Gunzenhausen: Familienleben ohne Schule

28.3.2020, 08:20 Uhr
Gunzenhausen: Familienleben ohne Schule

© Privat

"Es ist eine große Herausforderung. Man muss sich erst zusammenfinden", gibt Jana R. aus Gunzenhausen zu. Wir unterhalten uns aus sicherer Entfernung darüber, wie es ist, Mutter, Arbeitnehmerin und Lehrerin gleichzeitig zu sein. Die 39-Jährige arbeitet im Marketing einer großen Firma in Fürth, muss Termine für Meetings und Telefonate einhalten. Auch vor der Schulschließung war sie überwiegend im Homeoffice tätig, aber eben dann, wenn ihre zwei Kinder im Kindergarten und der Schule waren.

Jetzt ist auch ihr Mann viel zu Hause und funktioniert den Esstisch zum Schreibtisch um. Da könne es dann schon mal stören, wenn die Sechsjährige singend durchs Zimmer läuft und er selbst am Telefon hängt. Der zehnjährige Sohn, der die fünfte Klasse des Gymnasiums besucht, muss derweil seine Aufgaben für die Schule erledigen, was nach ein wenig Anlaufschwierigkeiten nun auch ganz gut klappt, wie Mutter Jana erzählt. "Da Mebis zunächst nicht funktioniert hat, haben wir erst Dienstagnachmittag angefangen, das Material auszudrucken." Die Bearbeitung allerdings habe sich dann bis zum Wochenende hingezogen – und ein ernstes Gespräch zwischen Eltern und Sohn nach sich gezogen.

Mit Zeitplan klappt es besser

Für die zweite Woche wurde ein Zeitplan erstellt: Täglich von 9.30 bis 12 Uhr ist für den Jungen Schule angesagt, während seine Mutter bei Fragen für ihn da ist und gleichzeitig versucht, ihrem Job nachzugehen. "Das lenkt mich zwar ein bisschen ab, aber es funktioniert mittlerweile ganz gut", meint Jana R., die durchaus sieht, dass die Eltern in der aktuellen Situation viel mehr Zeit für die Schule investieren müssen, und die auch den Lehrern Respekt zollt: "Hut ab, da sieht man erst, was Lehrer alles leisten!"

Froh ist sie, dass ihre Kinder zum Toben und Spielen raus in den Garten können, wenn sie sich schon nicht mit Freunden treffen dürfen: "Sie vermissen ihren gewohnten Ablauf und ihren Alltag schon sehr."

Gunzenhausen: Familienleben ohne Schule

© Babett Guthmann

Telefoniert haben wir außerdem mit der Achtjährigen Paula Letzbor aus Theilenhofen und ihren Eltern und gefragt, wie es denn so läuft. Auch bei Paula heißt es mindestens zwei Mal "Hopp, hopp, jetzt müssen wir was für die Schule machen", ehe der Heimunterricht beginnt, dennoch meinen die Eltern Annett und Christian Letzbor: "In Sachen Schule haben wir es leicht, denn da ist Paula ein Vorzeigekind!"

Eigentlich besucht Paula die zweite Klasse der Grundschule am Limes Pfofeld-Theilenhofen und freut sich normalerweise am meisten auf den Unterricht in ihrem Lieblingsfach WTG (Werken/Textiles Gestalten). Dieses Schulfach fällt jetzt aus, aber für die Kernfächer Mathematik, Deutsch und für den Heimat- und Sachunterricht hat ihr Klassenlehrer Bernd Nebert Aufgaben, Arbeitshinweise und Lerninhalte zusammengestellt. Diese schickt er täglich in einer E-Mail und fügt einige ermunternde Worte an: "Auch heute machen wir uns wieder kräftig an die Arbeit, um unser Wissen weiter zu erweitern und zu vertiefen!"

Hilfe von Mama

"Wie läuft das nun bei euch zu Hause", haben wir Paula gefragt. Sie erzählt, dass Mama und Papa auch "Office" von zu Hause aus machen. So geht es also am Vormittag los, dass Papa Christian im Büro daheim arbeitet, während Mama und Paula sich am Esstisch einrichten, Notebook und Arbeitshefte ausbreiten. "Mir macht Schule Spaß und ich bin da mit meinen Freunden zusammen.", sagt Paula wehmütig, schränkt aber ein: "Aber Hausaufgaben mag ich nicht!" Trotzdem hat sie heute brav die Seite 62 im Mathebuch aufgeschlagen und das Zweier-Einmaleins geübt, Aufgaben gerechnet.

Dann war noch ein Kapitel aus der Klassenlektüre "Die kleine Eule" zu lesen. Der Lehrer hat Fragen vorbereitet, die Paula nur beantworten kann, wenn sie auch wirklich eine halbe Stunde konzentriert gelesen und die Geschichte verstanden hat. Gerade noch rechtzeitig hat der Klassenlehrer die Exemplare der Klassenlektüre aus der Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen ausgeliehen und so vorausschauend für Lesestoff daheim gesorgt.

Während Paula arbeitet, ist Mama zwar da, aber auch sie hat berufliche Aufgaben zu erledigen und muss manchmal draußen telefonieren, um Paula nicht abzulenken. Doch wenn es Fragen gibt, dann ist Mama zur Stelle. Zum Beispiel, wenn im Arbeitsheft "Radfahren im 2. Schuljahr" Kapitel durchgearbeitet werden müssen. "Da geht es um Regeln beim Radfahren und darum, wann ein Fahrrad verkehrssicher ist", erklärt sie und meint stolz: "Meins ist verkehrssicher, es hat Vorder- und Rücktrittbremsen, Reflektoren an den Pedalen, Licht und Reflektoren hinten und vorne und an den Reifen. Und einen Fahrradhelm hab ich auch!"

