gewalttätigen Massenübergriffe auf jüdische Einwohner), war die Stadt, was die Vergabe der Ehrenbürgerwürde an Nazi-Größen anbelangt, etwas im Verzug zum Vergleich zu anderen Kommunen. Bereits im Februar 1932 hatte das fränkische Coburg zuerst Hitler das Ehrenbürgerrecht angedient. Kurz danach folgte Neustadt an der Aisch, und ab 1933 ergoss sich eine wahre Flut entsprechender Ehrungen über die Nazi-Herrscher. In der außerordentlichen Stadtratssitzung vom 23. März 1933, an der die SPD-Räte und das jüdische Stadtratsmitglied Neumann nicht teilnahmen, beschloss das Gremium die Verleihung der Ehrenbürgerrechte an Adolf Hitler sowie Reichspräsident Paul von Hindenburg. Damit einher ging die Umbenennung des Marktplatzes in Adolf-Hitler-Platz. Der Platz um das entstehende neue Zentralschulhaus (heute Stephani-Schule) hieß ab sofort Hindenburgplatz.

In der Ehrenbürgerurkunde für Hindenburg lautete der Text: "Dem Vater des deutschen Volkes in dankbarer Anerkennung seiner glänzenden und unvergänglichen Verdienste, die er sich im Krieg wie im Frieden um unser deutsches Vaterland erworben hat." Im Rückblick fast unappetitlich liest sich die Begründung zu Hitlers Gunzenhäuser Ehrenbürgerrecht, das er als "Führer der nationalsozialistischen deutschen Freiheitsbewegung in dankbarer Anerkennung der unsterblichen Verdienste, die er sich als todesmutiger deutscher Front- und Freiheitskämpfer, als entschlossener Retter vor grauenvoller marxistisch-bolschewistischer Flut und als Schöpfer deutscher Einigkeit und Einheit" erhielt. Beide Geehrte bedankten sich in Schreiben an den Gesamtstadtrat für diese Auszeichnung.

Einer der schlimmsten Antisemiten, Frankens Gauleiter Julius Streicher, gern und häufig zu Gast in der Altmühlstadt, komplettiert die Reihe Gunzenhäuser Ehrenbürgerverleihungen während der nationalsozialistischen Herrschaft.

Straße umbenannt

Für ihn entschied man sich in der Stadtratssitzung vom 4. Oktober 1933. Der textliche Inhalt seiner vom Kunstmaler Michl Hertlein gefertigten Ehrenbürgerurkunde, liest sich noch abstoßender als jene für Adolf Hitler. Darin heißt es unter anderem, er habe: " …getragen von grenzenloser Liebe zum Deutschen Volk und Vaterland (...) nach vieljährigem heißen Ringen den schließlich wunderbaren Sieg der nationalsozialistischen deutschen Freiheitsbewegung miterfochten und dadurch in letzter Stunde Deutschland aus den Klauen des völkerverderbenden Marxismus und Bolschewismus, deren Seele das internationale Judentum ist, befreien helfen."

Quasi als Dreingabe kam noch die Umbenennung der Gerberstraße in Julius-Streicher-Straße hinzu. Nach Kriegsende beeilte sich der von der amerikanischen Militärregierung eingesetzte Stadtrat unter Leitung von Bürgermeister Hahn in seiner ersten Sitzung am 30. Mai 1945, den Straßen ihre historischen Bezeichnungen zurückzugeben. Außerdem wurde Julius Streicher das Ehrenbürgerrecht aberkannt.

Erstaunlicherweise berichtete das städtische Amtsblatt vom 8. Juni auch von der debattelosen Abwürdigung der Hitler’schen Ehrenbürgerwürde, jedoch findet sich im entsprechenden Stadtratsprotokoll dazu kein einschlägiger Hinweis. Vermutlich begnügte man sich damit, dass eine Ehrenbürgerschaft formal mit dem Tode der Person automatisch erlischt und nahm deshalb keine Aberkennung vor.

Welche verdienten Bürger diese hohe Auszeichnung in der Nachkriegszeit erhielten, lesen Sie im nächsten Beitrag unserer Serie "Historisches Gunzenhausen".

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