Im Hintergrund hört man Annett Letzbor seufzen, denn sie muss im Fahrradheft schon mitlesen und schwierige Begriffe kindgerecht übersetzen: "Da steht dann ‚verkehrsberuhigter Bereich‘ – und sowas kennt Paula nicht, weil es das hier im Dorf nicht gibt. Also lesen und dann richtige Antworten eintragen – das geht ohne meine Hilfe nicht. Ich muss da viel erklären."

Natürlich trödelt auch unsere Musterschülerin Paula ab und zu, auch sie ist vielleicht mal genervt, weil die Mama daneben sitzt, statt die sehr vermissten Klassenkameraden. "Insgesamt läuft es sehr gut, Paula hat – weil ja auch wir Eltern mobil arbeiten – verstanden, dass jetzt jeder in der Familie seine Aufgabe erledigen muss", meint Annett Letzbor. Doch Paula möchte lieber daran denken, wie es normalerweise läuft: "Sonst gehe ich mit meinem Freund Torsten nach der Schule zur Oma, dort essen wir und machen dann miteinander Hausaufgaben. Dann holt mich Mama ab und nachmittags kommen Torsten, Lucy, Lilli, Miriam oder Clara zum Spielen. Oder ich besuche eine Freundin."

Angst um die "Uri"

Das alles geht jetzt nicht, und man versteht auch durchs Telefon, dass dies das Kind belastet. Dabei sieht die Kleine schon die Vorteile, die sie gegenüber den Kindern in der Stadt hat: "Wir haben ein großes Grundstück, und ich kann draußen spielen und im Hof mit dem Fahrrad fahren!"

Am Ende sprechen wir auch mit Paula noch über die aktuelle Corona-Lage. Sie weiß, dass das Virus besonders für ihre "Uri", also die Uroma Elli, die mit im Haus wohnt, gefährlich ist. Was sie denn hoffe? "Ich hoffe, dass es bald wieder weg geht, Uri gesund bleibt und ich wieder in die Schule gehen kann!" Auch nach ihren Befürchtungen fragen wir Paula, und da erhalten wir eine erschütternde Antwort: "Ich fürchte, dass alles noch schlimmer wird!" Mama Annett seufzt nach diesem Statement und erklärt: "Das kommt daher, dass Paula sehr viel Nachrichten im Radio hört. Sie weiß manchmal besser Bescheid als wir!"

Nicht ganz so problemlos wie bei Paula läuft Schule daheim bei einer Familie aus dem Gunzenhäuser Umland, wie die Mutter, die anonym bleiben möchte, am Telefon klagt. Während die zwei jüngeren Kinder durch die Schule im Ort vorbildlich versorgt und umsorgt würden, klappe es in der weiterführenden Schule des Sohnes nicht so toll. Zunächst habe die Technik nicht funktioniert, dann kamen einige Arbeitsaufträge per Mail, aber noch lange nicht in allen Fächern.

Zudem, gibt die Mutter zu bedenken, verfüge nicht jede Familie automatisch über die notwendige technische Ausstattung. "Nicht jeder hat einen Drucker, und bei mehreren Kinder gehen schon mal die Geräte aus."

Tipps für die Kleinen

Doch nicht nur die Schulkinder müssen derzeit zu Hause betreut werden, auch die Kindertagesstätten sind geschlossen. Und auch für die Kleinen ist dies eine ungewohnte Situation, weiß Melanie Keitel, Leiterin des Kindergartens "Spatzennest" in Unterwurmbach, und hat einige Tipps für die Eltern parat:

Hilfreich ist es aus ihrer Sicht, den Tagesablauf zu strukturieren und für Abwechslung zu sorgen. Am Vormittag, wenn jeder ausgeschlafen und noch frisch ist, sei der beste Zeitpunkt zu "arbeiten". Das bedeutet, die Sprösslinge in die alltäglichen Arbeiten miteinzubeziehen. Das könne das gemeinsame Wäscheaufhängen genauso sein, wie das Einräumen der Geschirrspülmaschine oder das Tischdecken. Besonders wichtig seien die gemeinsamen Mahlzeiten zum Erleben der sozialen Gemeinschaft und des Miteinanders, da alle anderen Kontakte außerhalb der Familie für die Kinder nicht möglich sind.

Zudem sollte man, gerade in dieser ernsten Situationen, offen und ehrlich mit den Kindern sprechen: "Kinder sind äußerst sensibel und spüren, dass alles gerade anders ist. Worte helfen den Kindern daher, die Situation einzuschätzen und zu verstehen. Bleibt die Situation unbesprochen, erzeugt das möglicherweise mehr Ängste als nötig."

Ebenfalls parat hat die Erzieherin einige Basteltipps: Aus Schuhkartons lassen sich etwa für Playmobil-Figuren Häuser und Zimmer gestalten. Servietten könnten hierbei als Tapeten dienen, aus Klopapierrollen kann eine Murmelbahn entstehen. Um in Kontakt mit anderen zu bleiben, sei es auch eine nette Idee, mit den Kindern Karten und Briefe zu gestalten und zu verschicken

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